Dienstag, 21. Mai 2024

Archiv

Trumps Wendemanöver
Reaktionen von Anhängern und Gegnern

Erhebliche Kritik amerikanischer Großunternehmen, moderate Kritik der Republikaner: Nach den erneuten Äußerungen von Donald Trump zu den Ereignissen in Charlottesville gibt es Gegenwind für den US-Präsidenten - aber auch Zuspruch aus dem Volk von Menschen, die ihn gewählt haben.

Von Thilo Kößler | 17.08.2017
    US-Präsident Donald Trump im Trump Tower in New York City am 15. August 2017
    Trumps Behauptung, dass Teilnehmer der rechtsextremen Aufmärschen in Charlottesville und an Gegendemonstrationen dasselbe Maß an Verantwortung für die Gewalt trugen, stoßen überwiegend auf Kritik - aber nicht nur. (AP Photo/Pablo Martinez Monsivais)
    Paris in Kentucky muss man bestimmt nicht kennen - und abgesehen von seinem glamourösen Namen "Paris" hat es offensichtlich auch nichts zu bieten außer der üblichen Hauptstraße mit den üblichen Burgershops, den üblichen Bars und den üblichen Geschäften für die üblicherweise etwas angestaubte Damenmode. Aber genau das brachte die CNN-Reporter auf die Idee, just nach Paris in Kentucky zu fahren. Eben weil es dort überhaupt nichts Interessantes gibt. Außer Menschen wie du und ich. Die in Paris in Kentucky eben Donald Trump gewählt haben.
    Eddie Platt, kariertes Hemd, Jeans, fette Gürtelschnalle, steht in seiner Garage und sagt: Super, was Trump da gesagt hat. Es gebe nichts, was darauf hinweisen könnte, wer zuerst angefangen hat bei diesen Unruhen in Charlottesville. Absolut überfällig, dass sich ein Präsident einmal hinstellt und sagt, was Sache ist.
    Oder Kimberley Howard, 49 Jahre alt, Selbstgesticktes hinter dem kissenüberladenen Plüschsofa, blond wie aus dem Farbtopf gefallen und Zähne wie ein Steinbruch. Sie sieht schon einen Krieg zwischen Weißen und Schwarzen voraus.
    Ängste vor dem sozialen Abstieg
    Paris in Kentucky könnte auch in Arizona liegen, in Texas oder Alabama. Paris in Kentucky steht einfach für die mentale Kernspaltung dieser Vereinigten Staaten von Amerika - und dafür, wie weit die Lebenswelten auseinander gedriftet sind. Wie abgehoben die Städter aus LA, New York oder schlimmer noch: Washington DC auf die ländliche Bevölkerung wirken. Auf dem Land sind die Schulen noch mieser. Die Ängste vor dem sozialen Abstieg noch größer. Und die Sorgen der Weißen tatsächlich mit Händen zu greifen, dass die demografische Kurve sie in absehbarer Zeit in den Status einer Minderheit katapultieren wird. Das erklärt zumindest ansatzweise, weshalb Leute wie Chris Cantwell sich als Unterlegene und Opfer fühlen - wo er doch, bis an die Zähne bewaffnet und Parolen grölend wie "Die Juden werden niemals unseren Platz einnehmen", an den rechtsextremen Aufmärschen in Charlottesville teilgenommen hat und vermutlich auch an den üblen Schlägereien beteiligt war. Chris Cantwell, T-Shirt in Tarn-Design, Uniformhose, Glatze, packt vor der Reporterin das Waffenarsenal aus, das er in Charlestonville am Körper trug
    Ist jemand wie Chris Cantwell ein "anständiger Kerl", wie Donald Trump in seiner New Yorker Pressekonferenz behauptet hat? Ist er so ein netter Typ von nebenan, der zwar rechts steht, aber doch irgendwie Recht hat? Das kann nicht sein, sagt Paul Mitchell, einer der ganz wenigen Republikaner, die sich überhaupt noch nach Trumps Skandal-Auftritt interviewen ließen. Diese Verfechter der weißen Überlegenheit können überhaupt keine angenehmen Zeitgenossen sein, sagt der republikanische Abgeordnete aus Michigan.
    Die Republikaner winden sich
    Das Problem dabei ist nur: Das ist genau die Klientel, die Donald Trump mit seiner Behauptung angesprochen hat, dass die Teilnehmer an den rechtsextremen Aufmärschen in Charlottesville und an den Gegendemonstrationen dasselbe Maß an Verantwortung für die Szenen der Gewalt trugen - und dass es eben auch ziemlich anständige Typen im Prügelmob gegeben habe. Selbst wenn aus den Äußerungen hervorgeht, dass Donald Trump die politisch-moralische Peilung fundamental abgeht: Die Republikaner winden sich. Sie schaffen es zwar, sich von Erscheinungsbild und Parolen der rechtsextremen Szene zu distanzieren. Aber nicht von ihrem Präsidenten, der sich für diese angeblichen "forgotten people", die Vergessenen, stark gemacht und ihnen den Rücken gestärkt hat. Am schärfsten äußerte sich noch der altgediente Senator Lindsay Graham, der die Republikaner als Partei des Sklavenbefreiers Abraham Lincoln dazu aufforderte, um Gottes Willen nicht dem rassistischen Ku-Klux-Clan den roten Teppich auszurollen.
    Angehörige der Streitkräfte und CEOs distanzieren sich
    Gemessen daran sind selbst Angehörige der Streitkräfte mutiger, die kraft ihres Amtes zu absoluter Loyalität verpflichtet sind - Generale aller Gattungen distanzierten sich entschieden von Rassismus und Gewalt.
    Ebenso die CEOs amerikanischer Großunternehmen, die Trump gleich dutzendweise aus Protest ihre Beratertätigkeit verweigert haben. Mangels Beteiligung löste Trump daraufhin zwei dieser Gremien auf. Kein Zweifel: Dieser Präsident ist mittlerweile nicht nur politisch anrüchig. Sondern geradezu geschäftsschädigend geworden.