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US-Serie "Manhattan"
Die Hybris der Physiker

Hybris, Verrat, Betrug, Spionage - all diese Elemente spielen eine Rolle in der neuen US-Serie "Manhattan" mit John Benjamin Hickey, die nun als DVD und im Stream bei Netflix zu sehen ist. In der Abgeschiedenheit einer Wüstenstadt, deren Umrisse an Manhattan erinnern, liefern sich amerikanische Wissenschaftler in den 40er-Jahren ein Wettrennen um die beste Formel für die erste Atombombe.

Von Michael Meyer | 06.07.2016
    Der Schauspieler John Benjamin Hickey
    Der Schauspieler John Benjamin Hickey spielt die Hauptrolle in der US-Serie "Manhattan". (Imago/ )
    766 Tage vor Hiroshima. Irgendwo in der Wüste, der Wind heult. Ein Mann mit Hut irrt in der Nacht durch die Gegend. Nur ein Auto-Scheinwerfer leitet ihn. So beginnt die Serie "Manhattan".
    Hier, in der Steppe von New Mexico, hatten die Amerikaner seit 1939 begonnen, ein geheimes Forschungszentrum aufzubauen, weit weg von der Zivilisation, fern von neugierigen Spionen oder Journalisten. Hauptfigur Frank Winter, gespielt von John Benjamin Hickey, ist ein trinkender, schlaksiger und nervöser Wissenschaftler. Er und sein Team wetteifern mit dem Physiker Akley um die beste Formel für eine Bombe, genannt "Thin Man". Wer sie am schnellsten bauen kann, gilt als Sieger im Wettlauf um Geld, Anerkennung und den vermeintlichen Ruhm, als Retter der Menschheit zu gelten:
    "Irgendwas stimmt nicht mit Akleys Bombe."
    "Vergiss Thin Man und vergiss Akley! Wir haben sechs Monate hart gearbeitet und uns von Tischabfällen ernährt. Wir wissen, dass unser Entwurf besser ist als der von Akley. Aber wenn Du schlecht vorbereitet versuchst, Oppenheimer zu überzeugen, dann war's das."
    Wissenschaftler auf der Flucht vor Nazis willkommen
    Die Serie setzt ein 1943 - der Zweite Weltkrieg war da schon in vollem Gange. Vom Holocaust wussten die Amerikaner bereits. Ebenso war ihnen bekannt, dass sowohl in Deutschland als auch in der Sowjetunion an atombombenfähigem Material geforscht wurde. Umso willkommener waren den Amerikanern Wissenschaftler, die vor den Nazis fliehen mussten und sich mit der Materie auskannten.
    Der Däne Niels Bohr war einer davon, er hat auch einen kleinen Auftritt in der Serie "Manhattan". Ein weiterer, allerdings fiktiver Jung-Wissenschaftler namens Charlie Issacs kommt im Camp an, und soll dank seiner exzellenten Leistungen an der Uni am Geheimprojekt mitarbeiten:
    " Sie müssen noch Fragen beantworten, jeder Mitarbeiter des Projekts braucht eine Sicherheitsfreigabe."
    "Was ist das Projekt, man hat es mir noch nicht verraten."
    "Das überlasse ich Dr. Akley, sobald Sie unterschrieben haben."
    "Woher weiß ich, was ich da zusage?"
    "Charlie…. Sie werden von der US-Army fürstlich verwöhnt, bis Hitler und die Japsen geschlagen sind."
    Im Gegensatz zum echten "Manhattan-Project", in dem in der Hochphase über 100.000 Menschen lebten und arbeiteten, macht die Serie daraus eine Art kleines Wissenschaftler-Dorf. Die Ehen der Wissenschaftler, so sie denn eine haben, leiden unter der Abgeschiedenheit des Lebens in der Wüste. Die Frauen vertreiben sich den Tag mit nachmittäglichen Trink-Gelagen oder arbeiten als Schreiberinnen oder Telefonistinnen bei der Army.
    Manche zerbrechen an der Abgeschiedenheit in der Wüste
    Manche von ihnen, Männer wie auch Frauen, werden im Laufe der Serie am psychischen Druck und der Abgeschiedenheit zerbrechen. Hauptfigur Frank Winter fängt ein Verhältnis mit seiner mexikanischen Hausangestellten an. Da er sich seiner Frau nicht öffnen darf, erzählt er seiner Liebhaberin, die kein Wort Englisch spricht, vom "Manhattan-Project":
    "Ich muss Dir etwas sagen, wir bauen eine Waffe. Eine Waffe, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. Sie bezieht ihre Energie aus einer Kettenreaktion schneller Neutronen. Wenn sie funktioniert, und sie wird funktionieren, hat sie mehr Zerstörungskraft als alle Bomben in allen Kriegen zusammengenommen."
    "No comprendo, lo siento."
    "Manhattan" hat, auch wenn die Serie wie "Breaking Bad" in New Mexico spielt, nicht so stark Kinoformat mit opulenten Totalen und leuchtenden Farben, im Gegenteil: Die Farben wirken blass und ausgewaschen. Die Eintönigkeit des Wüstenlebens zeigt sich in den Gesichtern der Schauspieler, sogar in der Düsternis der Innenräume. Dabei unterscheiden die Serienmacher in den Dialogen stets zwischen dem Bösen, der Außenwelt - und dem Guten, der Innenwelt des "Manhattan Project".
    Als Zuschauer wird man in die Serie hineingezogen
    Im richtigen Leben gelang es den Amerikanern dort nicht, sich komplett vor Spionen zu schützen, von mindestens drei russischen Spionen weiß man heute. Die Gegenpole USA - Russland sind uns, leider, noch heute erschreckend geläufig, auch deswegen wird man als Zuschauer in die Serie hineingezogen. Allerdings kann man in "Manhattan" keine unschuldige Nostalgie empfinden, in ihr steckt eine finstere Vorahnung. Denn am Ende des "Manhattan-Project" standen Hiroshima und Nagasaki. Die Entwicklung der Bombe dient als Folie für menschliche Hybris und anderer negativer Eigenschaften, die der Krieg hervorbringt.