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Steuerpolitik
"Kalter Progression den Kampf ansagen"

Vor dem CDU-Parteitag nimmt die Debatte um das deutsche Steuersystem und die kalte Progression wieder zu. Für die Abschaffung müsse ein konkretes Datum benannt werden, sagte Karl-Josef Laumann im DLF. Er unterstrich aber, dass ein ausgeglichener Haushalt dabei nicht gefährdet werden dürfe.

Karl-Josef Laumann im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Karl-Josef Laumann im April 2014 bei einer Rede in Düsseldorf
    Karl-Josef Laumann (CDU) ist Vorsitzender des Arbeitnehmerflügels (CDA) seiner Partei (dpa / picture-alliance / Matthias Balk)
    "Wir haben in den nächsten Jahren die höchsten Steuereinnahmen in der Geschichte unseres Landes zu erwarten", sagte Laumann im Hinblick auf eine Finanzierung einer abgeschafften kalten Progression.
    Schon in der schwarz-gelben Koalition hätte man die Steuerbremse beschlossen. Diese sei aber im Bundesrat gescheitert, sagte Laumann weiter. Bund, Land und Kommunen "bedienen sich am Steueranteil von Lohnerhöhungen, die ihnen nicht zustehen", sagte Laumann. "Wir wollen, dass die Abschaffung der kalten Progression auf der Nummer eins der Steuerpolitik der Union bleibt". Der Wille zur Abschaffung bei der CDU-Schwesterpartei CSU "sei stark ausgeprägt", ergänzte Laumann.

    Das gesamte Interview können Sie hier nachlesen:
    Christiane Kaess: Es ist seit Langem ein Ärgernis für viele Arbeitnehmer, das, was mit dem sperrigen Ausdruck kalte Progression beschrieben wird, also die Tatsache, dass Gehaltserhöhungen nur die Inflation ausgleichen, der Arbeitnehmer aber in einen höheren Einkommensteuertarif rutscht. Er muss also mehr Steuern zahlen und kann mit dem Lohnzuwachs nur die Preissteigerung auffangen. Von seiner Gehaltserhöhung kann er sich sozusagen real nicht mehr kaufen. Auch in der Politik ist die kalte Progression lange schon ein Streitpunkt, und sie wird es auch sein auf dem nach dem Wochenende beginnenden Parteitag der CDU.
    Der Bundesvorstand will mit seinem Antrag zur Wirtschaftspolitik dort etwas verhindern, was mehrere CDU-Verbände fordern, nämlich dass Arbeitnehmer durch eine Steuerbremse spätestens ab Januar 2017 auch tatsächlich von Lohnerhöhungen profitieren. Der Antrag stammt von der Mittelstandsvereinigung und der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA). Und deren Vorsitzenden begrüße ich nun am Telefon. Guten Tag, Karl-Josef Laumann!
    Karl-Josef Laumann: Schönen guten Tag!
    Kaess: Herr Laumann, der Abbau der kalten Progression, das ist ja kein neues Thema. Warum soll das jetzt ausgerechnet in dieser Legislaturperiode noch begonnen werden.
    Laumann: Ja gut, weil auch schon in der letzten Wahlperiode in dieser Frage nichts gemacht worden ist. Sie wissen ja, dass damals CDU, FDP im Bundestag eine Steuerbremse in Sachen kalte Progression besprochen hat, die dann aber vor der Bundestagswahl im Bundesrat gescheitert ist an den Bundesländern, insbesondere an den rot-grünen Bundesländern. Und wir wollen natürlich, dass in dieser Wahlperiode das auf Nummer eins der Steuerpolitik der Union bleibt.
    Denn dass wir so viel Beschäftigung zurzeit in Deutschland haben, hängt ja auch damit zusammen, dass die Gewerkschaften jetzt über ganz viele Jahre in Deutschland eine Tarifpolitik gemacht haben, die eher auf Beschäftigungsmehrung aus war als auf Einkommenssteigerungen. Und wenn dann über viele Jahre geringe Lohnerhöhungen waren, dann ist das natürlich schon ein Ärgernis, dass der Staat sich an Lohnerhöhungen, die kaum die Preissteigerungsrate ausgleichen, dann auch noch steuerlich bedient. Und das sieht die ganze CDU so, es gibt nur einen Streit bis jetzt darüber, ob wir auch ein festes Datum nennen, bis wann wir wollen, dass das finanzwirksam wird.
    Das Geld muss bei den Leuten ankommen
    Kaess: Genau. Sie sagen es gerade, das sieht die ganze CDU so, und es heißt im Leitantrag des Parteivorstandes, wir wollen noch in dieser Legislaturperiode erneut ein Gesetz zur Bekämpfung der kalten Progression vorlegen. Warum reicht Ihnen das nicht?
    Laumann: Ja gut, wir würden natürlich ganz gerne sehen, dass auch dieser Antrag eben ergänzt wird und dass das dann spätestens 2017 auch finanzwirksam wird. Man kann auch ja etwas beschließen, was erst viel später finanzwirksam wird. Weil ich glaube, dass in dieser Frage man den Leuten einfach jetzt auch mal Ross und Reiter nennen muss, dass man es sehr ernst meint, dieses Thema anzugehen. Natürlich ist auch eine Voraussetzung, das sagen wir ja auch in unserem Antrag, also CDA und Mittelstand, dass dadurch nicht die schwarze Null gefährdet darf. Wir wollen nicht dieses Problem auf Pump für die nächste Generation lösen, aber wenn es eben Spielräume gibt, dann muss es jetzt auch gemacht werden, und das Geld muss auch bei den Leuten ankommen.
    Kaess: Aber da ist ja genau die Frage, ob wir diese Spielräume haben. Unionsfraktionschef Volker Kauder geht eben davon genau nicht aus.
    Laumann: Ja, aber wir sind auf der anderen Seite, von allen Prognosen, die wir kennen, haben wir auch in den nächsten Jahren noch die höchsten Steuereinnahmen in der Geschichte unseres Landes zu erwarten, und da wir eine relativ niedrige Inflationsrate haben, ist nun die Frage der kalten Progression auch keine Frage von unüberschaubaren Finanzvolumina, die man dafür braucht, sodass wir schon meinen, dass man unter der Voraussetzung, dass die schwarze Null nicht gefährdet wird, auch ein Datum nennen kann. Und ich möchte nicht so gerne, dass wir da wieder einen Beschluss bekommen, der am Ende bedeuten wird, wir haben drüber geredet, aber es ändert sich über Jahre wieder nichts.
    Schwarze Null darf nicht gefährdet werden
    Kaess: Herr Laumann, Sie haben es gerade selbst gesagt, die Inflationsrate ist derzeit extrem gering. Das heißt eigentlich auch, die Entlastung der Steuerzahler wäre beim Abbau der kalten Progression sehr gering. Warum würden Sie dann eben für diese geringe Entlastung den ausgeglichenen Haushalt gefährden wollen?
    Laumann: Nein, das haben wir ja nicht gesagt. Wir haben ganz klar gesagt, ich sag es noch einmal, dass die schwarze Null nicht gefährdet werden darf. Aber man kann ja auch manchmal den Eindruck haben, dass alle möglichen anderen Fragen zurzeit viel wichtiger sind als die Frage, dass man der kalten Progression wirklich ernsthaft den Kampf ansagt. Ich weiß auch, dass Bund und Länder hier mit sich beteiligen müssen, denn die Abschaffung der kalten Progression belastet ja nicht nur den Bundeshaushalt, sondern würde natürlich auch Landeshaushalte und Kommunalhaushalte treffen. Aber hier bedienen sich alle drei staatlichen Ebenen, Steueranteile an Lohnerhöhungen, die ihnen eigentlich nicht zustehen.
    CSU ebenfalls für Abschaffung der kalten Progression
    Kaess: Also es wird einfach um diese Kontroverse gehen, wie viel Spielraum haben wir tatsächlich. Herr Laumann, auch die CSU hat demnächst ihren Parteitag. Mit wie viel Unterstützung können Sie denn von der Seite rechnen? Was sagt man Ihnen aufseiten der CSU.
    Laumann: Also, es ist ja so, dass die CSU einen Antrag wahrscheinlich verabschieden wird, der auch ein klares Datum beinhaltet, nämlich die Finanzwirksamkeit noch im Jahre 2017, und ich finde, der CDU-Parteitag sollte nicht hinter dem CSU-Parteitag in der Eindeutigkeit und der Klarheit zurückbleiben.
    Kaess: Also das heißt, Sie sind sich sicher, auch von der CSU wird genau die gleiche Forderung kommen, die Sie in Ihrem Antrag formuliert haben?
    Laumann: Was ich bis heute höre, ist der Wille in der CSU sehr stark ausgeprägt, das so zu machen.
    Kaess: Herr Laumann, lassen Sie uns zum Schluss noch etwas allgemeiner vorausblicken auf den Parteitag. Es wird zu einer Kampfabstimmung um die Führungsspitze der Partei kommen. Aus Ihrem Landesverband Nordrhein-Westfalen werden sich mehr Interessenten um Plätze bewerben, als tatsächlich vorgesehen sind. Das heißt, Sie werden mit Gesundheitsminister Hermann Gröhe und Jens Spahn um einen Platz streiten. Warum gibt man Jens Spahn als Vertreter der jungen Generation da keinen Vortritt.
    Laumann: Die CDU Nordrhein-Westfalen hat sich nun mal entschieden, dass unser Kandidat Hermann Gröhe heißt. Ich bin von der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft vorgeschlagen. Es ist ja immer so gewesen, so lange es diese CDU in Deutschland gibt, dass ein Vertreter des Christlich-Sozialen Flügels auch im Präsidium ist. Jens Spahn ist von der Jungen Union und von der Mittelstandsvereinigung vorgeschlagen, und ich finde, wenn jetzt für sieben Positionen acht Menschen kandidieren, dann ist das ja auch noch kein Unglück, sondern es ist dann eben auch mal auf einem Parteitag eine Wahl.
    Kaess: Und was wäre dagegen zu sagen, gegen Jens Spahn, der eben für eine Verjüngung der CDU-Spitze stehen würde und für mehr Wirtschaftsfreundlichkeit? Zumindest will er sich so verstanden wissen.
    Laumann: Es ist überhaupt nichts gegen Jens Spahn zu sagen, sondern ich finde, es ist jetzt hier ein Wettbewerb, und ob man jetzt jeden Politiker, der 50 Jahre ist, schon als alt bezeichnen sollte, darüber kann sich ja auch jeder seine eigene Meinung bilden.
    Kaess: Werden Sie denn den NRW-Landesdelegierten raten, für alle drei NRW-Kandidaten zu stimmen, auch wenn dann andere Landesverbände das Nachsehen hätten?
    Laumann: Wir werden ganz eindeutig für den Vorschlag des Landesverbandes werben ...
    Kaess: Heißt: Hermann Gröhe?
    Laumann: Das heißt Hermann Gröhe. Und die CDA wird für mich werben, und der Mittelstand wird für Jens Spahn werben, und dann warten wir es doch einfach mal in Ruhe ab.
    Kaess: Aber einen Nachdruck werden Sie an die Delegierten nicht formulieren, doch für alle drei NRW-Kandidaten zu stimmen?
    Laumann: Das können wir deswegen nicht machen, weil es natürlich auch Berücksichtigungen anderer Landesverbände gibt. Und ein Präsidium muss ja nicht nur von Generationen oder auch von bestimmten Flügeln der Partei in sich etwas stimmig sein, sondern es braucht ja auch eine gewisse regionale Verteilung.
    Kaess: Sagt Karl-Josef Laumann, Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft. Danke schön für dieses Gespräch heute Mittag!
    Laumann: Auf Wiederhören, tschüss!
    Kaess: Tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Kalte Progression
    Von kalter Progression spricht man, wenn Einkommens- und Lohnerhöhungen lediglich die Inflation ausgleichen und es - trotz somit unveränderter Leistungsfähigkeit zu einem Anstieg der Durchschnittsbelastung kommt.
    Beispiel: Das Preisniveau steigt in einem Jahr um zwei Prozent. Ein Steuerpflichtiger erzielt im gleichen Jahr einen Einkommenszuwachs von ebenfalls zwei Prozent. Real hat sich an seiner wirtschaftlichen Situation nichts geändert. Seine Kaufkraft ist im Vorjahresvergleich konstant. Da er aber ein nominal höheres Einkommen erzielt, steigt seine Durchschnittssteuerbelastung aufgrund des progressiven Tarifs an.
    (Quelle: Bundesministerium der Finanzen)