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Verfassungsrechtler fordert Verbot von Großspenden an Parteien

Auch wenn es sich nicht beweisen lässt: Bei Großspenden wie der der BMW-Aktionäre an die CDU bleibe immer "ein böser Schein", dass es einen Zusammenhang zwischen dem Geld und dem Handeln der Bundesregierung gebe, kritisiert der Verfassungsrechtler Hans-Herbert von Arnim.

Hans-Herbert von Arnim im Gespräch mit Dirk Müller | 16.10.2013
    Dirk Müller: Die Quandts sind Großaktionäre von BMW. Warum spendet die Quandt-Familie fast 700.000 Euro an die Union? Das alles ohne Gegenleistung? Vielleicht die umstrittene CO2-Richtlinie, von der seit gestern wieder die Rede ist, gegen die sich Peter Altmaier bislang als Umweltminister erfolgreich eingesetzt hat. Darüber wollen wir nun mit dem Verfassungsrechtler Professor Hans-Herbert von Arnim reden von der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer, der seit Jahren die Parteienfinanzierung kritisiert. Guten Tag!

    Hans-Herbert von Arnim: Guten Tag!

    Müller: Herr von Arnim, ist die CDU gekauft?

    von Arnim: Das kann man wohl nicht sagen. Überhaupt ist es fast unmöglich, einen direkten Zusammenhang zwischen dieser Großspende und dem Agieren der Bundesregierung in Sachen Grenzwerte herzustellen. Das ist aber bei solchen Großspenden auch gar nicht das Problem, sondern da bleibt immer ein Geschmäckle, da bleibt immer ein böser Schein, dass da eben doch ein Zusammenhang besteht zwischen dem Geld und dem Handeln der Bundesregierung. Und das sollte eigentlich vermieden werden. Deswegen finde ich wie auch andere, dass Großspenden eigentlich verboten werden sollten, wie das in vielen anderen westlichen Demokratien auch der Fall ist. Dass man Spenden über 50.000 oder maximal 100.000 Euro, sei es von Einzelpersonen, sei es von Unternehmen, einfach untersagen sollte. Das würde dann einer Gesetzesänderung, eine Änderung des Parteiengesetzes bedürfen.

    Müller: Sie sagen, 50.000, 100.000. Das ist dann eine kleine Großspende?

    von Arnim: Okay, das ist immer noch ein gewisser Betrag. Kleinere Spenden, die sich im einstelligen, mittleren einstelligen Bereich befinden, die sind wohl, wenn sie an die Bundespartei gehen, unproblematisch. Sie werden bis zu einem gewissen Betrag sogar auch noch staatlich gefördert, da gibt es dann noch einen Zuschlag drauf. Das sollte durchaus sein. Es gibt ja vier große Bereiche, aus denen die Parteien sich finanzieren: Ein Hauptbereich sind die Mitgliedsbeiträge, ein anderer Bereich sind sogenannte Parteisteuern, die Abgeordnete oder andere Politiker an ihre Partei leisten müssen, sozusagen als Gegenleistung dafür, dass diese ins Amt gebracht werden. Die sind rechtlich und politisch hoch problematisch. Die Spenden haben wir schon erwähnt und als Viertes ein ganz erheblicher großer Betrag an Staatsfinanzierung, in deren Genus die Parteien auch kommen.

    Müller: Reden wir noch mal, Herr von Arnim, über diesen dritten Bereich. Sie sagen, das ist so festgelegt, es gibt vier Einnahmequellen, und Spenden müssen sein. Das leuchtet vielen nicht ein. Warum müssen Spenden sein?

    von Arnim: Na ja, wenn ich ein paar hundert Euro oder auch tausend Euro an meine Partei gebe, dann kann ich mein Interesse, meine Sympathie für diese Partei zum Ausdruck bringen, auch wenn ich nicht Mitglied sein will oder kann. Und das ist unproblematisch, weil das keinen wirklichen Einfluss ausüben kann auf die Bundespartei. Wenn solche Spenden etwa von 2000 oder 3000 Euro gegeben werden an eine lokale Parteigliederung, dann kann man damit schon Einfluss ausüben. Und deswegen plädiere ich dafür, dass Spenden, die an lokale Organisationen der Parteien gegeben werden, sehr viel strenger ins Auge gefasst werden.

    Müller: Also ist es immer nur eine Frage der Dimension, eine Frage der Ebene. Mir leuchtet das noch nicht ein, warum jemand, der spendet – und wir reden mal nicht von zehn, 20, 30 Euro -, das nicht mit einer Gegenleistung, mit einer Erwartung verbindet.

    von Arnim: Ja, das ist sicher so, gerade bei Großspenden. Die werden durchaus nicht uneigennützig gewährt in aller Regel, sondern damit will man auch politischen Einfluss kaufen. Und wenn das überhandnimmt, dann besteht die Gefahr, dass wir keine Demokratie mehr haben, keine Herrschaft des Volkes, sondern wir in Richtung auf eine Plutokratie, eine Herrschaft der Reichen gehen. Aber das betrifft nur Großspenden. Wenn ich an meine Partei 800 Euro spende, an die Bundespartei, dann kann ich damit definitiv überhaupt keinen Einfluss ausüben, sondern dann will ich sie generell unterstützen. Und das halte auch ich für unproblematisch.

    Müller: Aber Sie haben ja eben auf die Frage geantwortet, ist die CDU käuflich, nein, oder ist die CDU gekauft – so war ja meine Frage. Jetzt haben Sie gerade gesagt, dass man doch die Politik dadurch beeinflussen und manipulieren kann. Und dann haben Sie auch noch gesagt, Herr von Arnim, dass ein direkter Zusammenhang nicht herstellbar ist. Dann frage ich Sie jetzt noch einmal, auch nach vielen Gesprächen, die wir hier in der Redaktion, im Bekanntenkreis dann geführt haben, auch gestern Abend: Kann eine Sache eindeutiger sein als diese Sache: dass BMW 700.000 Euro spendet und zur gleichen Zeit die CO2-Richtlinie verhandelt wird, mit dem deutschen Kurs, der sich dann verändert hat, mit dem deutschen Eingreifen?

    von Arnim: Nun, ich sagte ja schon: Das hat nicht nur ein Geschmäckle, sondern da steht auch der böse Schein, dass hier ein Zusammenhang besteht. Und das ist auch der Grund, warum Spenden in dieser Dimension unbedingt verboten gehören. Das Problem ist nur, dass ein solches Verbot die Betroffenen selbst, also der Bundestag und die darin enthaltenen Parteien, beschließen müssen, also in eigener Sache tätig werden. Deswegen bedarf es da ganz besonderen öffentlichen Drucks. Wir erinnern hier noch an eine andere Großspende vor vier Jahren nach der Wahl 2009, als Mövenpick, der Hotelier, da eine Spende bekam und in zeitlichem Zusammenhang gerade damals steuerliche Vergünstigungen für das Hotelgewerbe beschlossen wurden. Und das hat riesige Auswirkungen gehabt, war ein wesentlicher Faktor für den Niedergang der FDP damals.

    Müller: Sie meinen, da war die FDP käuflich?

    von Arnim: Auch da kann man den Zusammenhang nicht herstellen. Wenn ich sage, sie war käuflich, dann bedeutet das ja, dass ein direkter Zusammenhang nachweisbar ist. Und das ist eben das Problem. Deswegen muss man schon in einem Vorfeld ansetzen, wenn der böse Schein besteht, und bei solchen großen Spenden besteht immer der böse Schein. Und erst recht, wenn dann im zeitlichen Zusammenhang damit eine Regierungshandlung zu Gunsten des Spenders gemacht wird. Deswegen muss man solche Großspenden meines Erachtens verbieten. Es reicht meines Erachtens nicht aus, dass sie veröffentlicht werden. Immerhin werden ja Spenden über 50.000 zeitnah veröffentlicht. Und das hat den Sinn, über solche Punkte zu diskutieren, wie wir das gerade tun, und auch im besten Fall den Bundestag dazu veranlassen, eine strengere Regelung zu beschließen.

    Müller: Ich möchte Ihnen das jetzt noch anbieten. In der Auseinandersetzung auch um die Reduzierung dieser Summe – das ist ja genau das, was Sie jetzt fordern – sind dort wenigstens die Linken, die Linkspartei glaubwürdig?

    von Arnim: Diese Großspenden werden ja ganz unterschiedlich gewährt. Vor allen Dingen haben sie bisher die Union, also CDU und CSU, und auch bisher die FDP bekommen, also die wirtschaftsnahen Parteien, während die SPD sehr viel weniger Großspenden kriegt. Ein paar bekommt sie auch.

    Müller: Wenn sie an der Regierung ist, schon.

    von Arnim: Ja, dann auch, aber in eingeschränkterem Maße. Und die Grünen und die Linken bekommen nur sehr wenig. Also das ist eine ziemlich einseitige Geschichte. Von daher auch meine Hoffnung, dass sich dann vielleicht doch jetzt, nachdem die FDP ausgeschieden ist, eine Mehrheit im Bundestag findet, da eine Grenze zu ziehen.

    Müller: Der Speyerer Verfassungsrechtler Professor Hans-Herbert von Arnim bei uns im Deutschlandfunk. Danke für das Gespräch und auf Wiederhören.

    von Arnim: Ich bedanke mich!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.