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Vatileaks-Prozess
"Die Päpstin" sorgt für Unruhe im Vatikan

Mit der erst 34-jährigen Francesca Immacolata Chaouqui rückt - zumindest in den italienischen Medien - eine Frau immer mehr in den Mittelpunkt eines Prozesses um Geheimnisverrat im Vatikan. Sie war das einzige weibliche Mitglied einer vom Papst eingesetzten Reformkommission. Wie sie in diese Kommission kam, kann heute niemand mehr genau sagen.

Von Jan-Christoph Kitzler | 10.12.2015
    Francesca Immacolata Chaouqui, war Mitglied einer vom Papst eingesetzten Reformkommission im Vatikan. Nun steht sie wegen Geheimnisverrats vor Gericht.
    Francesca Immacolata Chaouqui trifft zu einer Anhörung vor Gericht ein. (picture alliance / dpa / EPA)
    In italienischen Medien wird sie "La Papessa" genannt, "Die Päpstin". Diese Frau regt die Phantasie an – mit ihren schwer zu bändigenden dunklen Haaren, mit Fotos, die von ihr und ihrem Mann, halbnackt, im Internet kursieren – und mit den vielen Gerüchten, die sich um sie ranken. Verbindungen zum Geheimdienst und zu höchsten Kreisen der italienischen Politik soll sie haben, eine sagenumwitterte römische Contessa soll ihre größte Förderin sein. Und weil auch noch finstere Vatikangeheimnisse im Spiel sind, ist die Geschichte perfekt.
    An jedem Prozesstag, wenn sie zum vatikanischen Gericht kommt, warten die Reporter in Scharen und hoffen, dass sie Sätze sagt, wie diese: "Ich gehe zum Prozess, die wichtigsten Punkte meiner Verteidigung sind, dass ich diese Dokumente nicht übergeben habe. Ich habe nie gegen den Heiligen Vater gehandelt und werde das nie tun. Aber ich werde wie eine Hexe beschrieben – wobei... die Hexenprozesse haben ja hier begonnen."
    Chaouqui sieht sich als Opfer
    Für Francesca Immacolata Chaouqui, gerade erst 34, ist er Fall klar. Die Anklage der Vatikan-Justiz gegen sie ist unbegründet – und sie ist das Opfer. Es geht um brisante Dokumente, die aus dem Vatikan geschmuggelt wurden und aus denen zwei Enthüllungsjournalisten Bücher gemacht haben. Darin kann man vom skandalösen Finanzgebaren hinter den Vatikanischen Mauern lesen.
    Das größte Rätsel ist vielleicht, wie diese Frau so mächtig werden konnte. Sie kam in Kalabrien zur Welt, als Tochter einer Italienerin und eines Franzosen aus Marokko. Jura hat sie studiert und ist PR-Beraterin. Wirtschaftskommunikation nennt sie als ihr Spezialgebiet. Im Juli 2013, da war sie erst 31 Jahre alt, wurde sie in eine achtköpfige Kommission berufen, die die Vatikanfinanzen unter die Lupe nehmen sollte. Chaouqui war die einzige Frau, die einzige Italienerin und bei weitem die Jüngste. Selbst Papst Franziskus weiß nicht genau, wie es zu dieser Berufung, die er als einen Fehler bezeichnet hat, kommen konnte: "Ich bin nicht sicher, wie sie in die Kommission gekommen ist. Ich glaube, wenn ich mich nicht irre, dass Monsignor Balda sie vorgestellt hat, als eine Frau, die die Welt der Geschäftsbeziehungen kennt. Aber ich danke Gott, dass nicht Lucrezia Borgia da ist!"
    Schlammschlacht in den Medien
    Auch besagter Monsignor Balda sitzt auf der Anklagebank. Er und Chaouqui waren früher Freunde, vielleicht Geliebte. Jetzt kämpfen sie über die italienischen Medien eine Schlammschlacht. Darin geht es um Sex, den er zugibt, sie abstreitet mit den Worten, sie werde ihren Mann doch nicht mit einem alten Priester betrügen. Dagegen sprechen Kurznachrichten mit schlüpfrigem Inhalt, die ausgebreitet werden. Er behauptet, sie habe ihn erpresst und unter Druck gesetzt, die Dokumente herauszugeben. Während er als Vatikanbürger in Haft sitzt, tourt Chaouqui durch die italienischen Talkshows. Mit ihrer Version: "Der andere Fehler, den ich gemacht habe, war, dass ich nicht verhindern konnte, dass sich Monsignor Balda auf diese Weise benimmt. Im Moment, in dem Balda diese Passwörter übergibt, damit diese Bücher geschrieben werden, haben wir uns sehr gestritten und das hat unser Verhältnis zerstört."
    Chaouqui ist seit neuestem schwanger – auch das Kind, das sie erwartet nutzt sie zur PR in eigener Sache. Der Prozess im Vatikan, von dem Papst Franziskus wollte, dass er schnell abgeschlossen wird, wird sich noch hinziehen. Und auch die italienische Staatsanwaltschaft hat inzwischen Ermittlungen aufgenommen. Chaouqui soll mit ihrem Wissen auch andere erpresst haben. Sicher ist nur: diese Frau ist noch für die ein oder andere Geschichte gut. Und die italienischen Medien werden sich auf sie stürzen.