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Syrien-Gespräche
"Zögerlichkeit der internationalen Gemeinschaft hat Opposition immer weiter geschwächt"

Die Friedengespräche für Syrien in Genf seien vielleicht ein Schritt, um dem Ziel Frieden näher zu kommen, die Erwartungen müssten aber gedämpft werden, sagte Sadiqu al-Mousllie, Vertreter der Opposition in Deutschland und Mitglied des Syrischen Nationalrats, im DLF. Eine Übergangslösung mit Machthaber Assad lehne man nach wie vor ab.

Sadiqu al-Mousllie im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 23.02.2017
    Der syrische Oppositionsvertreter Sadiqu Al-Mousllie
    "Die Opposition möchte auf gar keinen Fall, dass der syrische Machthaber Assad mit irgendwelchen Befugnissen ausgestattet ist", sagt der syrische Oppostionsvertreter al-Mousllie. (dpa / picture-alliance / Stefan Jaitner)
    Tobias Armbrüster: Wie viel Optimismus ist da so erlaubt bei dieser Gesprächsrunde? Darüber kann ich jetzt mit Sadiqu al-Mousllie sprechen, er lebt in Braunschweig, ist Mitglied des Syrischen Nationalrats und ein Vertreter der Syrischen Opposition in Deutschland. Schönen guten Abend, Herr al-Mousllie!
    Sadiqu al-Mousllie: Guten Abend, Herr Armbrüster!
    Armbrüster: Herr al-Mousllie, kann diese Runde Frieden bringen?
    Al-Mousllie: Es ist vielleicht ein Schritt, dem Ziel näher zu kommen, aber das Ganze hält sich sehr in Grenzen. Die Erwartungen müssen gedämpft werden, denn die Tatsachen auf dem Boden in Syrien lassen nicht sehen, dass das Regime überhaupt an irgendwelche vertrauensbildende Maßnahmen denkt. Vor zwei Stunden ist östlich von Damaskus Kabun bombardiert worden und da sind Tote und Verletzte, und man kann und weiß auch, dass in diesem Ort keine Nusra, kein IS da sind, aber trotzdem macht das Regime weiter.
    Armbrüster: Und das Regime hat vor allen Dingen auch die Oberhand gewonnen, die Opposition spielt eine zunehmend schwächere Rolle in diesem Konflikt.
    Al-Mousllie: Na ja, wir haben ja gesehen in den letzten Jahren: Es gab seitens der internationalen Gemeinschaft keinen echten Willen, dieses Verbrechen seitens des Regimes und seiner Unterstützer, Iran und Russland, wirklich zu beenden. Die Zögerlichkeit der internationalen Gemeinschaft hat die Opposition immer weiter geschwächt und das Ende vom Lied war natürlich, dass man Aleppo verlassen musste. Aber letztendlich ist die Opposition eine Tatsache, das ist ein Fakt in Syrien. Syrien, wie es mal war unter Assad, gibt es nicht mehr.
    "Es gilt ja auch, den Militär- und Geheimdienstapparat zu reformieren"
    Armbrüster: Ja, aber, Herr al-Mousllie, hat die Opposition tatsächlich noch etwas zu sagen, auch bei solchen Gesprächen, wie sie da heute in Indien begonnen haben?
    Al-Mousllie: Sie haben natürlich durch ihren Einfluss auf dem Boden nur begrenzt was zu sagen, aber sie sind da, sie sind anwesend, sie sind existent. Gerade sehen wir auch, dass die Freie Syrische Armee im Norden Syriens die Stadt al Bab befreit hat von ISIS. Das heißt, die sind mit der notwendigen Unterstützung – in diesem Fall durch die türkische Armee – sehr gut da und sind auch verlässliche Partner, um auch gegen Terror, gegen ISIS auch zu kämpfen. Das hat man heute gesehen, das sind die letzten Nachrichten, die aus Syrien kommen.
    Armbrüster: Die große Frage ist ja, die auch bei dieser Konferenz wieder im Raum steht: Wenn es tatsächlich eine Übergangslösung für einen Frieden in Syrien geben könnte, ist das dann eine Übergangslösung mit oder ohne Assad? Was sagen Sie, als Vertreter der Opposition?
    Al-Mousllie: Das ist die Frage, die bis jetzt seitens der Opposition immer so beantwortet wird, dass Assad ein Mörder ist, mit einem Mörder kann man nicht gemeinsame Sache machen. Ob das jetzt zu einer temporären Übergangsphase, das heißt, wo Assad vielleicht ein Teil der Autorität oder dieser Übergangsregierung ist, das würde ich jetzt noch offen lassen. Aber die Opposition hat gemeinsam beschlossen, dass das nicht der Fall ist, und das ist die gegenwärtige Position.
    Armbrüster: Das heißt aber, Sie würden sagen, man kann sich das durchaus auch vorstellen, dass Assad im Fall einer solchen Übergangslösung weiter am Ruder bleibt?
    Al-Mousllie: Wissen Sie, Verhandlungen sind ja auch nicht so schwarz und weiß. Aber es geht darum, auch im Detail: Was darf denn Assad in so einer Phase? Ist er wirklich nur eine Figur da, oder ist er wirklich mit Autorität beziehungsweise auch mit Befugnissen ausgestattet? Und die Opposition möchte das auf gar keinen Fall, dass er mit irgendwelchen Befugnissen ausgestattet ist. Denn es gilt ja auch, den Militärapparat, den Geheimdienstapparat zu reformieren. Und mit Assad und seinen Leuten, die schon seit Jahren die syrische Bevölkerung terrorisieren und töten, kann man so was nicht machen.
    "Die Opposition ist ein wichtiger Spieler in der ganzen Region"
    Armbrüster: Aber als Figur an der Spitze einer solchen Übergangsregierung könnten Sie ihn sich vorstellen, möglicherweise dann mit eingeschränkten Befugnissen?
    Al-Mousllie: Ich persönlich, ehrlich gesagt, muss das verneinen. Aber wenn das die Mehrheit beschließt, muss man sich da fügen.
    Armbrüster: Jetzt ist ja die große Frage: Kann die Opposition in dieser Frage überhaupt etwas erreichen, oder ist das, was da in Genf stattfindet, eher eine Showveranstaltung, weil eigentlich das Assad-Regime weiß, wir sitzen am längeren Hebel und früher oder später werden wir die entscheidenden Gebiete in Syrien sowieso wieder unter unsere Kontrolle kriegen?
    Al-Mousllie: Genau, das ist jetzt auch vielleicht die Strategie, die Assad jetzt gerade sich vorstellt beziehungsweise auch seine Helfer. Aber wir wissen auch, dass die Opposition und die syrische Bevölkerung, die auch gegen Assad und in die Revolution sich eingeschaltet hat und auf die Straße gegangen ist, ein wichtiger Bestandteil des Ganzen in Syrien ist. Das heißt, man kann jetzt nicht einfach sagen: Weil Assad in bestimmten Gebieten die Oberhand dann gewonnen hat, deswegen kann er jetzt alles sagen und machen, was er möchte. Für die internationale Gemeinschaft, auch wenn sie sehr zögerlich ist und auch wenn wir die Rolle der internationalen Gemeinschaft auch negativ bewerten in dieser ganzen Geschichte, insbesondere hier Europa, das geografisch eigentlich sehr nahe ist, trotzdem ist die Opposition ein wichtiger Spieler in der ganzen Region. Und hier sind natürlich Türkei, Saudi-Arabien, auch USA womöglich in den nächsten Tagen, in den nächsten Wochen vielleicht, wenn die Zeichen sich wirklich bewahrheiten, die wir jetzt gerade gehört haben in den Statements, Sicherheitszonen und so weiter und so fort, könnte dann vielleicht auch etwas Positives für die Syrer ergeben.
    Armbrüster: Live hier bei uns im Deutschlandfunk war das Sadiqu al-Mousllie, Mitglied des Syrischen Nationalrats und Vertreter der Syrischen Opposition in Deutschland. Vielen Dank, Herr al-Mousllie!
    Al-Mousllie: Bitte schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.