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USA
Stilles Gedenken am Ground Zero

2.983 Menschen kamen bei den Anschlägen auf das New Yorker World Trade Center am 11. September 2001 ums Leben. Um an die Geburtstage der Opfer zu erinnern, spendet ein New Yorker Florist wöchentlich einen großen Strauß weiße Rosen.

Von Kai Clement | 11.09.2017
    Ground Zero in New York
    Zu jedem Geburtstag der Opfer der Anschläge des 11. Septembers steckt ein Mitarbeiter des 9/11-Museums eine weiße Rose zu den jeweiligen Namen an der Balustrade. (imago )
    Die Glocke läutet um 8.46 Uhr, als Flug American Airlines Nr. 11 in den Nordturm einschlug.
    Die Glocke läutet erneut um 9.03 Uhr. Flug United Airlines Nr. 175 traf auf den Südturm.
    Angehörige der Opfer verlesen die Namen: es sind 2983. Eine Stadt geht in sich, ein Land hüllt sich in Trauer.
    Das Gedenken an die Ermordeten hat einen Ort und einen Tag, doch die Familienmitglieder trauern nicht nur am 11. September. Es gibt so viel mehr Tage, an denen der Verlust noch ein bisschen mehr schmerzt als sonst.
    Ada Dolch hat ihre Schwester Wendy bei dem Terroranschlag verloren. Schon Wochen vor der Gedenkfeier ist sie zu den beiden kubischen Wasserfällen gekommen, die genau dem Grundriss der beiden Türme entsprechen. In die Brüstungen sind die Namen der fast 3000 Opfer eingestanzt.
    Ada benetzt die Stelle, die ihrer Schwester gedenkt, mit ein wenig Wasser - denn das stehe doch für Leben, so sagt sie dem Stadtsender NY1.
    Ada hat Tränen in den Augen - mit ihrem Besuch ehrt sie den Geburtstag ihrer Schwester.
    Eine weiße Rose an jedem Geburtstag
    Sean Evans blättert in einem fensterlosen Büro der 9/11-Gedenkstätte durch vier dicke Ordner. Auf ihren Rücken steht: Geburtstage Januar bis März, April bis Juni usw. Nicht jeder Angehörige kann für den Geburtstag der getöteten Tochter, des Ehemannes, der Schwester nach Downtown Manhattan kommen.
    Sean Evans aber wird auch ohne sie eine Rose in den ins Geländer gestanzten Namenszug stecken. Es ist das kleine, das stille Gedenken. Tag für Tag. Ohne Bürgermeister und Präsidenten.
    "Es ist zwar nur eine feine, kleine Geste, aber ergreifend. Um uns zu erinnern, dass diese Opfer ein Leben hatten, Geburtstage, genau wie wir."
    Die immer weißen Rosen spendet ein Blumenhändler aus dem Stadtteil Tribeca. Wie jeder New Yorker kann er sich an den Tag des Grauens noch genau erinnern. Er stand vor seinem Geschäft, es war 8.46 Uhr, Flug American Airlines Nr 11. Der Nordturm.
    Keine Sekunde hat er vergessen. Der Aufprall. Der Einsturz. Wieder Aufprall, wieder Einsturz. Eingraviert in sein Gedächtnis für immer. Seine weißen Rosen, ein Teil des kleinen, des stillen Gedenkens.
    "Es ehrt die Opfer. Es wird nie den Schmerz des Verlustes lindern. Aber wenigstens wissen sie, dass wir an sie denken."