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Syrien
Weihnachten in Zeiten des Krieges

Bunt geschmückte Weihnachtsbäume in den Foyers der Hotels, Weihnachtsschmuck auf den Basaren der Stadt: Trotz des Krieges stimmen sich auch in Damaskus die Menschen auf die Weihnachtszeit ein, denn gut zehn Prozent der Syrer sind Christen. Doch die Folgen des Krieges sind auch zu Weihnachten überall zu spüren.

Von Björn Blaschke | 23.12.2015
    Ein Weihnachtsbaum im syrischen Damaskus. Im Hintergrund sieht man drei Frauen, die sich unterhalten. Zwei von ihnen tragen weiße Kopftücher.
    In den Foyers der großen Hotels in Damaskus stehen gigantische, bunt geschmückte Weihnachtsbäume. (Imago / Xinhua)
    Akram verkauft unweit eines Hochhauses, das vor gar nicht allzu langer Zeit von einem Selbstmordattentäter zerstört wurde, billige kleine Plastiktannen. Und er sagt: "Ja, es gibt viele Leute, die so einen Baum kaufen, klar!" Klar, denn gut zehn Prozent der Syrer gehören einer der vielen christlichen Gemeinden an, deren Bischöfe überwiegend in Damaskus ihren Sitz haben.
    Seit Beginn des Krieges in Syrien vor mehr als vier Jahren sind Millionen Menschen aus ihrer Heimat geflohen – unter ihnen auch Christen. Doch: Andere sind geblieben – oder aus umkämpften Gebieten nach Damaskus gezogen, wo sie sich sicherer wähnen; weil ihre Oberhäupter hier sind und weil sich die Führung um Bashar al-Assad als beschützend präsentiert.
    Früher war die Weihnachtszeit anders
    Weihnachtsmusik im Autoradio, Weihnachtsschmuck in Bars und Hotels, oder Weihnachtsbäumchen vom Straßenhändler - irgendwie wirkt das vertraut; normal im Unnormalen. Doch früher, vor Beginn des Krieges, bevor Elektrizitätswerke sabotiert - und die Nächte in Syrien schwarz wurden, früher, als die Autos noch nicht alle paar hundert Meter von Soldaten nach Sprengsätzen durchsucht wurden, früher war die Weihnachtszeit anders – erinnert sich Pater Khalil Arar, Franziskaner in Bab Touma, einem Christenviertel in Damaskus.
    Früher war es bunt und strahlend. Das werde dieses Jahr wohl anders - Weihnachten ein Fest im engeren Kreis der Familie – Zuhause, bei Kerzenlicht; keine elektrischen Leuchten; keine Party auf der Straße:
    "Und ich bin damit zufrieden, weil Weihnachten keine Straßenparty ist. Ja, es ist wahr, wir leben in einer sehr schwierigen Situation in Syrien, aber andererseits gehen wir deshalb in die Kirche, besinnen uns auf das Essentielle, das Leben – und das ist es, was Weihnachten ausmacht."
    "Es gibt sehr viele Familien, die jemanden verloren haben"
    Der Franziskaner-Pater leitet eine ökumenische Schule, in der Kinder und Jugendliche aller Religionsgemeinschaften Syriens unterrichtet werden; Druzen und Alewiten, Sunniten und Schiiten, Maroniten und Katholiken wie Siwar:
    "Es herrscht Krieg in Syrien und wir durchleben echt viel. Das heißt auch, dass wir mehr zuhause sind, einen Weihnachtsbaum aufstellen, aber auch nicht viel mehr: Es gibt sehr viele Familien, die jemanden verloren haben; da geht es um Zusammenhalt."
    Immer mehr Syrer sind auf Zuwendungen angewiesen
    Zusammenhalt auf ganzer Linie und kriegsbedingte Alltagshärten: Sie sind geprägt von Gewalt, aber auch vom Wertverlust des syrischen Geldes bei gleichzeitigem Anstieg aller Preise – von Wasser über Lebensmittel bis zu Brennstoff. Nüsse und Mandeln sind da zu einem Luxusweihnachtsgut geworden. "Mandeln, das Kilo habe ich für 4.000 syrische Pfund", sagt dieser Nussverkäufer: "Früher habe ich sie für 1.000, 1.500 verkauft. Aber, komm, Gott sei Dank gibt's noch Arbeit."
    Soll heißen: Er kann Nüsse verkaufen, weil es noch Leute gibt, die sich Nüsse leisten können. Viele Syrer allerdings zählen nicht zu diesen Glücklichen; mehr und mehr – Christen wie Angehörige anderer Religionsgruppen - sind auf Zuwendungen angewiesen - und das auch nicht nur zur Weihnachtszeit.