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USA
Belästigungsvorwürfe gegen bekannte Demokraten

Was als Skandalmeldung im Hollywood-Milieu begann, setzt sich jetzt als politische Krise in Washington fort: Das Kapitol wird von immer neuen Enthüllungen über sexuelle Verfehlungen von Abgeordneten und Senatoren erschüttert. Im Zentrum stehen dieses Mal die Demokraten - aber auch gegen Republikaner werden immer neue Vorwürfe laut.

Von Thilo Kößler | 27.11.2017
    Der Demokratische Senator Al Franken spricht in Philadelphia am 25.07.2016
    Vorwürfe gibt es auch gegen den demokratischen Senator Al Franken. (picture alliance / dpa / Ron Sachs)
    Republikaner und Demokraten mögen für gewöhnlich ganz weit auseinanderliegen – in der Frage der sexuellen Belästigung zeigen beide auffällige Gemeinsamkeiten. Jedenfalls stehen die Demokraten den Republikanern bei Vorwürfen wegen sexueller Verfehlungen in nichts nach – was sie allerdings unterscheidet, ist der Umgang mit diesen Vorwürfen. Der demokratische Senator Al Franken, der vor zehn Tagen mit einem Bild von sich reden machte, das ihn busengrapschend über der schlafenden Radiomoderatorin Leann Tweeden zeigt, gab sich jetzt öffentlich reumütig. In einem Radio-Interview seines Heimatsenders Minnesota Public Radio erklärte er, er schäme sich für dieses Foto, er habe alles Verständnis dafür, dass sich Tweeden verletzt gefühlt habe. Und er freue sich, dass sie seine Entschuldigung angenommen habe.
    Franken gab sich schuldbewusst und er erklärte, die Untersuchung der Ethikkommission des Kongresses aktiv unterstützen zu wollen. Doch zurücktreten von seinem Amt als Senator, das will Al Franken nicht. Er will weiter seinen Job machen, wie er sagte.
    Nun hat es just über das verlängerte Thanksgiving-Wochenende auch eine weitere Lichtgestalt der Demokratischen Partei getroffen – nämlich den dienstältesten Abgeordneten im Repräsentantenhaus, John Conyers. Er sitzt seit 1968 ohne Unterbrechung im Kapitol und hat sich in seiner 50-jährigen Politikerkarriere einen Namen als Anwalt der Bürgerrechte für Afroamerikaner und für die Gleichstellung der Frauen gemacht. Unter dem moralischen Druck der Öffentlichkeit und seiner eigenen Partei legte der 88-Jährige am Sonntag zwar seinen Posten als Vorsitzender des einflussreichen Justizausschusses nieder, nicht aber sein Mandat. Es war die demokratische Fraktionsvorsitzende im Haus, Nancy Pelosi, die sich zunächst für eine Politik der Nulltoleranz bei sexuellen Verfehlungen stark gemacht hatte – dann aber ihren Kollegen Conyers schon fast in Schutz nahm. Er habe stets gute Arbeit geleistet und sei eine politische Ikone, sagte sie in der NBC-Sendung Meet the press.
    Doch auf die Frage, was denn nun von dem Null-Toleranz-Postulat geblieben sei, wand sich Nancy Pelosi und sagte, sie sei sicher, Conyers werde das Richtige tun.
    Trump: kein Vorrang für moralische Erwägungen
    In Widersprüche verheddern sich indes auch die Republikaner – und bei ihnen ist es wiederum der Präsident selbst, der den Ton setzt. Hatte er zu den Vorwürfen gegen den Bewerber auf einen Senatorenposten in Alabama, Roy Moore, noch geschwiegen, legt er sich jetzt mächtig für den höchst umstrittenen Kandidaten ins Zeug. Das Letzte, was man in Alabama gebrauchen könne, sei eine Marionette der demokratischen Parteiführung, die schwach bei der Verbrechensbekämpfung, beim Grenzschutz oder in Militärfragen sei, twitterte Trump am Sonntag.
    Der Präsident gibt dem unbedingten Erhalt der ohnehin schon schwachen republikanischen Mehrheit im Senat den Vorrang vor moralischen Erwägungen – und stellt sich damit nicht nur gegen seine Tochter Ivanka, die für alle Kinderschänder bereits einen sicheren Platz in der Hölle sah. Sondern auch gegen das eigene Parteiestablishment, das Roy Moore den Rückzug von seiner Bewerbung nahegelegt hatte. Somit ist am Ende nur die Frage, gegen welche Seite die nächsten Vorwürfe erhoben werden. Der ehemalige Berater etlicher Präsidenten, David Gergen, ist sich sicher: Der nächste Skandal kommt bestimmt. Die Frage ist nur: wann.