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Straubinger: Elterngeld und Betreuungsgeld sind eine sinnvolle Angelegenheit

Trotz Elterngeld ist die Geburtenrate so tief wie nie. Volker Kauder (CDU) will den staatlichen Zuschuss deshalb überprüfen. Doch das Elterngeld sei kein Beschleuniger für mehr Geburten. Durch die demografische Entwicklung gäbe es immer weniger Paare, die Kinder bekommen würden, sagt der CSU-Politiker Max Straubinger.

Max Straubinger im Gespräch mit Martin Zagatta | 07.07.2012
    Martin Zagatta: Die Familienpolitik wird also immer mehr zum Zankapfel, die Auseinandersetzung um das vor allem von der CSU gewünschte Betreuungsgeld ist noch nicht ausgestanden, da haben die rückläufigen Geburtenzahlen schon eine Debatte über den Sinn des Elterngeldes ausgelöst. Dieses Elterngeld gibt es seit fünf Jahren, eine Art Lohnersatz, der es Eltern erlauben soll, sich um ihr Kind zu kümmern in den ersten 14 Lebensmonaten. Dass nun auch Volker Kauder, der Fraktionschef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion das Elterngeld auf den Prüfstand stellen will, sorgt für Widerspruch und Aufregung. Doch warum eigentlich? Das können wir jetzt Max Straubinger fragen, den familienpolitischen Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Guten Morgen, Herr Straubinger!

    Max Straubinger: Guten Morgen, Herr Zagatta!

    Zagatta: Herr Straubinger, das Elterngeld kostet fast fünf Milliarden Euro im Jahr, die Geburtenrate ist trotzdem so niedrig wie nie zuvor, warum soll es da nicht erlaubt sein zu prüfen, ob das Geld gut angelegt ist?

    Straubinger: Es ist immer sinnvoll, alle familienpolitischen Leistungen zu überprüfen, aber ich bin überzeugt, in dieser Legislaturperiode – und das hat ausdrücklich Volker Kauder ja dargelegt – wird dies nicht mehr stattfinden. Ich bin überzeugt, dass viel zu viel hineinfilibustert wird in das Elterngeld. Manche betrachten es als Beschleunigung von mehr Geburten in Deutschland, ich sehe das nicht so. Die demografische Entwicklung ist letztendlich auch bei der jüngeren Generation dahingehend angekommen, dass wir weniger Paare haben, die auch Kinder bekommen können.

    Zagatta: Aber genau so, mit der niedrigeren Geburtenrate und um das anzukurbeln, hat doch die damalige Familienministerin von der Leyen vor fünf Jahren die Einführung des Elterngeldes begründet – soll das jetzt nicht mehr gelten?

    Straubinger: Na gut, das mag sein, dass das damals mit eine Begründung war. Ich persönlich stehe immer dafür, junge Familien – und das zeigt das ja deutlich – junge Familien entsprechend finanziell zu unterstützen, um damit Familie und Beruf mit den einzelnen Formen vereinbaren zu können, aber vor allen Dingen jungen Familien die Chance zu geben, auch ein Leben zu führen mit einem guten Lebensstandard. Deshalb ist Elterngeld und Betreuungsgeld letztendlich eine sinnvolle Angelegenheit.

    Zagatta: Da gibt es aber große Zweifel, und selbst Ihr Fraktionskollege Thomas Bareiß sagt jetzt, das Elterngeld hat seinen Zweck nicht erreicht.

    Straubinger: Wenn man es nur unter dem Gesichtspunkt der bevölkerungspolitischen Entwicklung betrachtet, kann man das annehmen, ich sehe das nicht so, sondern es ist mit entscheidend, wenn wir immer wieder – und das ist ja wichtig, dass wir immer wieder Kinder haben –, dass hier finanzielle Unterstützung gewährleistet wird. Aber wir müssen auch ein positives Umfeld für Familien schaffen beziehungsweise auch in der Erziehung schon darauf auch drängen, dass wir den jungen Leuten auch vermitteln, wir sind immer in einer Generation. Und Generation bedeutet, man wird selbst älter, und der beste Zusammenhalt ist letztendlich immer wieder in einer Familie festzustellen. Wer keine Kinder hat, möglicherweise auch kinderlos geblieben ist, weil er keine Kinder bekommen kann, im Alter ist es oft schwierig dann, wenn man pflegebedürftig ist, tatsächlich die entsprechende Unterstützung zu bekommen. Ich bin überzeugt, das schafft man nur in der Familie.

    Zagatta: Herr Straubinger, da haben Sie wahrscheinlich recht, da werden Ihnen viele zustimmen, aber dennoch fragt man sich, ja, wenn die Geburtenrate da rückgängig ist, ob das Elterngeld da so viel bringt. Ist die Diskussion legitim, oder muss die CSU da wieder mit Koalitionsbruch drohen?

    Straubinger: Die Diskussion ist sicherlich immer legitim, über die familienpolitischen Leistungen im Einzelnen zu diskutieren, aber ich bin überzeugt, dass es derzeit verfrüht ist und vor allen Dingen, dass die falschen Schlüsse gezogen werden, nämlich hier darzulegen, Elterngeld hat sozusagen den Sinn nicht erfüllt, weil wir weniger Geburten haben, und das kann ich nicht feststellen.

    Zagatta: Ärgern Sie sich über solche Aussagen, oder hat das vielleicht auch damit zu tun, dass die Mehrheit im Deutschen Bundestag, die große Mehrheit, das Betreuungsgeld – das umstrittene Betreuungsgeld, wenn man das salopp vielleicht sagt – nach wie vor für Unsinn hält?

    Straubinger: Das sehe ich nicht so, sondern genauso auch nicht bei den Menschen in unserem Lande. Gerade die jungen Familien begrüßen das Betreuungsgeld, und für das Betreuungsgeld wird es im Deutschen Bundestag eine klare Mehrheit geben.

    Zagatta: Weil die CSU sonst mit Koalitionsbruch droht?

    Straubinger: Nein, das hat nichts mit Koalitionsbruch oder sonstigem zu tun, sondern aus Überzeugung. Schließlich hat die SPD in der vergangenen Legislaturperiode ebenfalls dem Betreuungsgeld die Zustimmung gegeben, und die CDU hat genauso zugestimmt, und es war ursprünglich eine CDU-Idee, ein Betreuungsgeld neben den Ausbau von Krippenplätzen zu setzen.

    Zagatta: Herr Straubinger, Sie sagen, da sei eine Mehrheit der Bevölkerung dafür, Umfragen sagen ja genau das Gegenteil. Also Infratest dimap kommt zu dem Ergebnis: 69 Prozent der Deutschen lehnen das Betreuungsgeld ab, sogar 62 Prozent der CDU-Anhänger.

    Straubinger: Ich hab nicht gesagt, dass es eine Mehrheit in der Bevölkerung gibt dafür, sondern eine Mehrheit bei den jungen Familien gibt für das Betreuungsgeld.

    Zagatta: Die dann vielleicht davon noch profitieren. Also laut Umfragen, die jüngste Umfrage sagt, auch selbst bei den unter 30-Jährigen gibt es eine Mehrheit, die sagt, also Betreuungsgeld, eigentlich eher nicht.

    Straubinger: Kann man sehen, wie Umfragen letztendlich auch möglicherweise gelenkt werden.

    Zagatta: Unter Umständen …

    Straubinger: Ich kann nur feststellen bei meinem politischen Diskussionen, dass es eine große Zustimmung für das Betreuungsgeld gibt, insbesondere bei den jüngeren Menschen.

    Zagatta: Und dass die OECD beispielsweise, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit, dass die auch Deutschland vorwirft, das geplante Betreuungsgeld, das habe wohl einen eher negative Effekt, das stört Sie da auch nicht?

    Straubinger: Das stört mich in keinster Weise, weil ich weiß, wie die OECD ständig ihre Expertisen loslässt, und der Leiter dieser Expertisen ist ein Deutscher und ein ganz linker Erziehungswissenschaftler.

    Zagatta: Also Sie gehen auch davon aus, dass – Diskussion hin oder her – dass dieses Betreuungsgeld auf alle Fälle kommt, da sind Sie sich ganz sicher, ja?

    Straubinger: Da bin ich ganz sicher, ja.

    Zagatta: Befürchten Sie denn, dass dieses Thema jetzt auch vielleicht mit dem Elterngeld, dass das zum Wahlkampfthema wird? Es deutet sich ja jetzt angesichts der Auseinandersetzungen und der langwierigen Auseinandersetzungen auch schon an.

    Straubinger: Die Familienpolitik ist sicherlich eine Auseinandersetzung auch im Wahlkampf, und es geht ja darum, dass manche in unserer Gesellschaft glauben, es muss jeder sofort immer dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Ich bin überzeugt, dass wir nicht die Ökonomisierung der Lebensverhältnisse unserer Menschen anstreben sollten, sondern allen Menschen die Möglichkeit geben, nach ihrer eigenen Fasson, nach ihren eigenen Vorstellungen hier zu leben. Und da gehört bei der Familienpolitik die entsprechende und die finanzielle Unterstützung des Staates, das ja mit auch im Grundgesetz steht – die Familie steht im besonderen Schutz des Grundgesetzes –, dies gehört ausgebaut und verstärkt.

    Zagatta: Und das rechtfertigt dann möglicherweise auch neue Schulden für neue Leistungen, die zwei Drittel der Bevölkerung ablehnen?

    Straubinger: Ich bin überzeugt, dass neue Schulden, die meines Erachtens nicht im Zusammenhang mit der Familienpolitik zu sehen sind, sondern …

    Zagatta: Die ist aber teuer.

    Straubinger: … in der Familienpolitik ist immer wichtig, dass es ein gut angelegtes Geld ist. Genauso könnte ich argumentieren, auch dieses Elterngeld sind neue Schulden. Wir sind angewiesen darauf, dass wir …

    Zagatta: Mmh, sagen ja die Gegner.

    Straubinger: … einen guten, generativen Aufbau bekommen, auch in der Bevölkerung. Hier gilt es, junge Familien zu unterstützen, in jedweder Form.

    Zagatta: Herr Straubinger, haben Sie da keine Angst jetzt im Wahlkampf, dass Sie es Ihren Gegnern da sehr leicht machen? Die können ja sagen, die CSU, das ist die Partei, die Steuererleichterungen für Hoteliers beschlossen hat, und jetzt – wenn man das böse formulieren will – eine Herdprämie auch noch.

    Straubinger: Wir haben Steuererleichterungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschlossen, die SPD und Grüne im Bundesrat blockieren. Wir werden zum 1. Januar nächsten Jahres die Sozialversicherungsbeiträge senken, das entlastet die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, das ist unsere Politik, mehr netto vom Brutto, und in dieser Form werden wir auch in den Wahlkampf ziehen.

    Zagatta: Da sind Sie zuversichtlich, ja?

    Straubinger: Ja!

    Zagatta: Danke schön für das Gespräch! Das war Max Straubinger, der familienpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe. Herr Straubinger, ich wünsche Ihnen einen schönen Tag!

    Straubinger: Danke schön, Ihnen ebenfalls und den Hörerinnen und Hörern auch!

    Zagatta: Da freuen wir uns, geben das weiter.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.