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Unternehmen machen Medien
Mit Inhalten auf Kundenfang

Immer mehr Unternehmen setzen auf journalistische Inhalte und Formate, um Kunden für ihre Produkte zu interessieren. Kritiker sehen darin jedoch eine Vermischung von Journalismus und Werbung. Und sie sehen noch ein grundsätzliches Problem: die desolate finanzielle Situation des unabhängigen Journalismus.

Von Brigitte Baetz | 28.05.2017
    Werbetafeln von eBay und anderen Unternehmen auf dem Times Square in New York.
    Viele Unternehmen setzen schon lange nicht mehr nur auf klassische Werbung, sondern finanzieren eigene Magazine und Websites mit Inhalten, die scheinbar nichts mit ihrem Geschäft zu tun haben. (imago / Levine Roberts)
    "Herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe von Gadget Inspectors. Wir haben wieder feine Sachen bekommen, Sophia, von Vodafone, vielen Dank dafür. Und zwar Smart Glasses. Was haben wir denn da? Wir hätten…"
    Produkttest mit den Gadget-Inspectors. Gadget bedeutet ebenso Warenprobe wie auch technische Spielerei.
    "Und was die so können mit Augmented Reality und anderem verrückten Kram, das finden wir heute im Tagesverlauf heraus."
    Der You-Tube-Kanal Gadget-Inspectors ist perfekt zugeschnitten auf eine junge Zielgruppe, die sich für die neuesten Spielereien der Kommunikations- und Technologiebranche begeistern kann. Produziert wird die Mischung aus Information und Unterhaltung von der Firma Rocket Beans, die sich im Internet einen Namen gemacht hat mit Spiel- und Comedyshows, oder wie die Macher es selber nennen: mit "popkulturellem Nischenfernsehen".
    "Also ich muss sagen, ich hab ja die Movario getestet und ich muss sagen, in dem App-Store ist fast nichts, also es gibt kaum Apps…"
    Journalismus, Apps und Spiele - alles von Vodafone
    Finanziert werden die durchaus produktkritischen Gadget-Inspectors aber nicht von Rocket Beans sondern von Featured.de, dem "Magazin für digitale Kultur", einem Online-Portal des Telekommunikationsanbieters Vodafone. Featured.de betreibt darüber hinaus auf seiner Seite ein eigenes Radio, stellt Apps, Spiele und Testberichte vor. Es ist eindeutig und ausdrücklich gekennzeichnet als Vodafone-Portal, allerdings mit dem Anspruch, journalistisch zu arbeiten. Unternehmensjournalismus – kein ganz neuer Trend, denn Kundenmagazine oder Mitarbeiterzeitschriften kennt die Wirtschaft seit langem. Doch unter der Bezeichnung Content Marketing wird er nun in der Werbebranche als neue Methode gefeiert, die anzeigenmüden Kunden über Umwege neu für die Unternehmen zu gewinnen.
    "Die Konzerne bezeichnen Content Marketing gerne als Unternehmensjournalismus, deshalb, weil es eine journalistische Anmutung hat, Content-Marketing-Formate oftmals auf den ersten Blick zumindest für den Nutzer nicht deutlich unterscheidbar sind zu dem, was wir als klassischen Journalismus kennen."
    Lutz Frühbrodt, Professor für Fachjournalismus und Unternehmenskommunikation an der Hochschule Würzburg/Schweinfurt:
    "Aus meiner Perspektive heraus, aber nicht nur aus meiner, sondern aus der Perspektive der Wissenschaft heraus, handelt es sich bei Content Marketing allerdings mehr um verkappte Werbung, ja? Es ist ein Ersatz für klassische Werbeformate, wie beispielsweise Spots. Content Marketing hat so als Leitspruch: 'Don´t talk about products, talk around products', um so nicht die zu verkaufenden Produkte und Dienstleistungen anzusprechen, sondern eben halt drum herum zu reden und sich zu bewegen publizistisch."
    Nicht direkt werben, sondern drumherum reden
    Als besonders geschickt im "Drumherum reden" gilt Curved.de. Das Internetportal für alles, was auf dem großen Feld von Internet- und Kommunikationstechnologie angeboten wird, ist – anders als Featured.de von Vodafone – nicht auf Anhieb als Produkt eines Unternehmens zu erkennen. Nur ganz unten auf der Seite findet sich der Hinweis: "Eine Initiative der E-Plus-Gruppe". Der Unterschied in den Nutzerzahlen spricht eine eindeutige Sprache. Curved.de gilt als eine der beliebtesten Internetadressen für alle, die sich für neue Entwicklungen auf dem Markt interessieren. Matthias Schrader ist der Mann hinter Curved.de. Der Chef der Digitalagentur Sinnerschrader verteidigte auf der Cebit 2015 sein erfolgreiches, aber auch umstrittenes Modell mit den geringen Werbeeinnahmen, die sich online generieren lassen. Zu einem großen Teil fließen sie in die Kassen der amerikanischen Internetriesen wie Google oder Facebook.
    "Die Advertiser verdienen immer weniger am Ende des Tages an den Kunden, weil immer mehr Geld aus dem großen Staubsauger Silicon Valley abgesogen wird und woanders landet. Und jetzt ist die strategische Frage: Was mache ich jetzt als Advertiser eigentlich und eine Antwort ist, dass wir eine eigene Content-Destination aufbauen, eine eigene Reichweite aufbauen wollen. Ich muss eine eigene Medienmarke aufbauen, ich brauche eine gestandene Redaktion, ich brauche guten Content, den ich mit viel Aufwand halt produziere, um überhaupt ne Chance zu haben."
    Kunden werden über Inhalte gelockt
    Content – also: Inhalt – ist wichtig, um die Kunden auf die Internetseite des Unternehmens zu locken. Nutzwert und Unterhaltung für den Leser stehen dabei an erster Stelle, die Werbung für das Unternehmen ist zunächst einmal zweitrangig. Es geht darum, mit journalistischen Inhalten die Marke des betreffenden Unternehmens – wie es in der Werbesprache heißt - "positiv zu besetzen2. Im Falle von Curved.de spielt zur Durchsetzung des Geschäftsinteresses noch nicht einmal mehr das Unternehmen selbst eine entscheidende Rolle. Wichtig sei, so Agentur-Chef Matthias Schrader, mit Hilfe von Verbraucherjournalismus ein Klima zu schaffen, das die Nutzung von mobilen Kommunikationsmitteln fördert.
    "Ein Mobilfunker verkauft keine Smartphones. Das Geschäftsmodell hängt nicht am Smartphone. Sondern es hängt an den Tarifen. Das intrinsische Motiv des Mobilfunkers ist, dass der User am Ende des Tages das beste Smartphone bekommt, denn nur, wenn er das beste Smartphone hat, wird er es halt lieben, wird er es nutzen und wird am Ende des Tages Datentarife letztendlich halt verbrauchen."
    Content-Marketing bedeutet also Werbung durch die Hintertür statt klassischer Anzeigenschaltung. Der Medienwissenschaftler Lutz Frühbrodt hat in einer Studie für die Otto-Brenner-Stiftung die Kommunikationsstrategien der deutschen Dax-Unternehmen untersucht und festgestellt, dass sie alle verstärkt auf diese neue Werbeform setzen, die nicht sofort als Werbeform erkannt werden soll.
    "Die Zahlen sind noch nicht so ganz eindeutig, was die Werbewirksamkeit betrifft, aber ganz grundsätzlich herrscht in der Branche mittlerweile so was wie ein Common Sense, ein allgemeiner Erkenntnisstand vor, dass klassische Werbung längst nicht mehr so gut wirkt wie das beispielsweise noch vor zehn Jahren der Fall gewesen ist. Die Nutzer haben sich ein so genanntes Persuasionswissen angeeignet. Das bedeutet, dass sie wissen, dass sie mit Werbebotschaften überredet werden sollen, sich für etwas zu interessieren und dieses Produkt oder diese Dienstleistungen dann auch schließlich zu kaufen. Wie reagieren die Nutzer? Sie reagieren damit, dass sie abschalten im doppelten Sinne. Also, dass sie entweder halt z.B. den Fernseher ausschalten oder eben halt einen Adblocker installieren oder sie schalten eben schlicht und ergreifend mental ab."
    Journalisten aus der ersten Liga für den Inhalt zuständig
    Also, so die Erkenntnis der Unternehmen und Werbetreibenden, braucht man ein neues Konzept, eine Methode, wie man die Mediennutzer wieder aufmerksam machen kann auf die Produkte, sagt Kommunikationsexperte Lutz Frühbrodt.
    "Da kommt dann die Idee ins Spiel, mit so genannten nützlichen oder Nutzwert-Inhalten den User auf seiner Costumer-Journey anzulocken, d.h. also auf seinen mehreren Stationen, die er beim Kauf eines Produktes zurücklegt, vom ersten Interesse, über Netzrecherchen, dann ersten konkreten Produktrecherchen, usw., usf., dass er auf seiner Costumer-Journey an bestimmten so genannten Touchpoints, schöne Marketing-Sprache, dann von den Unternehmen direkt angesprochen wird, aber auf eine Art und Weise, wo subkutan versucht wird, den User und Konsumenten in eine bestimmte Richtung zu ziehen."
    Und: Die Analyse der besuchten Artikel auf ihren Internetseiten informiert die Unternehmen darüber, welche Interessen ihre möglichen Kunden haben. Um diese Kunden mit interessanten, gut geschriebenen Artikeln auf ihre Internetseiten aufmerksam zu machen, rekrutieren die Unternehmen zunehmend auch Journalisten aus der ersten Liga der Medienbranche. Manfred Bissinger, selbst einst Chefredakteur von Konkret, vom Stern und von der inzwischen eingestellten Woche, verantwortet heute unter anderem das Magazin des Chemieriesen Evonik. Solange eindeutig sei, was Werbung und was journalistischer Inhalt sei, hat er mit Content Marketing kein Problem. Im Gegenteil: Content Marketing ermögliche guten Journalismus, weil beispielsweise…
    "…ein Jahr, bevor überhaupt die Flüchtlingswelle losgegangen ist, dieses Magazin sowohl über Migration berichtet hat als auch hinterher über Integration. Viele der Dinge, die später gedruckt worden sind, sind in diesem Magazin vorweggenommen worden und es ist nicht so, dass die Firmenleitung da irgendwelche Interessen hätte, sondern die wollen Themen diskutieren und sie wollen sich mit diesen Themen identifizieren und deshalb geben sie dafür Geld aus."
    Für viele problematisch: die desolate finanzielle Lage des unabhängigen Journalismus
    Das Chemieunternehmen Evonik profiliert sich allerdings damit auch als Firma, der die großen öffentlichen Anliegen und damit das Wohl der Allgemeinheit am Herzen liegen. Manfred Bissinger glaubt, dass Content Marketing für Journalisten Arbeitsfelder bereitstellt, die anderswo schon längst abgebaut worden sind.
    "Uns macht es halt Spaß, weil die Lage der Presse und der Magazine und der Zeitungen ist ja nicht besonders rosig und wir sind mit diesen Magazinen in der Lage, auch interessante Beiträge zu beauftragen und zu drucken und damit auch Kollegen Arbeit zu verschaffen."
    Doch in der desolaten finanziellen Lage des unabhängigen Journalismus sehen viele Kritiker des Unternehmensjournalismus gerade das Problem beim Trendthema Content Marketing.
    "Ich bin nicht gegen Content Marketing in dem Sinn, dass man sagt, man entwickelt eigene neue Formate, um die Menschen direkt ansprechen zu können."
    Johannes Vetter, Sprecher des österreichischen Mineralöl-Konzerns OMV.
    "Also ein Unternehmen auch wie unseres, das nicht im Jahr 2017 Filmformate oder eigene Blogs und so weiter entwickelt, ist wahrscheinlich nicht in unserer Zeit. Meine Kritik geht eigentlich dahingehend, dass Content Marketing mittlerweile ein bisschen ist wie so der verbotene Apfel, an dem man genascht hat, auftritt, um sich den Journalismus zu ersparen.
    D. h. wenn ich das Gefühl habe, ich muss eigentlich nicht mehr über lästige Medien meine Botschaften in der Öffentlichkeit platzieren, das kann ich doch alles selber am besten auch tun, dann habe ich ein großes Problem. Weil erstens wird der Journalismus über sein Geschäftsmodell nicht mehr finanziert werden und zweitens, wenn es dann erstmal in einer Krise ist und ich ein Problem habe, dann wird es niemanden mehr geben, der glaubwürdig über mich berichtet."
    Kritischer Journalismus könnte dauerhaft erschüttert werden
    Wie Hans-Peter Siebenhaar, Redakteur beim Handelsblatt, in seiner Zeitung schrieb, droht die Gefahr, dass der kritische Journalismus vom Content Marketing dauerhaft erschüttert wird.
    "Während viele Redaktionen von Zeitungen, Magazinen, aber auch Hörfunk- und Fernsehsendern ausgedünnt werden, wächst eine Armada von PR-Strategen. (…)
    Auch wenn beim professionellen Content-Marketing der Bezahler von scheinbar journalistischen Beiträgen ordnungsgemäß genannt wird – für den Nutzer verschwimmen die Grenzen immer mehr. Für ihn wird es immer schwieriger, zwischen Information und Reklame zu unterscheiden. Am Ende steht ein medialer Brei."
    Der Kommunikationswissenschaftler Lutz Frühbrodt nennt das Aufbrechen der Schranken zwischen Marketing und redaktionellem Inhalt Entgrenzung.
    "Entgrenzung bedeutet, wenn wir es mal ganz grob fassen, dass es immer mehr Triebkräfte gibt, die den klassischen Journalismus, den klassischen Nachrichtenjournalismus, zersetzen und seine Konturen eben auch aufweichen. Da gibt es verschiedene Dynamiken, bestimmte Entwicklungen, die eben halt in diesem Zeitraum sich zugetragen haben. Das fängt damit an, dass beispielsweise Internetzugangsportale, GMX, T-Online und wie sie alle heißen, quasi-journalistische Inhalte auf ihre Startseiten gestellt haben. Und überhaupt eben im Netzuniversum viele Inhalte in einem Format daher kommen, wo man denken könnte als nicht so ganz gut informierter Nutzer, das hat irgendwie was mit Journalismus zu tun. Ist es aber nicht. Im Regelfall ist es PR."
    Artikel werden inhaltlich auf Werbekunden zugeschnitten
    Am Content Marketing interessiert sind aber nicht nur Werbetreibende und die Industrie. Auch die Medienunternehmen selbst setzen aufgrund sinkender Werbe- und Abo-Erlöse auf die Einnahmequelle Content Marketing. Und zwar nicht nur, indem sie Tochterfirmen gründen, die für Unternehmen Mitarbeiterzeitungen erstellen oder Sonderveröffentlichungen umsetzen. Native Advertising, auch Branded Content genannt, verspricht den Kunden einen Werbeeffekt durch bezahlte Texte. Genauer gesagt: Die Werbekunden bezahlen für journalistischen Inhalt, bzw. erstellen selbst eigene Artikel. Gekennzeichnet werden diese Artikel mit den unterschiedlichsten Begriffen: "Branded Content" z.B., "Shopping List" oder "Sponsored Posts". Letztere nutzt Ze.tt, das junge Portal der Wochenzeitung Die Zeit. Rita Orschiedt ist "Head of Branded Content" bei Ze.tt. Ihre Abteilung kreiert Artikel in Absprache mit den Kunden.
    "Also, eine journalistische Kompetenz ist schon mal eine sehr, sehr gute Grundvoraussetzung. Wenn man versteht, wie Inhalte aufgebaut sind, wie man zielgruppenorientiert schreibt und einfach was eine gute Geschichte ist, da hilft es einfach, diese journalistischen Kenntnisse zu haben. Vielleicht kann man sogar so weit gehen, zu sagen, dass Journalisten in dem Fall die besseren Werber sind. (….) was ich hier brauche, ist eine Kenntnis der Zielgruppe, ich muss wissen, für wen ich die Inhalte schreibe, damit sie auch gut funktionieren können."
    Ein solcher Inhalt wäre z.B. eine Geschichte mit dem verlockenden Titel: "Warum Abschreiben manchmal hilfreich ist." Gesponsort wurde dieser Artikel von den Hochschulen Sachsen-Anhalts. Der Inhalt, kurz gefasst: Naturwissenschaftler haben sich ihre Erkenntnisse schon früh aus der Natur abgeschaut. Heute widmet sich die Wissenschaft von der Kybernetik der Übertragung von natürlichen Systemen auf künstliche Anwendungen. Und wo kann man Kybernetik studieren: an der Universität Magdeburg.
    "Was ich mache, ist ganz klar Werbung. In unserem Haus ist es ein ganz, ganz wichtiger Faktor, dass die Redaktion und die Vermarktung voneinander getrennt ist und unabhängig voneinander arbeitet. Die Storytelling-Möglichkeiten, die wir aber auf unserer Plattform haben, stellen wir dieser neuen Werbeform zur Verfügung. D.h. wir haben innerhalb der Beiträge vielerlei Spielraum, ne tolle multimediale Geschichte zu erzählen. Wir können Bildergalerien erstellen, wir können Quizze erstellen, wir können Umfragen einbauen, Infografiken hinzufügen. D.h. damit, mit diesen Tools von der Redaktion, kann ich ganz individuell auf die Kundenziele eingehen."
    Sprecher des Mineralkonzerns OMV: Medien und Unternehmen belügen sich selbst
    Im zuvor beschrieben Fall war das Werbung für die Universität Magdeburg, verpackt in einen interessanten und unterhaltsamen Artikel, der auch ohne Werbeabsicht auf einem Jugendportal wie Ze.tt hätte vorkommen können. Rita Orschiedt betont, wie wichtig es sei, Werbung und Redaktion zu trennen, auch wenn sie selbst in den gleichen Räumen wie die Ze.tt-Redaktion sitzt.
    "Wenn Sie mal bei Ze.tt waren, dann leuchtet Ihnen ein oranger Button auf den Sponsored Posts entgegen. Da steht entweder Sponsored Post oder Sponsored Video oder Anzeige drin. Im Beitrag haben wir nochmal eine Seite hinterlegt, die genau erklärt, welche Werbeformen wir auf Ze.tt nutzen und warum wir das tun. "
    Trotzdem bleibt das Problem, dass die bezahlten Artikel ja die gleiche Anmutung haben sollen wie die anderen Beiträge auf dem Ze.tt-Portal. Nur so werden sie mit genau der gleichen Aufmerksamkeit gelesen wie die der Ze.tt-Redaktion. Johannes Vetter, Sprecher des österreichischen Mineralöl-Konzerns OMV, glaubt, dass sich hier zwei Gruppen selbst belügen: zum einen die Medien, die glauben, dass die Vermischung von Redaktion und Marketing ihnen nicht schaden wird und zum anderen die Unternehmen, die mit dazu beitragen, unabhängigen Journalismus zu ersetzen. Mit reiner Kennzeichnung sei es nicht getan.
    "So einfach ist das erstens nicht. Es gibt mittlerweile Studien von Eliteuniversitäten in den USA, wo selbst zwei Drittel der Elite-Absolventinnen und –Absolventen nicht mehr unterscheiden können, was ist gezahlter und was ist journalistischer Inhalt und zweitens ist ja das Problem nochmal nicht, dass man Content Marketing in dieser Form betreibt, sondern dass man sich dadurch versucht, den Journalismus zu ersparen. Wenn ich mir den Journalismus ersparen will, bedeutet das, dass dem Journalismus auch keine Werbegelder mehr zufließen und dass dadurch die Qualität des Journalismus leidet und damit wir eines Tages ohne Journalismus dastehen. Das werfe ich durchaus einigen Kolleginnen und Kollegen in der Branche vor, dass das nicht zu Ende gedacht ist, was wir hier machen."
    Unterminieren also Content Marketing und Native Advertising den Journalismus? Finanziell und moralisch? Sie selber sagen immer, dass es da Brandmauern gibt zwischen den Redaktionen.
    Lars Frühbrodt, Professor an der Hochschule Würzburg/ Schweinfurt:
    "Als jemand, der selber lange Zeit journalistisch gearbeitet hat, weiß ich, dass diese Brandmauern auch mehrmals brandgefährlich werden können oder dann nicht mehr in diesem Maße vorhanden sind, also, wenn man z.B. gleichzeitig Beilagen produziert mit quasi PR-Texten."
    Allerdings lebte der kommerziell finanzierte Journalismus immer schon von und mit Werbung. Eine Gefahr der Abhängigkeit und des Verschwimmens der Grenzen war immer gegeben. Der Unterschied zu früher: Unternehmen und PR-Industrie sind inzwischen materiell und personell um einiges besser aufgestellt als die um Aufmerksamkeit und Werbeeinnahmen kämpfenden Medienunternehmen.