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"Die Perser" bei den Salzburger Festspielen
Martialisches Maschinentheater

Gigantische Drehbühnen sind das Markenzeichen von Regisseur Ulrich Rasche. Außerdem lässt er die Schauspieler als Chor auftreten, nicht als Figuren. Jetzt hat Rasche Aischylos' Stück "Die Perser" in Salzburg inszeniert - und die dortigen Festspiele damit wieder zum Ort relevanter Theaterpositionen gemacht.

Von Karin Fischer |
    Die Perser 2018: Valery Tscheplanowa, Katja Bürkle (Chor des persischen Ältestenrates / Dareios’ Geist), Patrycia Ziolkowska (Atossa, Königsmutter)
    Das Bühnenbild wird von zwei riesigen, beweglichen Scheiben dominiert. Auf der einen singt der eindrucksvolle Männerchor. (Salzburger Festspiele / Bernd Uhlig)
    Ja, wieder steht ein Monster auf der Bühne, genauer: zwei, denn Ulrich Rasche hat gleich zwei riesige Drehbühnen ins Landestheater gestemmt. Die vordere rotiert vor der Bühne langsam in Kopfhöhe der Zuschauer; sie ist der Ort der Frauen: Valery Tscheplanowa und Katja Bürkle übernehmen den Chor des Ältestenrates von Susa, der persischen Hauptstadt. Patrycia Ziolkowska ist Atossa, die Mutter von König Xerxes.
    Die hintere Drehscheibe füllt zur Gänze die Bühne aus und lässt sich bis in steile Lagen kippen. Mehr als ein Dutzend halbnackte Männer, geschürzt und gegürtet wie Krieger, später teils mit Pech übergossen, treten hier im Wortsinne gegen eine Bewegung an, die in den heillosen Untergang führt.
    Oratorium aus Beschwörungsformeln
    Denn das Stück spielt im Jahr 480 vor Christus und erzählt von nichts anderem als dem Totalverlust der übermächtigen persischen Flotte im Kampf gegen die Griechen bei Salamis. Rasche macht daraus ein Oratorium aus so stark rhythmisierter Sprache, dass die Sätze zu Beschwörungsformeln werden. Vorne überwiegt dabei die Sorge um die Rückkehr der Männer; für Atossa scheint jedes Wort eine Bürde.
    "Dieser Feldzug, der so viel Staub aufwirbelt, vielleicht macht er den Wohlstand eben zunichte?"
    Hinten ertönt stampfend die Kriegsbegeisterung von siegesgewohnten großsprecherischen Helden:
    "Ja, von Alters her hat das Schicksal das letzte Wort. Den Persern befahl es, Kriege zu führen, so oft es geht."
    Der Sound, zuerst Trommel, Bass und Marimbaphon, dann elektronisch verstärktes Wummern, wie ein rollendes, zerstörerisches Mahlwerk, vermittelt mehr als alles andere die Unerbittlichkeit des Geschehens. Der gewöhnungsbedürftige Sprechgesang entwickelt mit der Musik eine extrem suggestive Wirkung.
    Der Regisseur verstärkt den quälenden Botenbericht von Aischylos und lässt die Männer selbst durch das Schlachten und Morden gehen. Das ist auch visuell absolut stark gemacht; die martialisch wirkenden Kämpfer sind auch mal dunkle Schatten, wie Untote; mal hängen sie auf steiler Rampe an den Sicherungsseilen wie Galeerensklaven.
    "Vernichtend geschlagen ist das Heer der Barbaren…!"
    Faszinierend und abstoßend zugleich
    Die Aufführung wird schon in der Pause heftig diskutiert. Manche Zuschauer bekennen, zwei Stunden nur gelitten zu haben, andere rufen: "Endlich mal Text, endlich richtiges Theater!" Und in der Tat wirkt Rasches Inszenierung so faszinierend und abstoßend zugleich wie Zack Snyders Film "300", ein visuell überwältigendes Schlachten-Epos nach der Graphic Novel von Frank Miller, in dem 300 Spartaner bei den Thermopylen siegreich gegen die Übermacht aus Hunderttausend Männern eben jenes Xerxes kämpfen. Den Film bezeichneten Kritiker als "offen faschistoid, gewaltverherrlichend und rassistisch", aber natürlich war die Metzelei auch grandiose Unterhaltung.
    Die Perser 2018: Mehrere Schauspieler knien auf einer schräg stehenden Scheibe
    Die Darstellung der Schlachtszenen entwickelte einen erstaunlichen Sog. (Salzburger Festspiele / Bernd Uhlig)
    Ulrich Rasches Konzept der chorisch dirigierten Massen und Entindividualisierung von Schauspielern, verbunden mit perfektem Handwerk, passt allerdings punktgenau zur Kriegserzählung von Aischylos. Die sonst eher als Anti-Kriegsstück gelesen und inszeniert worden ist. Auch Ulrich Rasche will politisch verstanden werden: "Wir erzählen, wie die entfesselte Selbstbestimmung eines einzigen Mannes eine zuvor bestens funktionierende Gesellschaft ruiniert", sagte er dem SPIEGEL. Der 23-jährige blonde Johannes Nussbaum, der den Xerxes spielt, kann noch den Daimon oder das Schicksal verantwortlich machen. Im letzten Bild aber bilden die Reste der versprengten Armee die stampfenden Ankläger.
    Am Ende: jubelnder Beifall von allen, die das Exerzitium bis zum Ende überstanden haben. Gegen einen überschwänglichen Rasche-Hype wäre nun auch zu sagen: Es gab und gibt immer wieder markante neue Handschriften im deutschsprachigen Regietheater, von Michael Thalheimer über Ersan Mondtag oder Susanne Kennedy bis Simon Stone. Mit Rasche ist auch das Salzburger Landestheater wieder zum Ort relevanter, wenn auch umstrittener Theaterpositionen geworden, und das ist gut so.