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USA-Experte über Trumps Nordkorea-Politik
"Die Gefahr ist, dass jetzt Vertrauen verloren gegangen ist"

Warum hat der US-Präsident das Treffen mit Kim Jong-un abgesagt? Trump könne einfach "kalte Füße" bekommen haben, vermutet Marco Overhaus, Sicherheits-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik im Dlf. Möglicherweise habe er realisiert, dass die Positionsunterschiede zu Nordkorea zu groß sind.

Marco Overhaus im Gespräch mit Martin Zagatta | 25.05.2018
    US-Präsident Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un sind in einer Kombo auf einem Bild des südkoreanischen Fernsehens zu sehen.
    US-Präsident Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un vor der Gipfel-Absage auf einem Bild des südkoreanischen Fernsehens (dpa-bildfunk / AP / Lee Jin-man)
    Martin Zagatta: Marco Overhaus ist Sicherheitsexperte und auch USA-Experte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. Guten Tag, Herr Overhaus!
    Marco Overhaus: Schönen guten Tag! Ich grüße Sie.
    Zagatta: Haben Sie denn eine Erklärung? Warum hat Trump dieses Treffen jetzt abgesagt?
    Overhaus: Na ja. Eine mögliche Erklärung, um es etwas salopp zu formulieren, könnte einfach sein, dass Trump kalte Füße bekommen hat. Er hat ja im vergangenen März diesem Treffen mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim sehr spontan und auch ohne große Rücksprache mit seinem eigenen Beraterstab und seinem eigenen Apparat zugestimmt. Möglicherweise hat er jetzt doch realisiert, dass die Positionsunterschiede mit Nordkorea doch zu groß sind, und wenn dieser Gipfel im Juni gescheitert wäre, dann wäre das natürlich auch negativ auf den US-Präsidenten zurückgefallen.
    Politik der Extreme
    Zagatta: Also eine Art Notbremse?
    Overhaus: So könnte ich das interpretieren. Es kann auch sein, dass Trump schon länger zu der Erkenntnis gekommen ist. Er hat ja jetzt auch neue Berater, die eine wesentlich härtere Haltung gegenüber Nordkorea haben, Pompeo als Außenminister und Bolton als Sicherheitsberater. Möglicherweise hat Washington jetzt einfach auch noch auf die Gelegenheit gewartet, dieses Gipfeltreffen abzusagen.
    Zagatta: Wie muss man das jetzt einschätzen? Ist das jetzt ein Misserfolg für Trump, diese Absage?
    Overhaus: Na ja, das würde ich so nicht sagen. Ich glaube, entscheidend ist, sich noch mal vor Augen zu führen, dass die USA unter Trump seit dem Amtsantritt von Trump im Grunde eine Politik der Extreme gegenüber Nordkorea gemacht haben. Einerseits gab es noch nie so viele militärische Drohgebärden der USA gegen Nordkorea wie in den anderthalb Jahren bislang unter Trump, aber andererseits hat auch noch nie ein US-Präsident den durchaus mutigen Schritt gewagt, sich zu einem Gipfeltreffen mit dem nordkoreanischen Machthaber zu verabreden. Angesichts dieser großen Pendelschwünge fragt man sich aber natürlich, was kommt dann als nächstes.
    "Eine Politik des maximalen Drucks ist wahrscheinlich nicht sehr zielführend"
    Zagatta: Hätten Sie denn Hoffnungen gehabt, dass bei diesem Gipfel etwas herauskommen kann? Ist das jetzt eine Enttäuschung?
    Overhaus: Ich denke, es ist natürlich schon eine Enttäuschung. Ich hätte mir vielleicht gewünscht, dass dieses Gipfeltreffen etwas weniger schnell vonstattengegangen wäre, etwas weniger schnell angekündigt worden wäre, besser vorbereitet gewesen wäre und dann am Ende vielleicht doch substanzielle Ergebnisse gebracht hätte. Aber natürlich würde jeder Kompromiss mit Nordkorea auch bedeuten, dass man auf die nordkoreanische Seite zugehen muss. Also eine Politik des maximalen Drucks, ohne auch entsprechende Angebote zu machen, ist wahrscheinlich nicht sehr zielführend.
    Zagatta: Ist man jetzt wieder bei null, bei der Konfrontation nach dem Amtsantritt von Trump, oder hat das alles jetzt vielleicht das Verhältnis ein bisschen verbessert oder vielleicht sogar noch verschlechtert? Wie schätzen Sie das ein?
    Overhaus: Ich kann natürlich nicht einschätzen, wie das jetzt weitergeht. Meine Sorge ist schon, dass wir jetzt wieder in die alten Muster vom letzten Sommer, also August 2017 zurückfallen, wo ja beide Seiten, Washington und Pjöngjang sich mit rüdesten Drohungen gegenseitig überzogen haben. Das ist jetzt meine Sorge und die Gefahr ist natürlich, dass jetzt Vertrauen, das aufgebaut wurde, verloren gegangen ist. Nordkorea hat ja zumindest einen symbolischen Schritt gemacht, indem es sein Atomtest-Gelände jedenfalls in Teilen gesprengt hat. Was genau da passiert ist, wissen wir ja nicht. Dann kam die Absage von Trump. Die Gefahr ist schon, dass jetzt das Misstrauen zwischen den USA und Nordkorea eher größer geworden ist.
    Zagatta: Aber wenn ich jetzt ein überzeugter Anhänger von Trump wäre, dann könnte ich ja sagen, Trump droht den Nordkoreanern, und schon hat Nordkorea auch dieses Atomwaffen-Testgelände zerstört. Da hat er doch einiges richtig gemacht.
    Overhaus: Na ja, das ist eine Lesart, die Sie da genannt haben. Eine andere Lesart ist, dass Nordkorea im Grunde aus seiner Sicht erfolgreich sein Atomwaffen- und Raketenprogramm vorangetrieben hat, bis zu einem gewissen Punkt auch beendet hat, und es jetzt Nordkorea darum geht, auch die wirtschaftliche Isolation des Landes aufzuheben, und insofern es gar nicht so sehr die Drohgebärden von Trump waren, die das jetzt ermöglicht haben, sondern auch kaltes nordkoreanisches Kalkül.
    Zagatta: Da hat Trump jetzt aber wieder ein hartes Vorgehen gegen Nordkorea angekündigt, wenn da nicht alle Atomwaffen zerstört werden. Heißt das in der Praxis, es bleibt dabei, die Wirtschaftssanktionen werden nicht aufgehoben? Ist das das große Druckmittel?
    Overhaus: Ja, das ist natürlich das Druckmittel, das ja auch schon besteht, mit internationaler Unterstützung durchaus auch. Aber die Frage ist, ob die USA jetzt auch wieder neben dem wirtschaftlichen Druckmittel, den Sanktionen, auf die militärische Schiene gehen werden. Ich denke, man muss sich vor Augen führen, dass es für die USA – und das gilt nicht nur für die Trump-Administration – weiterhin völlig inakzeptabel ist, dass Nordkorea das Land, also Amerika, direkt mit atomar bewaffneten Interkontinentalraketen angreifen kann. Es gibt unterschiedliche Einschätzungen dazu von Experten, wie weit Nordkorea auf diesem Weg schon gekommen ist, aber das ist eine so angespannte Situation. Jede weitere Provokation, beispielsweise ein Raketentest, birgt da einfach enormes Eskalationspotenzial.
    "Ich befürchte, dass es wieder zu gegenseitigen Drohgebärden kommt"
    Zagatta: Was befürchten Sie da, dass Trump da tatsächlich militärisch eingreift?
    Overhaus: Na ja. Ich befürchte eher, dass es wieder zu gegenseitigen Drohgebärden kommt und erst mal wieder ein Krieg der Worte. Aber dabei ist immer das Risiko, dass Misskalkulationen passieren, dass vielleicht auch Dinge losgetreten werden im militärischen, sicherheitspolitischen Bereich, die eigentlich nicht im Interesse weder der USA, noch Nordkoreas sind, aber die dann einfach passieren. Die Geschichte ist ja voll mit Beispielen, wo es zu Kriegen kam, die eigentlich keiner gewollt hat.
    Zagatta: Da sind Sie nicht sehr optimistisch?
    Overhaus: Nein! Es ist tatsächlich auch sehr schwer, wenn es um Nordkorea geht und das Verhältnis zu den USA, optimistisch zu sein. Ich meine, die Feindschaft zwischen den USA und Nordkorea reicht ja auch schon viele Jahrzehnte zurück. Das jetzt aufzulösen und zu einem Frieden zu kommen, und das auch noch unter Präsident Trump, da muss man schon sehr großer Optimist sein, ja.
    Zagatta: Herr Overhaus, Sie haben uns gesagt, es ist schwierig, jetzt einzuschätzen, wie das weitergehen könnte. Aber den Friedensnobelpreis, den können Trump und Kim jetzt vorerst abschreiben? Oder sehen Sie da noch Chancen?
    Overhaus: Das sind ja zwei Fragen. Ich sehe schon noch Chancen, dass es doch noch mal zu einer Annäherung kommt, dass jetzt nicht die Eskalation notwendigerweise der Weg ist, den wir sehen werden oder auf den wir uns begeben werden. Aber was den Friedensnobelpreis angeht, halte ich es ohnehin nicht für eine gute Idee, amtierenden Präsidenten oder Politikern diesen Preis zu geben, weil man das immer erst mit einigem Abstand beurteilen kann, welchen Beitrag sie dann tatsächlich zum Frieden geleistet haben.
    Zagatta: Einschätzungen waren das von Marco Overhaus. Er ist Sicherheitsexperte und auch USA-Experte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. Herr Overhaus, danke schön für das Gespräch!
    Overhaus: Sehr gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.