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Ukraine
Der Kampf gegen die Korruption stagniert

Von dem Treffen der EU-Spitzen mit den östlichen Partnern erwarten Diplomaten nicht allzu viele Ergebnisse. Trotzdem könnte das Treffen eine Gelegenheit zur Kritik bieten. Zum Beispiel an der Ukraine. Dort ist der Streit der Behörden, die eigentlich gemeinsam die Korruption bekämpfen sollten, in eine neue Phase getreten.

Von Florian Kellermann | 24.11.2017
    Der ukrainische Generalstaatsanwalt Jurij Luzenko.
    Der ukrainische Generalstaatsanwalt Jurij Luzenko wehrt sich präventiv gegen Vorwürfe, die die NABU noch gar nicht konkretisiert hat. (RIA Novosti / Pavel Palamarchuk)
    Der ukrainische Generalstaatsanwalt Jurij Luzenko zählte vor kurzem auf, welche Erfolge seine Behörde in der Korruptionsbekämpfung vorzuweisen habe:
    "Der Staatsanwaltschaft ist es gelungen, im Karpatenvorland die illegale Vergabe von staatlichem Grund an Privatpersonen zu stoppen. Die verantwortlichen Beamten wurden festgenommen, beim neuen Besitzer der Grundstücke wurden Waffen und Rauschgift gefunden."
    Das Problem: Solche Beispiele gibt es viel zu wenige. Außerdem fällt auf, dass in der Regel nur Personen festgenommen werden, die im Staat keine herausragende Funktion innehaben. Und das, obwohl die Korruption in der Ukraine nach Meinung fast aller Beobachter in weite Teile des Parlaments und in die Regierung hinein reicht.
    Ermittlungen gegen den Generalstaatsanwalt
    Nun lähmt auch noch ein regelrechter juristischer Krieg zwischen zwei zentralen Behörden den Kampf gegen die Korruption - zwischen der Generalstaatsanwaltschaft und dem Antikorruptionsbüro NABU.
    Sie ermitteln beide gegen die Führungsspitze der jeweils anderen Behörde. Das NABU sagt nicht, welcher Verdacht gegen Generalstaatsanwalt Luzenko besteht, aber der wehrt sich schon gegen die Vorwürfe:
    "Es ist unlogisch hier überhaupt von einem Tatbestand zu sprechen. In meiner Vermögenserklärung habe ich zwei Parkplätze, die mein Sohn erworben hat, nicht angegeben. Dazu bin ich aber auch nicht verpflichtet, weil sie nicht zu meinem Vermögen gehören. Ich habe gegen kein Gesetz verstoßen."
    Umgekehrt wirft die Staatsanwaltschaft dem Antikorruptionsbüro NABU vor, eine Ausschreibung für Arbeitskleidung auf einen Anbieter zugeschnitten zu haben - ein offensichtlich konstruierter Vorwurf.
    Scheingefecht zwischen den Behörden
    Die meisten unabhängigen Beobachter sehen in dem Streit ein Scheingefecht, angezettelt von der Staatsanwaltschaft. Sie stehe unter dem direkten Einfluss von Präsident Petro Poroschenko - Generalstaatsanwalt Luzenko ist ein ehemaliger Abgeordneter aus Poroschenkos Partei. Und die Regierung wolle den Leiter der Antikorruptionsbehörde, Artem Sytnyk, diskreditieren, meint Oleksandr Ljemjenow von der Organisation "Reanimation Package of Reforms", die seit Maidan-Tagen die Regierung kritisch beobachtet:
    "Artem Sytnyk ist der einzige Chef einer Strafverfolgungsbehörde in der Ukraine, der politisch unabhängig ist. Denn er wurde von einer unabhängigen Kommission ausgewählt. Er ermittelt so, wie es das Gesetz vorsieht, und deshalb sind auch hochgestellte Politiker in seinen Fokus geraten."
    So sehen das auch andere Nicht-Regierungsorganisationen. Das NABU ermittelt unter anderem gegen den Infrastrukturminister, den Sohn des Innenministers ließ es sogar festnehmen - wegen des Verdachts auf Bestechung.
    Deutlich negativer beurteilt Oleksandr Ljemjenow die Arbeit einer anderen neuen Behörde, die eigentlich die Vermögenserklärungen von Politikern und hohen Beamten überprüfen soll:
    "Von rund 1,2 Millionen Erklärungen hat die Behörde weniger als hundert überprüft. Dabei hatte sie dafür schon mehr als ein Jahr Zeit, und die Angestellten dort bekommen ein gutes Gehalt. Dort sollte die gesamte Führungsebene ausgetauscht werden."
    Außerdem wollen Nicht-Regierungsorganisationen ein unabhängiges Gericht für Korruptionsfälle. Das fordern auch alle internationalen Partner des Landes. Experten des Europarats haben dazu konkrete Vorgaben gemacht. Aber Präsident Petro Poroschenko zögert seit Monaten, das entsprechende Gesetz ins Parlament einzubringen.