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Tierhaltung
Vorgetäuschte Gutshof-Idylle

Wer abgepacktes Fleisch im Supermarkt kauft, bekommt nur wenige oder gar falsche Hinweise auf die Herkunft und Haltungsbedingungen der Tiere. Viele Hersteller benutzen Markennamen wie "Wiesenhof" oder "Grafschafter". Entsprechend idyllisch ist die Verpackung: freilaufende Hühner und grasende Rinder. Glauben die Verbraucher das? Alles Betrug, kritisieren Verbraucher.

Von Stefanie Heiß | 27.02.2015
    Eine Milchkuh steht auf einer saftig grünen Weide vor blauem Himmel.
    Pure Idylle: Viele Fleischverpackungen zeigen grasende Rinder auf der Weide, obwohl die meisten Tiere ihr Leben in Ställen verbringen. (picture-alliance / dpa / Horst Ossinger)
    Es gibt sie in fast jedem Supermarkt: Fleischprodukte von Gutshöfen. "Mühlenhof", "Gut Ponholz", "Birkenhof" – klingt idyllisch. Und auf jeder Verpackung ist auch ein Bild des Gutshofs: Ob reetgedecktes Fachwerkhaus oder herrschaftliches Anwesen – es sieht nach Bauernhof und glücklichen Tieren aus. Aber stimmt das auch? Gibt es diese Höfe wirklich? Oder ist es nur eine Marketing-Strategie? Was denken die Verbraucher?
    Mit sechs Gutshof-Produkten von verschiedenen Supermärkten bin ich unterwegs in der Münchner Innenstadt: "Glauben Sie, dass das von dem Gutshof kommt?"
    "Ja, das hoff ich doch!"
    "Mühlenhof. Ja, Mühlenhof. Könnte es schon hier geben, würde ich mal behaupten."
    "Ja, auf den ersten Blick ganz klar, man denkt, das kommt aus einer Landwirtschaft, von einer schönen Landwirtschaft."
    Vermeintliche Gutshöfe sind nur Markennamen
    Und wo sind diese schönen Landwirtschaften? Ich schreibe die Supermarktketten an: Tengelmann verkauft Birkenhof-Produkte, Netto vertreibt Gut Ponholz und Penny Fleisch vom Mühlenhof. Penny antwortet gar nicht. Netto schreibt: "Der Namensursprung unserer Eigenmarke Gut Ponholz bezieht sich auf einen ehemaligen Gutshof in unmittelbarer Nähe unseres Unternehmenssitzes." Gut Ponholz gibt es also gar nicht mehr.
    Und Tengelmann antwortet: "Es gibt keinen Gutshof namens Birkenhof, unter diesem Namen firmieren unsere drei modernen Fleischwerke in Viersen, Perwenitz und Donauwörth." Den Birkenhof hat es nie gegeben. Heißt im Klartext: Das Fleisch kommt von großen Schlachthöfen in Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Bayern. Und aus vielen anonymen Mastställen.
    Empörte und getäuschte Verbraucher
    Was sagen die Verbraucher dazu?
    "Betrug oder?"
    "Frechheit, man geht davon aus, man kauft irgendwo Fleisch aus einem schönen Bauernhof."
    "Das ist dann Beschiss! Beschiss dem Kunden gegenüber oder dem Verbraucher."
    "Find ich nicht ok. Ich will ja wissen, was ich kaufe und von woher ich das kaufe. Und ich zahl ja auch mein Geld dafür."
    Die meisten Kunden fühlen sich getäuscht.
    Ist es überhaupt erlaubt, mit Gutshöfen zu werben, die es gar nicht gibt? Ich frage bei Daniela Krehl von der Verbraucherzentrale nach: "Es ist leider legal, weil es als sogenannte Marke gilt. Also Mühlenhof ist dann tatsächlich eine angemeldete Marke. Es ist aber für den Verbraucher trotzdem unverständlich und einfach auch ärgerlich, weil man doch dahinter irgendwie so eine kleinbäuerliche Gemeinschaft sieht."
    Auch Bio-Marken werben mit Gutshof-Idylle
    Auch im Bio-Bereich gibt es solche Beispiele: Die Bio-Supermarktkette Alnatura verkauft Fleisch vom Packlhof im oberbayerischen Eurasburg. Vorne auf der Verpackung groß das Logo vom Packlhof. Auf der Rückseite wirbt der Geschäftsführer sogar persönlich für seinen Hof – mit einem Foto von sich mitten im Kuhstall des Packlhofs. Doch im Kleingedruckten steht der Hinweis: Das Fleisch kommt aus Österreich.
    Der Geschäftsführer schreibt: „Durch die große Nachfrage nach Fleisch und Wurstspezialitäten vom Packlhof war schnell eine Absatzmenge erreicht, die der eigene Hof nicht mehr erzeugen konnte." Deswegen kauft der Packlhof mittlerweile bei anderen Erzeugern zu. Und weiter: "Mittlerweile haben wir bereits neue Steakverpackungen ohne Bild vom Geschäftsführer bestellt. Wir werden auf diese, sobald geliefert, umstellen."
    Herkunft von Fleisch schwer nachzuvollziehen
    Immerhin tut sich hier etwas. Trotzdem, für die Verbraucher gilt: Wenn sie wissen wollen, wo ihr Fleisch herkommt, müssen sie schon ganz genau hinschauen.