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SPD-Chef Schulz
"In der Flüchtlingskrise auf Zeit zu spielen ist zynisch"

SPD-Kanzlerkandidat Schulz bringt die Flüchtlingskrise wieder ins Gespräch. In Interviews nannte er es "zynisch", auf Zeit zu spielen und das Thema bis zur Bundestagswahl zu ignorieren. Wenn jetzt nicht gehandelt werde, drohten sich die Ereignisse von 2015 zu wiederholen.

23.07.2017
    SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz spricht auf einer Bühne in ein Mikrofon.
    Kanzlerkandidat Martin Schulz (SPD) (dpa/Maurizio Gambarini)
    Schulz äußerte sich im Interview der Woche des Deutschlandfunks und in der "Bild am Sonntag". Im Dlf schlug der ehemalige Präsident des Europäischen Parlaments vor, Ländern, die sich zur Aufnahme von zusätzlichen Flüchtlingen bereit erklären, Geld aus dem EU-Haushalt zu zahlen. Italien werde auf Dauer nicht alle Flüchtlinge alleine aufnehmen können, betonte Schulz. Deutschland nahm er davon allerdings aus. "Jetzt sind die anderen EU-Mitgliedstaaten dran", sagte Schulz der "Bild am Sonntag".
    Schulz warnte davor, die "hoch brisante" Lage angesichts der steigenden Zahl von Flüchtlingen in Italien zu zu verschweigen. "Wer auf Zeit spielt und versucht, das Thema bis zur Bundestagswahl zu ignorieren, verhält sich zynisch." Die Bundesrepublik trete nicht mit der Entschiedenheit auf, "die notwendig wäre, um den Ländern, die keine Flüchtlinge aufnehmen, zu sagen: Solidarität ist keine Einbahnstraße und keine Rosinenpickerei", kritisierte Schulz im Dlf. Seine SPD ist an der Bundesregierung beteiligt.
    Linken-Politiker Korte wirft Schulz Versagen vor
    Der stellvertretende Vorsitzende der Links-Fraktion im Bundestag, Korte, warf Schulz Versagen vor. In seiner früheren Funktion als EU-Parlamentspräsident hätte Schulz mehr für eine europäische Lösung in der Flüchtlingsfrage tun können, so Korte. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Göring-Eckhardt verlangte "endlich eine langfristige Flüchtlingspolitik" der Bundesregierung und eine dauerhafte europäische Lösung für die Umverteilung von Flüchtlingen. CSU-Chef Seehofer bekräftigte in der "Welt am Sonntag" die Forderung seiner Partei nach einer Obergrenze für Flüchtlinge: "Im Moment ist die Lage beruhigt. Aber wir wissen alle: Die Migrationswelle wird weitergehen."
    Der SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Schulz will diese Woche nach Italien reisen, um mit Ministerpräsident Gentiloni über die Flüchtlingskrise zu beraten. Nach Angaben des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR sind seit Anfang des Jahres mehr als 110.000 Menschen über das Mittelmeer nach Europa gekommen. Mehr als 93.000 von ihnen erreichten einen italienischen Hafen.
    (jan/am)