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Textilfabriken in Südasien
Mehr öffentliches Bewusstsein für die Arbeitsbedingungen

Nach dem Brand und dem Einsturz von Textilfabriken in Bangladesch mit mehr als 1.000 Toten war die Betroffenheit über die Arbeitsbedingungen groß. Seitdem hat sich einiges geändert, wie Gewerkschafter aus Südasien bei ihrem Besuch des Verdi-Bundesvorstands berichteten. Doch es bleibt noch viel zu tun.

Von Daniela Siebert | 23.06.2017
    Frauen und Männer arbeiten am 03.01.2014 in der Textilfabrik "One Composite Mills" in Gazipur, einem Vorort der Hauptstadt Dhaka in Bangladesch.
    Nach den verheerenden Unglücken in Textilfabriken in Bangladesch haben sich die Arbeitsbedingungen nur teilweise verbessert. (dpa/Doreen Fiedler)
    Taslima Taslima ist eine zierliche junge Frau aus Bangladesch. Fünf Jahre lang hat sie in einer Fabrik genäht, die Bekleidung für Aldi und Lidl herstellte. Und sie hat dort eine Gewerkschaft angeführt. Mit Erfolg: "Wir konnten dreieinhalb Monate bezahlten Mutterschutz erstreiten, den es vorher überhaupt nicht gab, außerdem Urlaubsgeld, höhere Anwesenheitsprämien, und wir konnten die verbalen, körperlichen und sexuellen Übergriffe stoppen."

    Allerdings: Vor zwei Jahren wurde sie entlassen. Gemeinsam mit den 50 anderen Gewerkschaftern. Der Arbeitgeber hätte argumentiert: Das sei alles zu teuer und er wolle lieber zur alten Regelung zurück kehren, Schwangere einfach gleich zu feuern. Seither hätten ihre Ex-Kollegen keine gewerkschaftliche Vertretung mehr, erzählt Taslima. Sie selbst ist arbeitslos. Die Unterstützung durch die deutsche Dienstleistungsgewerkschaft Verdi findet sie wichtig und hilfreich.
    Druck auf Bestellerfirmen muss wachsen
    Eine Zusammenarbeit mit Gewerkschaftern in Indien und Bangladesch gebe es bei Verdi schon seit 15 Jahren, betont Stefanie Nutzenberger vom Bundesvorstand. Und die bilanziert sie so: Es gebe mittlerweile mehr öffentliches Bewusstsein für die Probleme und diverse internationale Qualitätsabkommen.
    "Es gibt Bekundungen - auch schriftlicher Art - von Unternehmen, die sagen: Ja, wir kümmern uns um die Lieferkette. Und das ist für mich das Wichtigste: Es gibt Menschen in Bangladesch, die wissen, dass sie nicht alleine stehen und auch in Indien, sondern die wissen, dass sie auf internationale Solidarität vertrauen können."
    Während die Gewerkschaften in Fernost jahrelang Abwehrkämpfe führten, werde nun ein neuer Kurs eingeschlagen, der sie mehr ins Gestalten bringe. Durch Fabrikgewerkschaften in den einzelnen Betrieben etwa. Auf jeden Fall müsse der Druck auf die Bestellerfirmen wachsen, auf gute Arbeitnehmerbedingungen in den Fabriken zu drängen. Gemeint sind Marken wie H&M, Primark, Zara, C&A, GAP, Walmart, Nike und dergleichen.
    Befristete Brandschutz-Bestimmungen
    Prathiba Ramanath ist die Vorsitzende der indischen Textilarbeitergewerkschaft GATWU. Unter den ausländischen Auftraggebern will sie keinen positiv oder negativ herausheben. Zumal in einer Fabrik üblicherweise mehrere Anbieter produzieren ließen. "Das ist eine Herausforderung für uns. Aber wenn wir zum Beispiel H&M dazu bekommen, existenz-sichernde Löhne zuzusagen, dann können wir damit auch in Verhandlung mit anderen Marken gehen und sagen: Schaut her, das geht und wir kommen mit denen leichter zu weiteren Abkommen."
    Manches hat sich verbessert seit den großen Fabrik-Katastrophen der letzten Jahre. Etwa bei den Gebäude- und Brandschutzbestimmungen in Bangladesch. Doch diese Regelungen seien bis 2018 befristet und müssten dringend verlängert werden, betont ein anderer Mitstreiter. Für die internationale Gewerkschafter-Solidarität, die hier heute beschworen wurde, bleibt also noch viel zu tun.