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Unistandort Luxemburg
Hochschule statt Hochofen

Die geplante Lockerung des Bankgeheimnisses lässt Luxemburg über neue Geschäftsmodelle nachdenken. Ausgerechnet die noch junge und anfangs umstrittene Hochschullandschaft soll das Großherzogtum nun für die Zukunft fit machen.

Von Tonia Koch | 06.01.2014
    Als Rolf Tarrach, ein Spanier mit deutschen Wurzeln, 2005 mit der Aufgabe betraut wurde, universitäre Strukturen in Luxemburg aufzubauen, war die Skepsis groß. Bis dahin hatten die Luxemburger ihre Landeskinder ins Ausland geschickt, um der Enge des kleinen Landes zu entgehen. Aber das Argument, dass eine Gesellschaft dafür sorgen müsse, dass die junge Generation nicht abwandert, habe ein Umdenken bewirkt, erinnert sich Tarrach. „Wenn sie diese Gruppe von jungen Leuten zwischen 18 und 25 nicht hier haben, dann verlieren sie eine Gruppe von Menschen, die sehr kritisch sind und natürlich auch durch ihrer Kritik sehr innovativ sind, weil sie mit den Ideen der jungen Leute kommen und das ist sehr wichtig für ein Land, vor allem für ein Land, das reich ist und sehr konservativ.“
    Eine Milliarde Euro hat Luxemburg in die Hand genommen, um im Süden des Landes in Esch Belval, da wo einst die Schlote der Stahlindustrie rauchten, eine cité des sciences, eine Stadt der Wissenschaft aus dem Boden zu stampfen.
    Die Silhouetten der Hochöfen haben die Stadtplaner stehen lassen als Zeugen des industriellen Erbes des Landes. Viele haben bereits vergessen, dass über Jahrzehnte Kohle und Stahl die wirtschaftliche Basis des Landes bildeten. Erst als der Niedergang der Montanindustrie nicht mehr aufzuhalten war, öffnete sich das Großherzogtum für die Finanzindustrie. Und nun soll die Wissenschaft ein Gegengewicht setzen zu den dominanten Banken und Fondsgesellschaften, die in der Krise gezeigt haben, wie anfällig sie sind. „Na, ja, die Zukunft ist die Wissensgesellschaft und das wird dort sein, wo in Zukunft die wirtschaftlichen Erträge herkommen, wo Arbeitsplätze geschaffen werden und das fängt mit der Forschung an. Wir hatten ja bislang fast keine öffentliche Forschung in Luxemburg, sind aber jetzt bestrebt uns auf ein erstklassiges Forschungsniveau zu hieven.“
    Weltweites Werben um Wissenschaftler
    Marc Schiltz ist Direktor des nationalen Forschungsfonds. Er hat den Auftrag, überall auf der Welt Wissenschaftler für das Projekt zu begeistern. In den Laboren arbeiten bereits 130 Spezialisten. Einer davon ist Rudi Balling. Der langjährige Leiter des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig bereut seinen Schritt nicht. Die Bedingungen für Forscher könnten nicht besser sein. „Hier in Luxemburg ideal. Es ist Vieles noch nicht da. Das heißt. wenn ein neues Gebiet kommt, Gentechnologie, in der Regel nimmt man dann die Gesetze vom Nachbarland. Aber sehr schnell, sehr flexibel, Also, ich kann hier sehr viel schneller arbeiten als in Deutschland.“
    Die Biotechnologen sind als erste am alten Stahlstandort Belval eingezogen. Wenn sie über ihre Apparaturen, Beschleuniger und Zentrifugen hinweg blicken, dann schauen sie auf ein rot glänzendes Bankgebäude, einen Hochhauskomplex, der bald die Hochschulverwaltung aufnehmen soll und eine neue Campus- Allee. Sie wird von einem Einkaufszentrum, einem Sportzentrum, Cafés und Restaurants gesäumt. Im Moment wirkt all das jedoch noch irgendwie zu groß geraten. Ein wenig seelenlos. Aber das wird schon, beschwichtigt Projektmanager Jürgen Primm. "Die Seele kommt mit den Menschen. Das muss die Zeit jetzt bringen, wie weit die Seele dann auch nachhaltig funktioniert. Das ist immer bei neuen Stadtvierteln das Problem, es ist alles neu und wirkt ein bisschen kalt.“
    Noch stehen die studentischen Quartiere so gut wie leer, die künftig einmal 7.000 Studierende aufnehmen sollen – natürlich nicht nur Luxemburger, sagt der Rektor Rolf Tarrach. “Die Wirtschaft hier braucht mehr und mehr Absolventen mit Diplom in Jura, in Wirtschaftswissenschaften, Ingenieure und wir wollen diese Leute aus dem Ausland holen. Und das machen wir auch. Über 50 Prozent unserer Studierenden sind Ausländer.“
    Doch es wird dauern, bis das Leben hier tobt, denn der komplette Umzug der Universität, der für dieses Jahr geplant war, verzögert sich um einige Monate und wird wohl erst 2015 erfolgen.

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