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Tusks Kronprinzessin unter Druck

Die Chancen für ein Referendum zur Absetzung der Warschauer Bürgermeisterin stehen nicht schlecht. Sollte es kommen, wäre nicht nur Hanna Gronkiewicz-Waltz in argen Schwierigkeiten, sondern auch ihr Parteichef. Und der ist kein geringerer als Ministerpräsident Donald Tusk.

Von Sabine Adler |
    Zwei Stühle, ein Klapptisch, dahinter im Schatten des blauen Sonnenschirms mit dem Parteilogo zwei Freiwillige der Partei Recht und Gerechtigkeit von Jaroslaw Kaczynski.

    60 Tage werden sie unterwegs sein, um Unterschriften von den Warschauern zu sammeln, die so unzufrieden sind wie sie mit der Bürgermeisterin.

    Es wird überall gebaut, aber alles auf Pump. Die Stadtverwaltung hat immer mehr Beamte, die hohe Gehälter bekommen, sagt der PIS-Aktivist. Ehrlich soll der nächste sein und keine Buslinien mehr einsparen, sagt eine Frau, die unterschreibt. Sie ärgert, dass derzeit eine Fahrt ins Stadtzentrum und zurück 20 Zloty kostet, rund fünf Euro. Der Unterschriftensammler stört die Arroganz der derzeitigen Bürgermeisterin, vor allem habe er genug von dem vielen Wasser.

    Der gescholtenen Warschauer Bürgermeisterin Hanna Gronkiewicz-Waltz steht das Wasser nicht nur wegen des drohenden Referendums bis zum Hals. Immer wieder verwandeln sich Hauptstraßen bei Gewitterregen in Kanäle. Die Präsidentin hält das Ganze für eine vorgezogene Wahlkampagne:

    "Der Versuch, das Referendum zu organisieren, obwohl in einem Jahr gewählt wird, hat politische Gründe."

    Sachlich begründet oder politisch – die Chancen für ein Referendum stehen nicht schlecht. Sollte es kommen, wäre nicht nur Hanna Gronkiewicz-Waltz in argen Schwierigkeiten, sondern ihr Parteichef gleich mit, der kein geringerer ist, als Ministerpräsident Donald Tusk.

    Er setzt auf sie, die immerhin Vizechefin der Partei Bürgerplattform ist. In der zwei-Millionen-Hauptstadt hat sich viel Ärger aufgestaut. Der Initiator des Referendums, Stadtteilbürgermeister in Ursynow, Piotr Guziol listet auf:

    "Die Warschauer haben genug. In der Stadt herrscht ein ständiges Verkehrschaos, die Straßenbauarbeiten werden nicht koordiniert. Und erst der Metrobau, die horrend gestiegenen Fahrpreise und Müllgebühren! Diese zweite Legislaturperiode der Bürgermeisterin in völlig misslungen, sie hat einfach immer Pech, aber wir brauchen keinen Präsident, der Pech hat."

    Donald Tusk hat der Schlamassel in Warschau gerade noch gefehlt. Als ob er mit seinem geschassten Justizminister Jaroslaw Gowin nicht schon genug zu schaffen hätte. Gowin macht Tusk den Parteivorsitz streitig, ein Kampf, der gerade per Mitgliederentscheid ausgetragen wird. Der jetzige Vorsitzende Tusk oder dessen Rivale Gowin, dem immer wieder Anbändeleien mit dem schärfsten politischen Gegner, Jaroslaw Kaczynski nachgesagt werden.

    Ob gegenüber Gowin oder Kaczynski, Tusk ist derzeit überall nur zweiter Sieger. Gowin sähen laut Umfrage 36 Prozent lieber an der Parteispitze als Tusk und gegenüber der PIS gerät seine PO auch immer weiter ins Hintertreffen, neun Prozent beträgt der Vorsprung der PIS-Partei gegenüber der PO.

    So quälend langsam Tusk die Aufholjagd gelingt, so schleppend kommt die zweite Metro-Strecke in der Hauptstadt voran.

    Die Bürgermeisterin, der jetzt nach sechs Amtsjahren, ein Jahr vor der regulären Wahl der Stuhl per Referendum abgesägt werden soll, bleibt standhaft:

    "Niemand vor mir wagte sich, die zweite Linie Metro zu bauen. Alle wussten, dass das sehr schwer ist. In kommunistischen Zeiten wurden 1,5 Kilometer Metros gebaut und war's.
    Ich habe den Mut und auch das Geld aufgebracht, zwei Drittel der Kosten werden durch die EU finanziert."

    Während viele die Schwierigkeit beim Metrobau einsehen, mal macht den Bauleuten der sandige Untergrund zu schaffen, mal ist eine Fliegerbombe im Wege, blieb sie eine Erklärung über den aufgeblähten Beamtenapparat mit angeblich 2000 neuen Stellen schuldig.

    Sollte das Referendum Hanna Gronkiewicz-Waltz tatsächlich das Amt kosten, dann wäre für Tusks Kronprinzessin in der Bürgerplattform die Karriere vermutlich vorerst auf Eis gelegt. Dabei setzte ihr Förderer große Hoffnungen auf sie, galt sie bislang doch als Kandidaten für allerhöchste Ämter, die das Land zu vergeben hat, und als seine Nachrückerin, falls der Regierungschef tatsächlich nach Brüssel wechseln sollte. Von ihren Widersachern wird sie derweil als Müllkönigin verspottet, wegen der hohen Müllgebühren.