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Brüderchen und Schwesterchen

Um ein Zwillingspaar kreist Philip Grönings philosophischer Spielfilm "Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot". Im Thriller "Verschwörung" trifft Antiheldin Lisbeth Salander auf ihre Schwester. Von einer Wiedervereinigung musikalischer Brüder erzählt "So viel Zeit" nach einem Frank-Goosen-Roman.

Von Jörg Albrecht |
    Die Tankstelle ist für Elena (Julia Zange) und Robert (Josef Mattes) der einzige Kontakt zur Außenwelt.
    Brüderchen und Schwesterchen auf einer grünen Wiese: Elena (Julia Zange) und Robert (Josef Mattes) im Film "Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot" (W-film / Philip Gröning Filmproduktion)
    "Wie kann etwas vergehen, was ein Recht hat zu sein? Was ist die Zeit?", fragt Elena. Und ihr Zwillingsbruder Robert sinniert: "Der Grund der Zeit ist die Hoffnung."
    Fast drei quälende Stunden lang lässt der Filmemacher Philip Gröning in seinem philosophischen Spielfilm "Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot" die beiden Protagonisten Heidegger lesen und zitieren, vor allem aus dessen Hauptwerk "Sein und Zeit". Da sich Elena und Robert an einem sonnigen Tag in der freien Natur befinden, zirpt und zwitschert es auf der Tonspur außerdem.
    "Liebst du mich?"
    "Robert."
    "Liebst du mich?"
    Dass die Zwillinge ein symbiotisches Verhältnis haben, ist noch schneller klar als der Grund für ihren Trip durch Wald und Flur. Während Robert die Schule offenbar geschmissen hat, will sich Elena auf ihre Abiturprüfungen vorbereiten.
    Schier endloses Mäandern
    "Robert, ich mache Montag Abi in Philosophie."
    "Ich bin eben blöd. Du nicht."
    "Idiot."
    Angesichts des theatralisch-monotonen Aufsagens sämtlicher Sätze könnte man den Zweien – sie heißen Julie Zange und Josef Mattes – auch gut jegliches Talent für den Schauspielberuf absprechen. Natürlich ist das so gewollt. Was die Sache aber auch nicht besser macht. Man mag ihnen schon nach fünf Minuten nicht mehr zuhören – den beiden, auf besondere Weise verbundenen Jugendlichen an der Schwelle zum Erwachsensein, die nach Erkenntnis streben.
    "Die erste Begegnung mit der Welt ist das Staunen. Mit dem Staunen beginnt Welt. Mit dem Staunen beginnt Philosophie. Bei Heidegger ist Wahrheit Begegnung. Aber sie geht nicht von uns aus. Ob sich eine Wahrheit entbirgt, kann der Mensch nicht entscheiden."
    "Robert!"
    Wenn das schier endlose Mäandern auch noch in einen Gewaltausbruch im Stil von "Natural Born Killers" münden wird, dann ist das so überflüssig wie der philosophische Kropf vorher. Kino soll und muss gelegentlich anstrengend, ja es darf auch mal prätentiös sein. Aber niemals sollte es bei einem Film passieren, dass einem die vergangene Zeit wie eine gestohlene vorkommt.
    "Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot": enttäuschend
    "Wonach suche ich?"
    "Die Summe all meiner Sünden: ein 2725 Byte großes Stück Software. Eine singuläre Datei. Sie kann weder reproduziert noch kopiert, nur verschoben werden."
    "Und Sie wollen, dass ich sie für Sie stehle?"
    Lisbeth Salander, die geniale Hackerin und gnadenlose Rächerin misshandelter Frauen, ist zurück. Stieg Larsson hat die Figur einst erfunden für seine postum veröffentlichte Millennium-Trilogie, sein schwedischer Autorenkollege David Lagercrantz mittlerweile zwei weitere Geschichten hinzugedichtet. "Verschwörung" – der erste der zwei Romane – ist jetzt von Hollywood verfilmt worden mit Claire Foy als dritter Lisbeth-Salander-Darstellerin.
    "Mit diesem Tool hat man Zugriff auf die meisten Online-Verteidigungssysteme."
    Auf den Spuren von James Bond
    Stieg Larsson dreht sich wahrscheinlich im Grab um, denn in "Verschwörung" wandelt seine Heldin jetzt auf den Spuren von James Bond. Wie bei den Abenteuern des britischen Geheimagenten geht es nämlich gleich um das Schicksal der ganzen Welt. Wenn dann als Drahtzieherin auch noch die eigene Schwester auftaucht ...
    "Woran liegt es, Lisbeth, woran liegt es, dass eine Spinne sich nie in ihrem eigenen Netz verfängt?"
    ... fühlt man sich erst recht an den letzten Bond "Spectre" erinnert, in dem sich der Gute und der Böse ebenfalls denselben Vater teilten. Den Mangel an einer auch nur ansatzweise sinnstiftenden Handlung versucht Regisseur Fede Alvarez mit atemloser Action zu kaschieren - und macht dadurch die Drehbuchschwächen erst recht sichtbar.
    "Verschwörung": ärgerlich
    "Wieso spielst du da eigentlich nicht mit?"
    "Vergiss es! Keine zehn Pferde bringen mich noch mal auf eine Bühne."
    Und jetzt noch der Film, der nach dem "Malen nach Zahlen"-Prinzip funktioniert. Wie der Pinselstrich ist auch bei "So viel Zeit" jede Szene vorgegeben. Vollkommen überraschungsfrei und äußerst bedächtig wird hier die Geschichte der Wiedervereinigung einer Rockband aus dem Ruhrpott heruntergespult, die sich vor 30 Jahren nicht im Guten getrennt hatte.
    Aufzugsmusik statt Rock'n'Roll
    "Lange her, was?"
    "In vier Wochen 30 Jahre. Sag mal, hast du irgendwie Matsche im Kopf? Wirkt einer von uns Dreien so, als wollten wir mit dir reden? Ich zähle jetzt bis drei und dann machst du dich hier vom Acker."
    "Also, dann mach´s mal gut!"
    "Zieh Leine!"
    "Ich will mit euch beim 'Rockpalast' spielen."
    So der Plan von Rainer, nachdem er von seinem Hirntumor erfahren hat. Noch einmal gemeinsam mit den Jungs von früher auf einer Bühne stehen – das wäre es! Die allerdings haben nicht vergessen, dass es Rainer war, wegen dem es damals zum Zerwürfnis kam.
    Jan Josef Liefers, Armin Rohde, Richy Müller, Matthias Bundschuh und Jürgen Vogel verkörpern die eher eindimensionalen, dafür aber grundsympathischen Gestalten in einem wehmütigen, larmoyanten Film, der vergleichbar ist mit Aufzugsmusik - ganz sicher aber nicht mit Rock'n'Roll.
    "So viel Zeit": zwiespältig