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Spanien
Kataloniens Regierungschef stellt Vertrauensfrage

Regierungspräsident Carles Puigdemont forciert eine Abspaltung Kataloniens von Spanien. Zunächst muss Puigdemont aber eine Vertrauensfrage im Parlament in Barcelona überstehen. Verliert er, müsste er neue Koalitionspartner finden oder es gibt Neuwahlen. Das wäre ein Rückschlag auf dem Weg in die Unabhängigkeit.

Von Oliver Neuroth | 28.09.2016
    Carles Puigdemont winkt nach seiner Wahl mit einer Rose in der Hand.
    Carles Puigdemont wurde Anfang des Jahres zum neuen Ministerpräsidenten in Katalonien gewählt. (picture-alliance / dpa/ epa/ David Borrat)
    Wenn Parteien aus dem extrem linken, dem linken und dem Mitte-Rechts-Spektrum zusammen Politik machen, gibt es klassischerweise Reibereien. Erst recht, wenn solche Parteien in einer gemeinsamen Regierungskoalition sitzen. Genau das ist in Katalonien der Fall. Die Parteien eint der Wunsch nach einer Unabhängigkeit der Region von Spanien. Das war es aber auch schon. Zu vielen Fragen der täglichen Politik haben die Parteien völlig gegensätzliche Vorstellungen. So wollte die linksradikale CUP dem Haushaltsplan von Ministerpräsident Puigdemont nicht zustimmen. Die Partei forderte mehr Geld für Sozialausgaben – und drohte, das Regierungsbündnis platzen zu lassen. Um das zu verhindern, sah Puigdemont nur einen Ausweg.
    "Ich muss mich einer Vertrauensfrage im katalanischen Parlament stellen, um zu überprüfen, ob die Zustimmung, die ich Anfang des Jahres hatte, als ich zum Regierungschef gewählt wurde, immer noch gegeben ist. Und ich will sicherstellen, dass es weiterhin einen Rückhalt für die politischen Ziele gibt, die ich zu Beginn meiner Amtszeit formuliert habe."
    Puigdemont plant einen neuen Anlauf für ein Referendum
    Konkret geht es um den Plan, Katalonien bis nächsten Sommer zu einem unabhängigen Staat zu machen. Puigdemont will vorher sichergehen, dass auch eine Mehrheit der Katalanen dahinter steht. Bei den Regionalwahlen vor einem Jahr hatte sein Bündnis der Unabhängigkeitsbefürworter zwar die Mehrheit der Parlamentssitze geholt, aber nicht die Mehrheit der Wählerstimmen. Möglich war das durch Besonderheiten im spanischen Wahlrecht. Deshalb plant Puigdemont, einen neuen Anlauf für ein Referendum zu starten.
    "Ein Referendum ist einfach. Man fragt die Leute, wie in Schottland oder anderen Staaten, wie sie sich die Zukunft ihres Landes vorstellen. Ein Referendum ist das beste Mittel um zu erfahren, ob ein Volk unabhängig werden will."
    Doch das spanische Verfassungsgericht hat eine solche Volksabstimmung schon mehrmals verboten. Die Katalanen halten trotzdem daran fest. Einige hochrangige Politiker sagen: Wenn Spanien den Plan nicht akzeptiert, wird das Referendum eben einseitig. Der Regierung in Barcelona wäre also egal, was Madrid zum Ergebnis sagt. Verfassungsrechtler Xavier Arbós hält das nicht für schlau.
    "Was soll ein einseitiges Referendum? So etwas hätte keinen praktischen Nutzen. Es wäre nicht glaubwürdig und deshalb nicht umsetzbar."
    Politisch bleiben Spanien und Katalonien weit voneinander entfernt
    Ministerpräsident Puigdemont will heute im Parlament in Barcelona den genauen Fahrplan vorstellen, wie das Referendum und schließlich die Loslösung von Spanien funktionieren sollen. Denn auch das verlangt der linke Koalitionspartner CUP. Die Partei ist der radikalste Befürworter einer Unabhängigkeit Kataloniens und fordert von Puigdemont, dass sein Projekt endlich konkreter wird und zum Beispiel Gesetze auf den Weg gebracht werden, die eine Abspaltung von Spanien regeln. Für Verfassungsrechtler Arbós ist klar: Egal, was der Ministerpräsident heute vorstellt – Spanien wird es blockieren.
    "Die Institutionen in Madrid werden schnell auf die Pläne Puigdemonts reagieren. Zum Beispiel, wenn er ein konkretes Datum nennt, wann seine Regierung das Gesetz für den Übergang Kataloniens zu einem eigenen Staat beschließen will. Genau das ist es, womit die CUP gerade Druck ausübt."
    Für Arbós ist klar: Puigdemont kommt der CUP entgegen und wird die Vertrauensfrage überstehen. Entsprechende Signale sendet auch die linksradikale Partei aus. Die separatistische Regionalregierung Kataloniens hätte also eine Zukunft. Auch Puigdemont ist zuversichtlich: Die Vertrauensfrage bedeute keine grundlegende Änderung seiner Politik.
    Politisch bleiben Spanien und Katalonien weit voneinander entfernt. Taktisch nicht, könnte man meinen. Die Entscheider kündigen große Schritte an, die nur selten in konkreten Taten münden. Während die Katalanen seit mehreren Jahren den Weg in die Unabhängigkeit suchen und offenbar nicht finden, ist es in Madrid etwas anderes. Dort finden die Politiker seit inzwischen neun Monaten keine Regierung.