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Verteidigungspolitik
CSU-Politiker Uhl für weitere Reformen der Nato

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Uhl hält eine weitere Reform der Nato für nötig. Man müsse das Bündnis weiterentwickeln und mehr investieren, sagte Uhl im DLF. Der deutsche Finanzierungsbeitrag in Höhe von 1,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes sei zu niedrig.

Hans-Peter Uhl im Interview mit Sarah Zerback |
    Der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl.
    Der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl. (pa/dpa/Pedersen)
    Der CSU-Politiker, der auch Mitglied im Verteidigungsausschuss ist, mahnte zudem eine bessere Zusammenarbeit an. Es gebe bei den Rüstungsausgaben in Europa einen unerträglichen Wildwuchs. Mit Blick auf die US-Regierung riet Uhl zur Gelassenheit. Die neue Administration formiere sich jetzt. "Das amerikanische Volk hat mit Trump als US-Präsidenten einen Geschäftsmann und keinen Politiker gewählt", betonte Uhl. Er verwies in diesem Zusammenhang auf den neuen US-Verteidigungsminister Mattis, der wisse, "was die Nato wert sei".
    Verteidigungsministerin von der Leyen trifft heute ihren neuen US-Kollegen Mattis in Washington. Der frühere General Mattis hatte die Beziehungen der USA zur Nato als "unerschütterlich" bezeichnet. Präsident Trump hatte seinerseits wiederholt die Zusammenarbeit und Finanzierung der Allianz kritisiert.

    Das Interview in voller Länge:
    Sarah Zerback: Amerika will er wieder groß machen. Die NATO redet er hingegen klein, hat sie als überflüssig und veraltet bezeichnet, als schlicht obsolet. Worte aus dem Mund Donald Trumps, die die Bündnispartner in einige Sorge versetzt haben. Umso größer ist die Hoffnung, dass die neue US-Administration weiterhin auf das gemeinsame Engagement baut, und tatsächlich gibt es erste positive Signale aus dem Pentagon. Dort sitzt seit wenigen Wochen James Mattis, ein Ex-General, der noch am Tag seiner Amtsübernahme im NATO-Hauptquartier angerufen hat. In der kommenden Woche wird er zu persönlichen Gesprächen nach Brüssel und nach München reisen, zum NATO-Gipfel und zur Sicherheitskonferenz. So lange wollte seine deutsche Amtskollegin aber nicht warten und trifft Mattis heute zu Gesprächen in Washington.
    Wir steigen jetzt ein in die Analyse. Mitgehört hat Hans-Peter Uhl von der CSU. Er ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und im Verteidigungsausschuss. Guten Tag, Herr Uhl.
    Hans-Peter Uhl: Ja, grüß Gott.
    Zerback: Kann Ursula von der Leyen die NATO retten?
    Zerback: Die NATO ist nicht zu retten. Die entscheidenden Politiker sind der Meinung, dass die NATO das erfolgreichste Militärbündnis der modernen Geschichte ist, um den derzeitigen Verteidigungsminister Mattis zu zitieren. Die wird nicht zu retten sein, sie bleibt erhalten.
    "Mattis weiß, was die Nato wert ist"
    Zerback: Sie haben ihn zitiert. Mittlerweile kennt James Mattis die ganze Welt auch unter dem Spitznamen "Mad Dog", verrückter Hund. Da wurde er vor seiner Amtseinführung oft als Hardliner bezeichnet. Nachdem wir jetzt hören, wie moderat er da doch klingt, war das verfrüht, war das eine Fehleinschätzung?
    Uhl: Ich glaube, wir müssen bei der ganzen Trump-Administration, vor allem an der Spitze, dem jetzigen Präsidenten, uns immer wieder vor Augen führen, was geschehen ist. Das amerikanische Volk hat sich mehrheitlich einfach keinen erfahrenen Politiker gewählt, sondern einen Geschäftsmann, der keine Erfahrung hat im politischen Geschäft. Und jetzt werden Erfahrungen gesammelt, von Trump selbst persönlich, aber auch von seinen Leuten, und die Administration ist ja gerade dabei, sich zu formieren. Da haben wir den Stephen Bannon als Chefstrategen; man weiß noch nicht, welchen Einfluss er letztlich hat, sicher einen großen. Dann haben wir den Michael Flynn als nationalen Sicherheitsberater und den Verteidigungsminister Mattis. Das sind alles unterschiedliche Figuren mit unterschiedlicher Erfahrung. Bei Mattis handelt es sich um einen langjährigen US-General, der weiß, was die Nato wert ist. Der wird sich hier einbringen und ich hoffe, dass er mit seiner Position durchdringt.
    Zerback: Das klingt nach wirklichem Hoffnungsschimmer. Aber wie groß mag sein Einfluss da sein? Ist das schon abzusehen?
    Uhl: Nein. Wer wirklichen Einfluss bei Trump haben wird, kann kein Mensch voraussehen. Das ist aber auch nicht unüblich. Eine neue Administration braucht einige Monate, um sich zu formieren, und da werden unterschiedliche Personen unterschiedliches Gewicht erlangen. Das kann man nicht voraussagen.
    "Ich halte es für richtig, dass von der Leyen heute nach Washington reist"
    Zerback: Aber einen kleinen oder einen engeren Einblick wird Ursula von der Leyen haben. Wir wissen, dass sie James Mattis schon aus seiner Zeit als General kennt. Sie hat im Vorfeld mit ihm telefoniert, ist jetzt in Washington als zweite Vertreterin der deutschen Regierung vor Ort. Wie eng sind da die Beziehungen?
    Uhl: Die sind eng und gut und ich halte es auch für richtig, dass sie heute nach Washington reist, obwohl sie ihn in einer Woche in München sehen wird bei der Sicherheitskonferenz, gerade um diesen Auftritt der amerikanischen Administration vorzubereiten, damit nicht zu große Irritationen entstehen durch falsche Formulierungen, die dann vielleicht auch falsch übersetzt werden. Bei dem Zitat von Trump, die Nato sei obsolet, dieses Wort kann man im englischen Sprachgebrauch auch anders übersetzen, nämlich die Nato sei reformbedürftig, könne so nicht überleben, und das ist ja auch richtig.
    Zerback: Sie glauben tatsächlich an einen Übersetzungsfehler?
    Uhl: Übersetzungsfehler ist zu viel gesagt, aber man darf auch nicht zu viel hineininterpretieren. Wir müssen auch die NATO weiterentwickeln, so wie wir es ja mit der Europäischen Union auch dringend nötig haben, hier eine Weiterentwicklung zu organisieren.
    "Wenn wir mehr für unsere Sicherheit tun müssen, wird das Geld da sein"
    Zerback: Entwickeln heißt auch mehr Geld reinstecken?
    Uhl: Ja. Das hat mit Trump gar nichts zu tun. Das ist die Forderung aller amerikanischen Präsidenten, dass der deutsche Beitrag von 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu wenig ist. Und da ärgert mich immer Folgendes, das ist den meisten Menschen gar nicht bewusst: Als ich in Washington das letzte Mal war, berichtete mir der Botschafter der Europäischen Union in Washington und fragte, wer gibt am meisten Geld aus für Rüstung. Jetzt sagt jeder Amerika. Und wer an zweiter Stelle? Da denkt jeder an Russland oder China. Und die Antwort lautet: Nein! An zweiter Stelle stehen wir, die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, wenn man diese Ausgaben zusammenzählt.
    Zerback: Und trotzdem zahlen wir gerade mal 1,2 Prozent. Das ist ja nur ein bisschen mehr als die Hälfte von dem, worauf man sich 2014 in Wales geeinigt hat.
    Uhl: Genau.
    Zerback: Und 0,8 Prozent draufstocken, das ist eine Menge Geld.
    Uhl: Das wird auf einen Schlag nicht passieren.
    Zerback: Wo soll das herkommen?
    Uhl: In der Politik ist für das, was überlebensnotwendig ist, immer Geld da. Und wenn wir feststellen müssen, dass wir mehr für unsere Sicherheit, die äußere Sicherheit tun müssen, aber auch die innere Sicherheit, dann wird das Geld da sein.
    "Wir müssen auch in Europa unsere Rüstungsausgaben besser koordinieren"
    Zerback: Es kommt ja auch ein bisschen darauf an, mit wem wir dann ab September in die Regierungsverhandlungen gehen, nicht wahr?
    Uhl: Darauf kann es auch ankommen. Aber noch einmal zurück: Wir müssen auch in Europa unsere Rüstungsausgaben besser koordinieren. Hier ist ein Wildwuchs, der unerträglich ist. Wir müssen - das ist unsere Hausaufgabe - diese vielen Milliarden, die wir ausgeben, abstimmen, koordinieren mit den anderen Bündnispartner, und da ist sehr viel Hausarbeit bei uns in Europa zu tun, neben der berechtigten amerikanischen Forderung, den Betrag von 1,2 Prozent stufenweise zu erhöhen.
    Zerback: Jetzt sind die Finanzen ja nur der eine Punkt. Ein weiterer Punkt ist der gemeinsame Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat. Da verhält sich Deutschland bisher eher zurückhaltend. Da wird von den USA mehr aktives Engagement gefordert. Können wir den Partnern da entgegenkommen, wollen wir das?
    Uhl: Da sehe ich keinen Dissens. Wir sind uns alle bewusst des Umstandes, dass man den Terrorismus, den islamistischen Terrorismus nur gemeinsam, insbesondere durch enge Zusammenarbeit der Nachrichtendienste bewältigen kann. Das ist keine primär militärische Aufgabe. Das ist eine Sicherheitsaufgabe der Nachrichtendienste und der Sicherheitsbehörden im Inland.
    "Trump wird noch öfters spontane Positionen korrigieren müssen"
    Zerback: Das würde Donald Trump sicherlich jetzt verneinen und anders sehen. Er erwartet sehr wohl auch mehr militärisches Engagement.
    Uhl: Ja, aber militärisch ist der islamistische Terrorismus nicht zu besiegen. Auch dieses ist ein Umstand, wo er noch seine spontan eingenommene Position korrigieren muss. Wir erleben das ja heute gerade beim Thema Ein-China-Politik. Trump ist ein Geschäftsmann und kein erfahrener Politiker. Er wird noch öfters spontane Positionen korrigieren müssen, und das ist auch so eine.
    Zerback: Erwarten Sie da klare Worte der Verteidigungsministerin heute?
    Uhl: Ja, das wird unaufgeregt unter vier Augen oder hinter verschlossenen Türen passieren. Das ist ja auch richtig so. Es geht ja nicht darum, dass wir uns gegenseitig in der Öffentlichkeit angreifen. Wir sitzen ja in einem Boot und müssen dieses friedensstiftende Militärbündnis, das wirklich von unglaublicher Bedeutung ist für unsere Welt, die ja aus den Fugen geraten ist, dies müssen wir erhalten, indem wir miteinander reden - da hat Gabriel Recht -, so viel wie möglich, und nicht öffentlich streiten.
    Zerback: Aber manchmal braucht es auch öffentliche Signale, nicht hinter verschlossenen Türen.
    Uhl: Ja, braucht es auch. Aber ich verstehe auch, dass Journalisten sich gerne beteiligen bei dieser Arbeit. Aber zunächst mal müssen die führenden verantwortlichen Politiker miteinander reden.
    Zerback: … sagt der CSU-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Uhl. Besten Dank für das Gespräch.
    Uhl: Danke auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.