Dienstag, 19. März 2024

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Ukraine
"Wir brauchen militärische Hilfe"

Der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin bittet die EU und die NATO um mehr Engagement in der Ostukraine. Sowohl militärische als auch politische Hilfe sei dringend notwendig, um die Lage in der Region in den Griff zu bekommen, sagte er im Interview der Woche im DLF. Ziel sei es, den Menschen dort ein normales Leben zurückzugeben.

Pawel Klimkin im Gespräch mit Sabine Adler | 17.08.2014
    Der ukrainische Außenminster Pawel Klimkin, sprechend, eine gelb-blaue Fahne im Hintergrund.
    Die Aufgabe der Krim zugunsten eines Waffenstillstandes ist für Pawel Klimkin keine Option. (dpa/picture alliance/Olivier Hoslet)
    Sabine Adler: Herr Minister, ein russischer Hilfskonvoi wurde an der Grenze gestoppt, ein anderer Konvoi, mit Militärtechnik soll sich dagegen schon auf ukrainischem Territorium befinden. Ist die Gefahr einer russischen Invasion allgegenwärtig?
    Pawel Klimkin: Ja, erstens haben wir solche Fälle fast jede Nacht, also ein Beschuss von russischem Territorium auf unsere Truppen. Wir haben auch Söldner und Waffen - gepanzerte, schwere Waffen -, die durch die Grenze kommen. Und deswegen ist es eigentlich - und das ist schade - nicht neu, dass neue russische gepanzerte Wagen und russische Kanonen die Grenze überquert haben. Zweitens wurde dann der russische Hilfskonvoi - obwohl ich diese Terminologie eigentlich nicht mag - nicht gestoppt, sondern wir haben wirklich hart verhandelt in den letzten Tagen, wie das gehen könnte. Unsere Bedingungen sind absolut klar. Wir brauchen jede humanitäre Hilfe, die der ukrainischen Gesetzgebung entspricht. Und das ist eine kritische Vorbedingung. Zweitens muss das Rote Kreuz das alles durchführen. Das heißt, das Rote Kreuz muss die Hilfe an der Grenze übernehmen, dann übernimmt das Rote Kreuz aller Art Logistik, den Transport selbstverständlich und die Lagerung, aber auch die Verteilung. Und in dem Sinne sollte es so funktionieren, dass die Zuständigkeit für solche Hilfe eigentlich beim Roten Kreuz liegt und nicht bei Russland. Drittens passiert das im Rahmen einer Hilfsinitiative des Präsidenten der Ukraine. Es gibt auch Hilfstransporte, organisiert von uns, auch teilweise mit EU-Geldern. Und das ist schon kritisch, weil die Region Lugansk von den Terroristen wirklich stark angeschlagen ist. Es gibt leider keine Elektrizität und in vielen Bezirken auch kein Wasser. Und die beste Hilfe ist eigentlich, wenn der Zufluss von Söldner und schweren Waffen über die Grenze aufhört. Aber wir müssen jetzt den Leuten vor Ort helfen. Und wir haben auch viele Brigaden geschickt, die dort auch die Elektrizitätszufuhr reparieren können. Das werden wir auch weiter tun, trotz ganz, ganz schwierigen Sicherheitsbedingungen.
    "Das ist kein Bürgerkrieg"
    Adler: Über 2.000 Menschen hat der Krieg im Osten Ihres Landes schon das Leben gekostet. Steckt die Ukraine, würden Sie sagen, in einem Bürgerkrieg oder ist es Krieg zwischen Russland und der Ukraine?
    Klimkin: Weder noch. Das ist selbstverständlich kein Bürgerkrieg. Das ist aber auch kein Krieg - also im Moment - zwischen der Ukraine und Russland. Was wir haben, ist der Versuch von Russland, die ganze Ukraine zu destabilisieren, aber im Besonderen die Regionen Donezk und Lugansk - andere Regionen zu destabilisieren hat bisher nicht geklappt. Und in dem Sinne müssen wir einfach allen Menschen dort in Donezk und Lugansk ein normales Leben zurückgeben. Wir brauchen selbstverständlich mehr Autonomie, nicht nur in Donezk und in Lugansk, sondern auch in anderen Gebieten der Ukraine, auf politischer Ebene, aber auch besonders auf wirtschaftlicher Ebene. Diese Reform wird in nächster Zukunft realisiert werden. Und das hat selbstverständlich eine ganz große Priorität.
    Adler: Jetzt muss man ja sagen, davon sind wir im Moment ja sehr weit entfernt - von Wiederaufbau, von Autonomie. Das, was im Moment ja viel näher liegt, ist zum Beispiel die Ausrufung eines Kriegszustandes. Warum macht die Regierung das nicht?
    Klimkin: Weil in einem solchen Kriegszustand das Leben der Menschen vor Ort noch schwieriger wird. Zweitens, wenn wir den Kriegszustand dort ausrufen, ändern sich die Bedingungen auch direkt für die Menschen vor Ort in dem Sinne, dass die Zuständigkeit vor Ort von den sogenannten Kriegskommandanten übernommen wird. Also da gelten einige Gesetze dann nicht, und das wollen wir nicht. Wir wollen im Gegenteil, dass das normale Leben für alle in Donezk und in Lugansk zurückkehrt. Und zweitens, wenn Sie dort auch die Atmosphäre sehen, insbesondere in den Städten, die von unseren Kräften befreit worden sind, das ist schon wirklich einzigartig, wie die Menschen dort unsere Kräfte begrüßen. Sie sind nicht nur müde von den Terroristen, sie wurden dort auch bedroht und das normale Leben ist total zerstört. Es gab viele Geiseln, auch für die Rentner - die Terroristen kamen und ein Teil der Rente wurde ihnen weggenommen, damit die terroristischen Aktivitäten finanziert werden konnten.
    In der ostukrainischen Metropole Donezk stehen Einwohner am Zugang zu einem provisorischen Luftschutzbunker.
    Provisorischer Luftschutzbunker in Donezk. Die Ausrufung des Kriegszustandes würde das Leben der Menschen verschlechtern, glaubt Klimkin. (AFP / Dimitar Dilkoff)
    "Den Leuten vor Ort mehr Freiheit geben"
    Adler: Herr Außenminister Klimkin - im Interview des Deutschlandfunks -, die nächste Frage bezieht sich genau auf das Verhältnis zu der Bevölkerung im Osten der Ukraine. Es ist bei Weitem nicht so, dass die Menschen in Slawjansk, in Donezk, in Lugansk ganz klar an der Seite der ukrainischen Regierung stehen. Wie will die Ukraine, die Regierung es schaffen, dass sich die Menschen in der Ostukraine tatsächlich zu Ihrem Land bekennen?
    Klimkin: Das hat auch einige Gründe. Einer ist selbstverständlich die russische Propaganda. Wenn sie einmal zwei Stunden russische Staatskanäle - ich meine Fernsehkanäle - schauen, spüren sie diese Propaganda ganz klar. Zudem ist ganz, ganz wichtig, dass alle die, die dort in Donezk, in Lugansk wohnen, sich auch als Teil der Ukraine fühlen. Drittens gab es vielleicht nicht genug Aufklärung dort in Donezk, in Lugansk, welche Ziele wir dort verfolgen. Deswegen gilt: Wir müssen da nicht nur mit allen sprechen, sondern wir müssen allen erklären, worum es geht. Es geht um die Ukraine, um die europäische, demokratische und vereinte Ukraine. Und das verteidigen auch die Menschen vor Ort. Zweitens, es geht nicht um irgendwelche Verbote, beispielsweise der russischen Sprache. Die russische Propaganda hat immer gesagt: Da kommen einige aus Kiew, die werden es verbieten, russisch zu sprechen - was nicht stimmt. Das Ziel der weiteren Reformen ist, dass jede Kommune auch entscheiden soll, welche Sprache dort gesprochen wird, ob russisch oder ukrainisch oder zwei Sprachen parallel, das geht auch. Das ist überhaupt kein Problem. Es geht darum, den Leuten vor Ort mehr Freiheit zu geben, aber auch mehr Verantwortung. Und das ist wirklich das Ziel.
    Adler: Was erklären Sie den Menschen? Warum werden Städte wie Donezk angegriffen? Warum wird dort mit schwerer Militärtechnik gekämpft?
    Klimkin: Erstens ist es so - und das muss ganz klar gesagt werden -, die ukrainische Armee hat nie, wirklich nie - ich muss das unterstreichen - ukrainische Städte mit schweren Waffen bombardiert, also mit Artilleriefeuer oder etwas Ähnlichem, auch nicht aus der Luft. Zweitens - und das ist auch wichtig zu verstehen -, wir haben leider viele, viele Verluste. Wir haben viele Leben verloren, und zwar deswegen, weil wir das eben nie gemacht haben. Denn was die Terroristen machen in Donezk, in Lugansk, in den großen Städten ist, sie versuchen schwerer Panzer oder andere schwere Waffen dort in den Bezirken zu positionieren. Sie kamen aber dort nie unter Beschuss der ukrainischen Armee. Also die ukrainische Armee hat den Feind dort bekämpft mit vielen Mitteln - und zwar gegen Terroristen, die auch schwere Waffen haben und Panzer und so weiter, auch Luftabwehrraketen -,aber nie in den Städten. Und wenn man eine Stadt wie Donezk und Lugansk unter Beschuss nimmt, dann ist das wirklich etwas anderes, aber da haben mir unsere Militärs zugesichert, dass es so etwas nie gegeben hat.
    "EU und NATO sollten sich überlegen, was sie tun"
    Adler: Es gibt einen Bericht von Human Rights Watch, der ganz klar belegt, dass von ukrainischer Armee Wohngebiete beschossen worden sind. Das heißt, die Bevölkerung muss darunter leiden, dass sie nicht nur von den Separatisten unter Beschuss genommen wird, sondern auch im Zweifel von der ukrainischen Armee, wenn die ukrainische Armee auf solche Angriffe antwortet. Das heißt, die Bevölkerung ist zweifach sozusagen in die Zange genommen. Mit anderen Worten gefragt: Ist das, wie die ukrainische Armee vorgeht, verhältnismäßig?
    Klimkin: Absolut. Aber auch mehr als verhältnismäßig. Es gab viele Berichte, dass die ukrainische Armee dies unternommen habe oder jenes unternommen habe, und danach hat sich herausgestellt, dass das die Terroristen waren. Manchmal machen sie das absichtlich, also aus einer Art Provokation heraus. Manchmal kämpfen sie gegeneinander. Es gab verschiedene Fälle, wo Russland uns einige Male beschuldigt hat, als das russische Territorium unter Beschuss gewesen war. Wir haben das grundsätzlich und genau geprüft, und in allen Fällen hat sich herausgestellt, dass das die Terroristen waren. Und das hat auch Russland zugegeben. Und deswegen, wenn sie dann sehen, wer da vor Ort sozusagen die Kontrolle hat, das sind viele Gruppierungen. Das sind nicht nur die sogenannten Donezk und Lugansk, sondern das sind wirklich viele Gruppierungen und alle haben schwere Waffen. Und das in den Griff zu bekommen, das ist unglaublich schwierig.
    Adler: Es ist relativ unstrittig, dass die Europäische Union und die NATO nicht militärisch helfen werden. Ist der Ukraine klar, dass sie diesen Kampf gegen die Separatisten beziehungsweise gegen die von Russland unterstützten Kämpfer/Krieger allein gewinnen muss?
    Klimkin: Ja, die Europäische Union und die NATO sollten sich wirklich überlegen, was sie tun können und tun werden, wenn alle Regeln gebrochen werden. Und das war ganz klar der Fall auf der Krim. Russland hat dort alle Regeln gebrochen - völkerrechtliche Regeln und politische Regeln, das sogenannte "Budapester Memorandum". Jetzt bricht Russland alle möglichen Regeln in Donezk und in Lugansk. Und das ist wirklich eine ganz schwierige Frage für die Europäische Union und für die NATO: Was kann man da machen, wenn in Europa praktisch - also ich meine nicht theoretisch, sondern praktisch - ein Krieg geführt wird von einem europäischen Staat? Und deswegen, wenn man sagt: 'Man kann ja nicht viel machen', das führt schon zu der Frage: Wie kann man da weiter als verantwortlicher Partner gesehen werden?
    NATO-Generalsekretär Rasmussen an einem Rednerpult.
    NATO-Generalsekretär Rasmussen: Die NATO müsse über eine neue Strategie nachdenken, so Klimkin. (dpa / Olivier Hoslet)
    Adler: Höre ich da richtig heraus, dass es möglicherweise auf Unverständnis trifft in der Ukraine, dass die Kurden im Irak Waffenhilfe erhalten und die ukrainische Seite nicht militärisch unterstützt wird?
    Klimkin: Solche Vergleiche gibt es wenige, auch in der Ukraine. Man kümmert sich relativ wenig um die südliche Flanke im Moment. Was uns alle beschäftigt, ist selbstverständlich die Lage bei uns in der Ukraine, in Donezk, in Lugansk und selbstverständlich auf der Krim. Wir brauchen unterschiedliche Hilfen. Wir brauchen, dass die Europäische Union mit einer Stimme spricht - und das ist spätestens jetzt der Fall. Wir brauchen, dass man der Ukraine weiterhilft, dass man der Ukraine selbstverständlich direkt hilft, aber auch, dass die Europäische Union bei der Implementierung der Reformen in der Ukraine hilft - das wäre auch ganz, ganz wichtig.
    "Es geht um eine friedliche Lösung"
    Adler: Appellieren Sie an die Europäische Union, an die NATO, militärische Hilfe zu leisten für die Ukraine?
    Klimkin: Ja, selbstverständlich. Wir brauchen militärische Hilfe. Denn wenn solche Hilfe kommt, dann wäre es für unsere Truppen leichter, vor Ort zu agieren. Aber wir werden die Lage in den Griff bekommen. Am Ende des Tages geht es nicht um die militärische Offensive, es geht um den Waffenstillstand. Es geht um eine friedliche Lösung. Und das Problem mit den militärischen Aktivitäten ist, dass die Terroristen einfach nicht aufhören und nicht aufgeben wollen. Sie treten nicht in Kontakt, sie wollen nicht sprechen. Es gibt eine territoriale Kontaktgruppe der Ukraine, Russlands und der OSZE, selbst dort ist es schon sehr schwierig, die Vertreter von Donezk und Lugansk in diese Kontakte mit einzubeziehen. Und in dem Sinne geht es nicht um einen militärischen Erfolg, es geht um eine Lösung, eine nachhaltige Lösung. Doch dazu müssen alle Seiten bereit sein.
    Adler: Wenn die Europäische Union Waffenhilfe leisten würde, wäre dann die Gefahr nicht völlig unübersehbar, dass daraus ein richtiger großer Krieg zwischen Europa, dem Westen sogar, und Russland entstehen würde? Und kann man das wirklich sehenden Auges dann vertreten?
    Klimkin: Wieso Russland? Russland sagt: Wir mischen uns da nicht ein. Und in dem Sinne geht es wirklich um die Terroristen, wenn man der russischen Argumentation folgt, die dort in Donezk und in Lugansk vor Ort kämpfen. Und deswegen geht es nicht um die militärische Hilfe, es geht um die politische Hilfe, es geht um die Hilfe für die ukrainischen Reformen. Zudem kämpft die Ukraine jetzt auch mit schwierigen wirtschaftlichen und finanziellen Bedingungen. Deswegen braucht die Ukraine jetzt Hilfe. Diese Hilfe wird zurückgeleistet und zurückgezahlt werden, aber diese Unterstützung ist im Moment wichtig.
    "Mehr Aufmerksamkeit, mehr Hilfe"
    Adler: Braucht die NATO, wenn sie sich am Anfang des Monats September in Wales trifft, eine neue Strategie, ein neues Verhältnis zur Ukraine und auch zu Russland?
    Klimkin: Ja, die NATO soll sich selbst fragen, ob sie solche eine Strategie braucht. Ich persönlich glaube, man muss aus all diesen Entwicklungen große Lehren ziehen. Die Welt sieht jetzt anders aus als vor ein paar Jahren. Deswegen braucht man eine neue Strategie. Man braucht in der NATO auch ein neues Verhältnis zur Ukraine. Man sollte der Ukraine mit neuen Mitteln helfen. Und selbstverständlich wird auch im Sinne der Ukraine der NATO-Gipfel in Newport ein wichtiges Ereignis sein.
    Adler: Was soll Ihrer Meinung nach für die Ukraine herauskommen aus diesem NATO-Gipfel?
    Klimkin: Selbstverständlich die politische Unterstützung, also mehr Aufmerksamkeit, mehr Hilfe. Mehr Hilfe für die Reformen, für unsere Streitkräfte selbstverständlich. Mehr Engagement und mehr Arten der Zusammenarbeit in vielen Bereichen, nicht nur in klassischen Bereichen, sondern auch in denen der Terrorismusbekämpfung oder der Cyber Security.
    Adler: Würden Sie soweit gehen, dass die Ukraine jetzt doch noch mal den Wunsch nach einer NATO-Mitgliedschaft erneuert?
    Klimkin: Die Frage ist eigentlich mit einem Konsensus in der Ukraine verbunden. Es gibt im Moment dort keinen politischen und keinen gesellschaftlichen Konsensus dafür. Deswegen stellt sich diese Frage derzeit nicht.
    "Konsequent und entschlossen handeln"
    Adler: Die russischen Truppen führen Manöver an der estnischen Grenze durch. Muss Estland jetzt befürchten, dass so etwas geschieht, wie es auf der Krim geschehen ist?
    Klimkin: Estland ist NATO-Mitglied. Deswegen glaube ich einfach nicht, dass Estland dort befürchten muss, dass so etwas Ähnliches auch mit Estland geschieht. Und es gibt auch Solidarität im Rahmen des Artikel 5 des NATO-Vertrages. Und in dem Sinne ist, glaube ich, Estland absolut sicher. Wir wünschen selbstverständlich unseren estnischen Freunden und Partner viel Glück, auch bei verschieden sicherheitspolitischen Maßnahmen, aber ich fürchte nicht um Estland.
    Russlands Präsident Putin bei einem Treffen im Kreml
    Was will Russlands Präsident Putin? (AFP / Mikhail Klimentyev)
    Adler: Bei alledem, Herr Außenminister Klimkin, fragt man sich doch die ganze Zeit: Erleben wir hier gerade den Anfang einer Entwicklung? Die Annektion der Krim, der Konflikt in der Ostukraine oder den Krieg in der Ostukraine - ist es damit sozusagen getan oder ist das der Anfang einer vielleicht furchtbaren Entwicklung? Ist Ihnen klar, was der russische Präsident Wladimir Putin eigentlich möchte?
    Klimkin: Ja, das hängt nicht nur von dieser Persönlichkeit ab, sondern das hängt von uns allen ab, und das hängt auch von der Entschlossenheit der Europäischen Union ab. Man muss hier konsequent und entschlossen handeln, und dann bekommen wir auch die politische Lösung. Also, wenn wir das nicht machen, dann wird es selbstverständlich schwierig.
    Adler: Gut, noch einmal gefragt: Wissen Sie, was der Plan von Wladimir Putin ist? Warum das Ganze?
    Klimkin: Da sollten Sie ein Interview bei dem russischen Präsidenten anfragen und die Frage an ihn direkt richten. Was wir im Moment in Donezk und in Lugansk sehen, ist einfach die Destabilisierung. Das müssen wir stoppen. Und da müssen wir auch die Grenze dicht machen. Und wenn das der Fall ist, dann können wir wirklich zu einer friedlichen Lösung für Donezk und für Lugansk kommen. Und daran arbeiten wir auch.
    "Wir werden um die Krim kämpfen"
    Adler: Was heißt das für das Verhältnis zwischen der Ukraine und Russland in Zukunft?
    Klimkin: Wie Sie sehen, ist es im Moment beschädigt auch in dem Sinne, dass das Vertrauen nicht auf dem Niveau ist, wie es vor Jahren war. Es gibt kein Vertrauen. Dieses Vertrauen müssen wir aufbauen. Aber die Verantwortung dafür liegt in besonderer und erster Linie bei Russland. Weil nach allem, was da abgelaufen ist, mit der Okkupation der Krim, mit Donezk und Lugansk, ist unsere Position ganz klar: Die Krim war ukrainisch, ist ukrainisch und wird auch wieder ukrainisch werden. Wir werden um die Krim weiter kämpfen, mit verschiedenen Mitteln. Und selbstverständlich werden wir auch dafür kämpfen, dass Donezk und Lugansk weiter stabilisiert werden.
    Adler: Wenn man den Krieg beenden könnte und dafür die Krim hergeben müsste oder die Ostukraine, wäre das eine Lösung für Kiew?
    Klimkin: Nein, auf keinen Fall. Ich habe von Anfang an gesagt: Wir sprechen über eine demokratische, europäische und vereinte Ukraine. Die Krim ist die Ukraine, Donezk und Lugansk sind auch die Ukraine. Und wir werden selbstverständlich bis zum letzten Moment für die Krim, Donezk und Lugansk kämpfen.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel und der ukrainische Präsident Petro Poroschenko: "Eine der wichtigsten Moderatorinnen"
    Merkel empfängt Poroschenko ( picture alliance / dpa / Rainer Jensen)
    Adler: Kann Deutschland, kann Kanzlerin Angela Merkel mehr tun, damit es zu einer Entschärfung des Konfliktes kommt?
    Klimkin: Ja. Die Bundeskanzlerin tut unglaublich viel. Sie ist eine der wichtigsten Moderatoren in diesem Prozess. Sie hat auch unglaublich viel dafür getan, dass jetzt die Europäische Union mit einer Stimme spricht. Und deswegen sind wir unglaublich dankbar. Man muss aber selbstverständlich noch mehr machen, damit der Frieden nach Donezk und Lugansk kommt, damit die europäische Freiheit realisiert wird. Und am Ende des Tages sprechen wir nicht über Donezk und Lugansk, wir sprechen nicht über die Ukraine, sondern wir sprechen über Europa, über den Frieden in Europa, über die neue Sicherheitsarchitektur in Europa. Und deswegen ist die Rolle Deutschlands nicht nur wichtig, sondern auch entscheidend in dem Sinne, dass Deutschland von allen Akteuren als sehr wichtig und glaubhaft angesehen wird. Und deswegen muss Deutschland auch weiter eine aktive und wichtige Rolle spielen.
    Adler: Sind Sie mit irgendetwas nicht zufrieden an Deutschlands Agieren?
    Klimkin: Es gibt ja viele Nuancen. Deutschland und die Bundeskanzlerin machen einen sehr guten Job, aber wenn man die Position der Europäischen Union ansieht, dann wünsche ich mir, dass die Europäische Union in vielen Momenten entschlossener und konsequenter handelt. Aber - ja - 28 Nationen sind eine schwierige Konstruktion, das verstehe ich auch.
    Adler: Herr Außenminister Klimkin, ich danke Ihnen für das Gespräch.
    Klimkin: Es war mir ein Vergnügen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.