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Sure 4 Vers 34
Wie Europäer und Amerikaner mit dem wohl umstrittensten Koranvers über Frauen umgehen

Sure 4 Vers 34 enthält nach traditioneller Lesart eine Passage, die Ehemännern das Schlagen ihrer Frauen erlaubt. In unserer modernen Welt fordert dieser Vers Muslime wie Nicht-Muslime besonders heraus. Deshalb widmen wir uns ihm in drei Ausgaben unserer Senderreihe.

Von Prof. em. Dr. Bruce B. Lawrence, Duke University, Durham, North Carolina, USA |
    "Wenn ihr fürchtet, dass Frauen sich auflehnen, dann vermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie!"
    Das ist ein Auszug aus dem Vers, übersetzt nach der in Wissenschaftskreisen verbreiteten Ausgabe von Rudi Paret. Sure 4: 34 ist der wohl umstrittenste Vers im Koran - ganz gewiss für Frauenrechts-Aktivistinnen und Feministinnen, aber auch für viele andere.
    Die Sendereihe "Koran erklärt" als Multimediapräsentation
    Der Vers beginnt mit der Behauptung: "Die Männer stehen den Frauen in Verantwortung vor"Anschließend geht es um Ehestreitigkeiten. Für Frauen, die die häusliche Harmonie bedrohen, werden drei Handlungsanweisungen gegeben: Sie sollen zunächst ermahnt, dann separiert und, sofern sie sich weiter auflehnen, "geschlagen", "gepeitscht", "gehauen" oder "gestoßen" werden.
    Diese vier Variationen gehen auf die arabische Wortwurzel "daraba" zurück. In diesem Vers taucht sie als Imperativ für Männer in Bezug auf Frauen auf - wa-dribûhunna - "und schlagt sie". Obwohl die Wortwurzel tatsächlich "schlagen" bedeutet, kann und wird das Wort an anderen Stellen im Koran aber auch in der Bedeutung "zu einer Reise aufbrechen" (4:94) oder "ein Gleichnis prägen" (2:26; 14:24) benutzt.
    Bruce Lawrence im Porträt
    Bruce Lawrence war Professor an der renommierten Duke University, wo etwa Tim Cook oder Richard Nixon studierten. (priv. 919-684-4391)
    Der Gebrauch des Wortes in Sure 4 Vers 34 ist so herausfordernd, weil es die einzige Stelle im gesamten Koran ist, an der das Göttliche Wort, das in vielen Fällen sonst sehr wohlwollend gegenüber Frauen ist, hier offenbar "Körperverletzungen" empfiehlt - und seien es auch nur geringfügige als Gegenmittel bei ehelicher Zwietracht.
    Die Besprechung dieser Koranstelle im Allgemeinen und der "daraba"- Aufforderung im Speziellen füllt dicke wissenschaftliche Wälzer. Zwei wichtige Beispiele sind Bücher von Amina Wadud (Quran and Woman: Rereading the Sacred Text from a Woman’s Perspective) und Aysha Hidayatullah (Feminist Edges of the Qur’an).
    Meine eigene Berührung mit Sure 4: 34 ist in mein neues Buch eingeflossen, das 2017 erschienen ist. Es heißt übersetzt: "Der Koran auf Englisch - eine Biografie". Ich gehe darin zum Beispiel auch auf einen Künstler ein. Sein Name: Sandow Birk. Er hat einen illustrierten Koran gestaltet - Titel: "American Qur’an". Birk schrieb zunächst von "hauen", wechselte dann aber, die Tragweite des Wortes überdenkend, zu "bändigen".
    Anstatt Birk für seine strategische Vorgehensweise zu kritisieren, wollen wir jetzt lieber darüber nachdenken, wie die deutsche Gelehrtenwelt mit diesem problematischen Vers umgegangen ist. In dem vorzüglichen Sammelband "Der Koran und seine weltweiten Leser" von Suha Taji-Farouki findet sich auch ein Beitrag von Andreas Christmann über die Interpretationen von Sure 4 Vers 34 durch deutsche Muslime.
    Seine Ausführungen enthalten Bezüge zu zahlreichen deutschen Koranübersetzungen von Sadr ud-Din aus dem Jahr 1939 über Ahmad von Denffer 1996, Murad Wilfried Hofmann 1998 (2001) und Amir Zaidan 2000 bis hin zu Muhammad Rassoul im Jahr 2003. Zusätzlich zu den Übersetzungen gibt es noch Kommentare wie den von Elsa und Moustafa Maher von 2000 sowie den des Zentrums für Islamische Frauenforschung und Frauenförderung - kurz: ZIF - von 2005.
    In den beiden letztgenannten Werken, die auf eine deutsche Leserschaft zugeschnitten sind, so wie Sandow Birks "American Qur’an" auf eine amerikanische, wird das Wort "daraba" abgeschwächt. Laut Maher bedeutet es: "Ihr dürft sie [leicht] bestrafen [ohne sie zu erniedrigen]." Für das ZIF bedeutet "daraba": "Und [als letztes], trennt euch von ihnen".
    Keines dieser Werke und auch kein anderes wird die Kontroverse über Sure 4: 34 beenden, ebenso wenig die Debatte über das beste Verständnis des Schlüsselwortes "daraba".
    Die intratextuelle Arbeit - zunächst von Einwanderern und inzwischen auch von Künstlern - weist aber einen Weg nach vorne für alle Muslime und alle Leser des Korans - gleich ob muslimisch oder nicht-muslimisch.
    Die Audioversion wurde aus Gründen der Sendezeit leicht gekürzt.