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Ungarn
Eine Roma-Designerin in Budapest

Auf dem Land in Ungarn leben zwei Drittel der Roma in Ghetto-artigen Siedlungen, teils ohne fließendes Wasser und Kanalisation. Doch es gibt Roma, die erfolgreich und gesellschaftlich anerkannt sind. Die Mode-Designerin Erika Varga ist ein Beispiel. Ihre Marke "Romani Design" ist auf dem besten Weg, international bekannt zu werden.

Von Ralf Borchard |
    Erika Varga sitzt in einer großen Altbauwohnung in Budapest an einer ihrer Nähmaschinen. Sie bearbeitet den Stoff einer alten Roma-Tracht, grellbunte Blumenmotive auf gelbem Grund. Am Ende wird das wiederverwendete Teil aus einem früheren langen Roma-Rock, kombiniert mit viel schlichtem Schwarz, zu einem neuen kurzen Design-Kleid. Varga ist gelernte Goldschmiedin, vor einigen Jahren stieg sie auf Mode um:
    "Vor fünf Jahren kam ich auf die Idee, 'Romani Design' zu starten", erzählt die 44jährige. "Ich hatte schon immer zwei Leidenschaften. Die traditionelle Kultur der Roma weiterzugeben und kreativ zu sein. Mit meiner Design-Linie kann ich beides zusammenbringen, Kreativität und Roma-Kultur. Ich wollte immer eine Arbeit machen, die nicht nur für sich selbst steht, sondern auch für die Roma-Gemeinschaft gut ist. Und ich glaube, wenn es für die Roma-Gemeinde gut ist, ist es für die ganze Gesellschaft gut. Weil beide Seiten lernen können, wie man gut zusammenleben kann."
    Sie mache ihre Kleider für Roma und Nicht-Roma-Frauen gleichermaßen, sagt Erika Varga. Tragen soll die Klamotten, wem sie gefallen. Gleichzeitig spricht sie von einer gesellschaftlichen Mission: zu zeigen, dass man es aus der Armut heraus schaffen kann, ohne den Bezug zur Roma-Kultur zu verlieren. Erika Varga setzt das verdiente Geld zum Teil in Sozialprojekten ein, Kreativkursen für verarmte Kinder, Nähkursen für Roma-Frauen, die sie für zeitgemäßes Design zu begeistern versucht. Ihr Motto: Kleider als Botschaft ohne viele Worte.
    Als sie wichtige traditionelle Roma-Motive, Münz- und Sonnenmotive zu erklären versucht, klingelt es und die nächste Kundin steht in der Tür. Die Wohnung im vierten Stock ist gleichzeitig Atelier und Verkaufsraum. Frauen aus Budapest und Touristinnen kommen hierher, die meisten haben im Internet von Romani Design erfahren. Erika Varga ist an der Schwelle vom Geheimtipp zum Szenestar, jedenfalls läuft es gut genug, um von Schwester, Mutter und drei, vier Mitarbeiterinnen unterstützt eine Kollektion nach der anderen zu entwerfen:
    "Ich würde schon sagen, dass ich erfolgreich bin", sagt sie. "Einerseits. Andererseits stehe ich noch ganz am Anfang. Habe keinen Verkaufsraum für Laufpublikum, bin international noch so gut wie unbekannt. Ein gewisser Durchbruch ist die Tatsache, dass ich in Ungarn einen 'Brand', eine Marke geschaffen habe, langsam auch international via Internet zumindest in Insider-Kreisen bekannt werde, derzeit entwickeln wir gerade eine neue Website, wollen eine Web-Shop eröffnen."
    "Ich bin zum ersten Mal hier", sagt diese Kundin Anfang 20, die sich gerade ein Kleid vom Bügel holt, um es anzuprobieren, "ich bin über die Facebook-Seite von Romani Design her gekommen. Die ist großartig, mit schönen Bildern. Die intensiven Farben, die Motive, vor allem die Rosenmotive, die ganze Idee - wirklich großartig."
    Umgerechnet 80 Euro kostet ein Kleid von Erika Varga im Schnitt, für Touristinnen aus dem Ausland günstig, für ungarische Kundinnen viel Geld. Erntet sie in der Roma-Community nicht auch Kritik dafür, Traditionen zu nutzen, um damit bei wohlhabenden Kundinnen Geld zu machen?
    "Nein, solche Kritik habe ich noch nie gehört. Alles was ich aus der Roma-Gemeinde höre, ist, dass sie stolz sind, dass ich eine Art Aushängeschild bin. Und ich versuche über die Sozialprojekte etwas zurückzugeben."
    Erika Varga spricht mit ruhiger, überlegter Stimme, ohne Überschwang oder Selbstüberschätzung. Doch wenn sie durch ihre Räume führt, den Schmuck und ihre selbst entworfenen Kleider zeigt, das Werbematerial, das sie bisher entwickelt hat, wird klar, wie sehr sie für ihre Sache brennt.
    In der neuesten Kollektion bewegt sich Erika Varga erstmals weg vom Einarbeiten wiederverwendeter, 30, 40, 50 Jahre alter Roma-Stoffe, es dominieren von ihr selbst entwickelte farbige neue Motive auf schwarzem Grund.
    "Und irgendwann", sagt sie zum Schluss mit einem Lächeln, "kommt auch eine Männerkollektion. Aber Schritt für Schritt: erst mit Kleidern, Röcken, Oberteilen, Schals und Schmuck für Frauen noch mehr Erfolg - dann sind die Männer dran."