Donnerstag, 28. März 2024

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Rassismus in den USA
"Trump wollte die Basis nicht vergrätzen"

Weiß, Arbeiter, aus verarmten Regionen: Die Masse der Trump-Wähler zeige sehr wohl Rassismus, allerdings sehr viel diffuser als bei Rechtsradikalen, sagte der Historiker Markus Hünemörder im Dlf. Mit Blick auf diese Klientel habe Trump die Formulierung zu Charlottesville bewusst vage gewählt.

Markus Hünemörder im Gespräch mit Sarah Zerback | 14.08.2017
    US-amerikanische Nationalisten marschieren am 12. August 2017 in Charlottesville, US-Bundesstaat Virginia. Im Zuge dieses Aufmarsches von Nationalisten und Rechtsextremen kam es zu zahlreichen Zusammenstößen.
    US-amerikanische Nationalisten marschieren am 12. August 2017 in Charlottesville, US-Bundesstaat Virginia. (imago / ZUMA Press)
    Sarah Zerback: Rassismus in den USA war nie weg, auch nicht unter einem schwarzen Präsidenten. Doch seit Donald Trump im Weißen Haus regiert, steigt die Zahl sogenannter Hassverbrechen wieder. Rassistische Schmähungen werden wieder offen gelebt, sind salonfähiger geworden, auch, so die Einschätzung einiger Experten, weil es viele Rechtsextreme gibt, die Trump gewählt haben. Nachdem sich am Wochenende an einer Demonstration rechtsnationalistischer und rassistischer Gruppen in Charlottesville massive Gewalt entzündet hat, steht der US-Präsident in der Kritik. Dafür, dass er dazu beigetragen habe, dieses geistige Klima zu schaffen, und dafür, dass er den Rassismus nicht gezielt verurteilt.
    Und am Telefon begrüße ich jetzt Markus Hünemörder. Am Amerika-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität in München ist er Fachmann für politische Kultur der USA. Guten Tag!
    Markus Hünemörder: Guten Tag!
    Trump Beitrag zum aktuellen politischen Klima
    Zerback: Ein Präsident der klaren, scharfen Worte, so geriert sich Donald Trump ja gern. Nach dieser massiven Gewalt nun am Wochenende, warum hören wir diese klaren Worte jetzt nicht?
    Hünemörder: Das ist die große Frage, die sich natürlich auch viele in den USA stellen. Donald Trumps Aussage am Samstag nach dieser Gewalttat war ja nun wirklich alles andere als spezifisch. Sie war sehr vage. Er hat Gewalt und Hass auf, wie er sagte, "vielen, vielen Seiten" verurteilt, ohne dabei jemals spezifisch die Rechtsradikalen beziehungsweise rassistischen Gruppen, die da demonstrieren wollten, zu nennen, was natürlich umso schlimmer ist, da ja diese Gewalt und Mordtat tatsächlich durch einen Rechtsradikalen verübt wurde.
    Zerback: Da bleibt die Frage, warum macht er das. Wir haben den Bürgermeister von Charlottesville gehört, der hat nach den Ausschreitungen gesagt, dass die Verantwortung für vieles, was wir heute in Amerika sehen, direkt vor der Haustür des Weißen Hauses liege. Ist Trump also schuld an diesen Ausschreitungen?
    Hünemörder: Jain. Auf jeden Fall hat Trump sehr stark dazu beigetragen, ein politisches Klima zu schaffen, wo sich solche Gruppen wieder verstärkt in die Öffentlichkeit wagen. Und auch gerade in Charlottesville, wo es ja auch darum ging, dass da eine Statue des Südstaatengenerals Robert E. Lee entfernt werden sollte, dort aufzumarschieren. Was für die natürlich eine Provokation war. Das politische Klima, das diese Gruppen wieder verstärkt auftreten, das hat Trump sicherlich maßgeblich dazu beigetragen. Ich glaube, er selber hat ja diese sehr vage Formulierung bewusst gewählt, nicht so sehr, weil er die Rechtsradikalen nicht vergrätzen wollte, ich glaube, die sind ihm nicht so wahnsinnig wichtig, sondern weil er die Gruppe, die man gern als Trumps Basis bezeichnet, nicht vergrätzen wollte. Und da reden wir von einer Bevölkerungsschicht, weiß, in aller Regel ohne College-Ausbildung, aus der Arbeiterschicht, häufig in Regionen lebend, die wirtschaftlich schlecht dastehen.
    "Feindbilder sind radikale Islamisten, illegale Einwanderer"
    Zerback: Und die unterstützen, was da passiert ist?
    Hünemörder: Die unterstützen wahrscheinlich nicht alle oder nicht unisono das, was da passiert ist. Aber für die wäre jetzt eine direkte Verurteilung sozusagen der weißen Rassisten, die da aufmarschiert sind, wäre für die eine Parteinahme gewesen für sozusagen die Minderheiten, das liberale Amerika, die Political Correctness, und genau das ist es ja, was Donald Trump zu vermeiden versucht. Es ist ihm ja sehr wichtig, eben nicht aufzutreten wie ein Politiker des normalen amerikanischen Politbetriebes, sondern eben – seine Feindbilder sind andere. Seine Feindbilder sind radikale Islamisten, seine Feindbilder sind illegale Einwanderer und eben nicht weiße Rassisten. Deswegen wollte er diese Wählerschicht, diese sehr viel größere und sehr viel diffusere Wählerschicht nicht durch eine klare Parteinahme durcheinanderbringen oder eben auch verärgern.
    "Sehr viel vager, sehr viel diffuser Rassismus"
    Zerback: Und trotzdem müssen wir uns wahrscheinlich noch mal angucken, wer da genau auf die Straße gegangen ist. Wir haben da Menschen gesehen, die haben nicht nur "Heil Hitler" gerufen, sondern auch "Heil Trump", haben Trump-Schilder hochgehalten. Das waren doch eindeutig Trump-Wähler, oder nicht?
    Hünemörder: Ja, sicher. Ganz klar, Trump hat Unterstützung von den Rechtsradikalen in den USA, von den Neonazis, vom Ku-Klux-Klan und so weiter, von der sogenannten Alt-Right-Bewegung erhalten. Und das sieht man ja auch sehr gut in der Tatsache, dass Steve Bannon, sein sogenannter Chefstratege im Weißen Haus, der ja diesen Gruppierungen zumindest einigermaßen nahesteht, da ist. Nichtsdestotrotz, die große Masse der Trump-Wähler ist natürlich nicht so dezidiert rassistisch wie diese sehr radikalen Gruppen. Da finden Sie sehr wohl Rassismus, keine Frage, allerdings ist der sehr viel vager, sehr viel diffuser.
    "Extremisten haben schon bekommen, was sie wollten"
    Zerback: Und, Herr Hünemörder, die Extremisten, was erwarten die denn jetzt von Donald Trump?
    Hünemörder: Die Extremisten haben eigentlich schon bekommen, was sie wollten. Diese selbe Schlussfolgerung, dass Trumps vage Äußerungen gezielt eben keine Verurteilung der Rechtsradikalen beinhaltete, das wurde nicht nur von Trumps Kritikern so interpretiert, sondern auch von den Rassisten selbst, also von diesen Radikalen, die da aufmarschieren wollten. Und die haben sich also schon gefreut wie die Schneekönige.
    "Das sehr alte, konservative Amerika wird aufgemischt"
    Zerback: Stärkt das den Rassismus, und schwächt das die liberale Gesellschaft in den USA?
    Hünemörder: Es macht sicherlich nichts besser, nicht wahr?
    Zerback: Was erwarten Sie dann noch für die Zukunft, ist ja die Frage?
    Hünemörder: Ach Gott, wenn man das so genau sagen könnte. Ich meine, man darf nicht vergessen, dass das ja alles nicht nur eine Geschichte ist, dass alles schlimmer und schrecklicher ständig wird. Wenn wir uns diesen Ort Charlottesville angucken, das ist in Virginia. Das ist genau sozusagen diese Bruchlinie, wo das sehr alte konservative Amerika langsam aufgemischt wird. Schauen Sie sich an, was der Bürgermeister da gesagt hat. Das ist ja einer von Trumps schärfsten Kritikern. Sehen Sie sich an, dass dort eben die – und übrigens nicht nur dort, sondern auch in vielen anderen Südstaaten – die Symbole der alten Konföderation, also des Sklaverei-Regimes zunehmend demontiert werden. Also da passieren ja progressive liberale Dinge. Allerdings ist Trump da sicherlich keine Hilfe, ganz im Gegenteil.
    "Politiker müssten konstruktiv, mäßigend, progressiv auftreten"
    Zerback: Auch wenn wir jetzt nur schwer in die Glaskugel schauen können, aber vielleicht noch ganz kurz Ihr Hinweis darauf, was denn passieren muss, um diese Entwicklungen zu stoppen.
    Hünemörder: Das ist wirklich sehr schwierig. Man darf nicht vergessen, dass selbst unter einem afroamerikanischen Präsidenten die Situation schlechter geworden ist. Wir denken alle zurück an Ferguson, Missouri, und so weiter, die verschiedenen Konfliktlinien, die da insbesondere auch zwischen Polizei und Minderheiten aufgebrochen sind. Amerika ist ein zutiefst gespaltenes Land, und die ganze Frage der Rassenbeziehungen ist einer der schlimmsten Gräben, die nach wie vor dieses Land spalten. Die einzige Methode, wie das besser werden könnte, wäre zum einen, wenn mehr Politiker da konstruktiv, mäßigend, progressiv, liberal auftreten würden. Insofern ist natürlich auch die Kritik aus der republikanischen Partei an Trump jetzt gar nicht mal so schlecht. Aber es ist ein sehr weiter Weg noch zu gehen.
    Zerback: Das sind die Einschätzungen von Markus Hünemörder. Herzlichen Dank! Er kommt vom Amerika-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München.
    Hünemörder: Danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.