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US-Präsidentschaftswahl
"Über Gerechtigkeit muss auch in Deutschland gesprochen werden"

Dem unterlegenen Präsidentschaftsbewerber der US-Demokraten, Bernie Sanders, sei es gelungen, die Gräben in der Partei zuzuschütten, sagte Knut Fleckenstein (SPD) im DLF. Niemand habe es für möglich gehalten, dass ein 74-Jähriger in den USA ein ganzes Stadion fülle. Auch die SPD brauche so einen charismatischen Politiker.

Knut Fleckenstein im Gespräch mit Peter Kapern |
    Knut Fleckenstein, EU-Abgeordneter der SPD
    Knut Fleckenstein, EU-Abgeordneter der SPD (picture alliance/dpa/Markus Scholz)
    In seiner kämpferischen Rede habe Sanders sowohl Unmut über die E-Mail-Affäre der Parteiführung der US-Demokraten geäußert als auch nach vorne gesehen, sagte der SPD-Politiker, im DLF. Fleckenstein ist als Beobachter vor Ort. Ob Sanders damit alle Delegierten überzeugt habe, Hillary Clinton zu wählen, bezweifle er jedoch. Einige von ihnen hätten sich skeptisch gezeigt, ob Clinton die Erwartungen erfüllen könne. Dennoch hält Fleckenstein es für möglich, dass vom Parteitag der Demokraten in Philadelphia eine positive Botschaft ausgehen kann. Insgesamt herrsche die Stimmung vor: 'Wir wollen es gemeinsam schaffen.'
    Die US-Demokraten seien erfolgreich darin, ein Bild zu zeichnen, wonach es den USA gutgehe und das Land auf dem richtigen Weg sei. Der Kritik der Republikaner stellten sie die Ansicht gegenüber, dass das Land nach der Präsidentschaft George W. Bushs im internationalen Ansehen wieder gestiegen sei. Die Demokraten versuchten auch, den richtigen Umgang mit dem republikanischen Kandidaten Donald Trump zu finden. Fleckenstein warnte davor, nur zu wiederholen, dass Trump mit maßlosen Übertreibungen und Forderungen provoziere. "Man muss sich auch mit den Inhalten auseinandersetzen." Das gelte auch für den Umgang mit populistischen Bewegungen in Deutschland.
    Fleckenstein ergänzte, auch die SPD brauche einen Politiker, der eine klare Linie habe wie Sanders. Ein Spitzenkandidat, der charismatisch sei und ein Stadion füllen könne, sei bei den Sozialdemokraten willkommen.

    Peter Kapern: Eigentlich gelten sie ja als Großmeister der politischen Inszenierung, die beiden großen Parteien in den USA. Aber derzeit läuft bei ihnen ja einiges aus dem Ruder. In der letzten Woche, da haben sich die Republikaner förmlich auf offener Bühne demontiert, als Ted Cruz, ein Kontrahent des Präsidentschaftskandidaten Donald Trump, auf dem Parteitag zur besten Sendezeit dazu aufrief, Trump nicht zu wählen. Solche Peinlichkeiten wollten sich die Demokraten eigentlich ersparen, aber dann veröffentlichte Wikileaks E-Mails des Parteivorstands, die belegten, dass der Parteiapparat sich bei den Vorwahlen nicht neutral verhielt, sondern sich auf die Seite Hillary Clintons geschlagen hatte. Und ausgerechnet der unterlegene und benachteiligte Kontrahent Bernie Sanders, der soll nun seine Anhänger hinter Hillary Clinton scharen.
    Bei uns am Telefon ist nun Knut Fleckenstein, SPD-Europaabgeordneter, stellvertretender Vorsitzender seiner Fraktion im Straßburger Parlament und derzeit als Beobachter beim Demokratenparteitag in Philadelphia. Guten Abend, Herr Fleckenstein.
    Knut Fleckenstein: Guten Abend, Herr Kapern! Oder bei Ihnen guten Morgen!
    Kapern: Bei uns guten Morgen, ja! Wir sind da ein paar Stunden voraus. - Herr Fleckenstein, Sie haben gerade die Rede von Bernie Sanders verfolgen können, live in der Halle in Philadelphia. Ist es ihm gelungen, tatsächlich die Gräben zwischen dem Lager seiner Anhänger und dem der Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton zuzuschütten?
    Fleckenstein: Ich glaube, es ist ihm weitgehend gelungen, weil er sowohl seinen Unmut geäußert hat über das, was geschehen ist, als auch versucht hat, den Blick nach vorne zu richten, weil es nun in erster Linie den Demokraten darum geht, alles zu tun, damit Trump nicht Präsident wird. Ich glaube, das ist ihm wirklich ganz gut gelungen mit einer kämpferischen Rede. Ob alle Delegierten, seine Freunde wirklich davon überzeugt sind, wage ich auch noch ein bisschen zu bezweifeln. Ein Rest wird schon da bleiben, weil immer dann, wenn er gesagt hat, mit Hillary Clinton werden wir das alles verbessern können und hinbekommen, was wir uns vorgenommen haben, da gab es dann doch den einen oder die andere, die das ein bisschen in Zweifel gezogen hat.
    Kapern: Ich habe ja vorhin eingangs daran erinnert, wie sehr der Republikanerparteitag in der vergangenen Woche aus dem Ruder gelaufen ist und dort keine Botschaft der Einigkeit der Partei ausgestrahlt wurde. Denken Sie, dass dies den Demokraten trotz der E-Mail-Affäre gelingen wird?
    Fleckenstein: Ich habe den Eindruck nach dem ersten Tag, das kann ihnen gelingen. Ja, ich glaube schon. Auch die anderen Reden heute von Michelle Obama oder von Elizabeth Warren haben sicherlich dazu beigetragen. Ich glaube, insgesamt ist die Stimmung auf dem Parteitag so, wir wollen es gemeinsam schaffen. Aber 100 Prozent kriegt man nie mit und auch in diesem Fall wird es einige Anhänger von Sanders geben, die skeptisch sind, ob ausgerechnet Hillary Clinton ihre Forderungen erfüllen kann.
    "Ich glaube nicht, dass wir mehr Wagenknecht brauchen"
    Kapern: Bleiben wir, Herr Fleckenstein, noch kurz bei Bernie Sanders und seiner Rede. Er hat ja mit seinen linken Thesen vor allem junge Wähler begeistert und mobilisiert. So einen thematischen Jungbrunnen könnte die SPD ja auch ganz gut gebrauchen, angesichts der Umfragen und angesichts der Tatsache, dass Ihnen nach wie vor die Mitglieder weglaufen. Braucht die SPD mehr Sanders oder, um mit einem deutschen Namen zu kommen, braucht die SPD mehr Wagenknecht?
    Fleckenstein: Ich glaube nicht, dass wir mehr Wagenknecht brauchen. Ich glaube auch nicht, dass man Sanders gerecht wird, wenn man ihn mit Wagenknecht vergleicht. Aber jemanden, der eine klare Linie hat, der charismatisch ein Stadion füllen kann, der wäre schon in der SPD auch herzlich willkommen. Das glaube ich schon, ja.
    Kapern: Und selbst als derjenige, der dann nicht Kanzlerkandidat wird?
    Fleckenstein: Ja. Ich glaube, das Besondere ist doch: Kein Mensch hat geglaubt, dass in den USA so etwas möglich ist, dass ein weit über 70-jähriger Mann ganze Stadien mit jungen Leuten füllt. Nein, ich glaube, das Thema Gerechtigkeit ist ein Thema, das wir auch in Deutschland diskutieren müssen, weil es gibt viele Dinge, die dort nicht zum Besten gestellt sind.
    Kapern: Letzte Woche, da hat ja Donald Trump ein eher apokalyptisches Bild der Vereinigten Staaten gezeichnet. Das sei ein Land im Griff von Terror, Mord und Armut. Was setzen die Demokraten Ihrer Auffassung nach, Ihrer Wahrnehmung nach nun dagegen?
    Fleckenstein: Sie setzen dagegen, was in den letzten acht Jahren unter Barack Obama geschaffen worden ist, von Gesundheitsreform über andere Dinge im sozialen Bereich. Sie erinnern daran, wie die Arbeitslosigkeit ausgesehen hat, als der Präsident übernommen hat, und mit welchem Ergebnis er Ende des Jahres dann gehen wird. Insofern zeichnen sie ein Bild, dass dieses Land vorangekommen ist, dass das Ansehen auch in der Außenpolitik wieder gestiegen ist nach George Bush und dass es jetzt darum geht, das weiter fortzusetzen und weiter auszubauen. Nein, sie bemühen sich sehr und ich meine, es gelingt ihnen auch relativ gut, ein Bild zu zeichnen, den USA geht es gut, wir sind auf dem richtigen Weg, aber jetzt kommt es darauf an, das fortzusetzen und auszubauen mit dem, was in der demokratischen Plattform diese Partei jetzt auch in diesen Tagen diskutiert.
    Kapern: Gleichwohl punktet ja Donald Trump mit seinem Populismus bei den Wählern in den Vereinigten Staaten und diese Spielart des Politischen, den Populismus, den gibt es ja auch hier in Deutschland. Der ist ja auch hier gut bekannt und die etablierten Parteien tun sich schwer, danach sich mit den Populisten auseinanderzusetzen. Man hat den Eindruck, sie finden kein richtiges Rezept dagegen. Haben die US-Demokraten schon einen Erfolg versprechenden Umgang mit dem Populisten Trump und seinen populistischen Thesen gefunden?
    Fleckenstein: Ich glaube, dass sie insofern versuchen, einen richtigen Umgang zu finden, weil es ja einige wirklich maßlose Übertreibungen und maßlose Forderungen von ihm gibt, die auch jedem einsichtig sind. Ich warne nur davor, so zu tun, als ob man das nur immer wiederholen müsste, dann werden schon alle merken, dass Herr Trump nicht der richtige Präsident ist. Ich glaube, man muss sich auch mit den Inhalten auseinandersetzen. Aber ich bin sicher, dass das auch noch geschieht im Laufe des Wahlkampfes.
    "Ein Spaziergang wird es auch für Hillary Clinton nicht"
    Kapern: Gleichwohl ist nicht sicher, dass Hillary Clinton tatsächlich als Präsidentin ins Weiße Haus einzieht. In den jüngsten Umfragen führt Donald Trump vor Hillary Clinton.
    Fleckenstein: Ja. Aber ich sag mal so: Ein Spaziergang wird es auch für Hillary Clinton nicht. Sie ist nicht die beliebteste Politikerin aller Zeiten in den USA. Aber richtig ist auch, dass man diese Umfrage zum heutigen Zeitpunkt schwer beurteilen kann, weil die einen haben nach ihrer großen Show sozusagen auf dem Parteitag gepunktet, die anderen haben diese große Show im Moment gerade heute beginnen lassen. Ich glaube, wenn man nach dem Parteitag der Demokraten eine Umfrage macht, wenn beide ihren Parteitag hatten, beide mit ihren Spitzenpolitikern aufgelaufen sind, dann muss man sehen, wie sie zueinander stehen, auch prozentemäßig, und dann kann man vielleicht auch einen fairen Vergleich ziehen.
    Kapern: … sagt Knut Fleckenstein, der SPD-Europaabgeordnete, als Beobachter des Parteitags der US-Demokraten in Philadelphia. Herr Fleckenstein, danke, dass Sie zu so später Stunde Philadelphia-Zeit noch für uns Zeit hatten.
    Fleckenstein: Ich gehe jetzt ins Bett. Guten Nacht!
    Kapern: Guten Nacht, Herr Fleckenstein!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.