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Von der Leyens Bundeswehr
Noch viel aufzuräumen

Durch mehr Familienfreundlichkeit sollte die Bundeswehr als Arbeitgeber attraktiver werden - so der Anspruch, mit dem Ursula von der Leyen 2013 als Verteidigungsministerin antrat. Am Ende dieser Legislatur bleibt noch viel zu tun.

Von Bettina Weitz | 20.07.2017
    Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) nahe der Generalfeldmarschall-Rommel-Kaserne in Augustdorf zu Soldaten.
    Wie modern ist die Truppe? Und wie sehr vertraut sie ihrer Ministerin? Ursula von der Leyen (CDU) vor Soldaten nahe der Generalfeldmarschall-Rommel-Kaserne in Augustdorf in NRW. (dpa-Bildfunk / Bernd Thissen)
    Es war kurz vor Weihnachten 2013, da geschah beim Militär etwas Unerhörtes, sagt Detlef Bald: "Nun kam eine Frau als Minister, Ministerin, was man natürlich in der deutschen Geschichte noch nie gehabt hat."
    Ursula von der Leyen sagte damals: "Ich habe einen gewaltigen Respekt auch davor, weil es in der Tat auch keine leichte Aufgabe ist. Aber das Schöne ist einfach auch, wieder neue Themen zu bewegen. Und da freue ich mich drauf."
    Detlef Bald verfolgt als Militärhistoriker die Politik der neuen Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen aufmerksam: "Eine Ministerin, die vom Militär keine Ahnung hat, die keine Ahnung von der Generalität hat und Admiralität und keine Ahnung hat, was militärische Hierarchien sind. Das hat man sie lächelnd - hohnlächelnd - schnell spüren lassen. Indem man sie als Frühstücksministerin hat sitzen lassen. Ohne eigentliche Kompetenz. Und sie musste sich das Wissen aneignen, sie musste die Bewertung der Vorlagen sich erarbeiten, und das ist das große Handicap gewesen."
    Ex-Familienministerin trug ihre Themen in die Streitkräfte
    Gut zwei Jahre bevor Ursula von der Leyen ins Amt kam, war die Wehrpflicht ausgesetzt worden. Schon vorher hatte die Bundeswehr Mühe genügend Personal zu bekommen, erklärt Detlef Bald, der 25 Jahre lang wissenschaftlicher Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr in München war. Aber nun schrieb sich die neue Ministerin das Thema Personal groß auf die Fahnen:
    "Wir wollen als Arbeitgeber ‚Bundeswehr’ die fähigsten Köpfe bekommen. Und die Truppe kann nur so stark sein, wie die Rahmenbedingungen gut sind. Eine familienfreundliche Bundeswehr ist stärker."
    Als Bundesfamilienministerin hatte von der Leyen den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz eingeführt. Nun trug sie ihre Themen in die Streitkräfte.
    Detlef Bald: "Ja, sie ist angetreten unter großem Gelächter ihrer politischen Kollegen, weil sie sich um soziale Probleme in der Bundeswehr gekümmert hat, sie hat da diese Krippen eingerichtet und sonst Einiges für die Akzeptanz von Soldatinnen getan. Nur: Das war alles ein Teil der Verabredung im Koalitionsvertrag. Im Koalitionsvertrag zwischen SPD, CDU und CSU steht klipp und klar drin, zwei Seiten waren das voll, wie und dass diese Art der sozialen Für- und Vorsorge dringendst eingerichtet werden müsste."
    Bericht von 2011: Fast neun von zehn Beziehungen zerbrachen
    Der Wehrbeauftragte etwa hatte schon in seinem Jahresbericht 2011 angeprangert, dass bis zu 90 Prozent der privaten Beziehungen von Soldaten sich lösten, und zwar verursacht durch die Arbeitsbedingungen. Zu denen gehören etwa eine Unkultur von Überstunden, häufige Versetzungen, fehlende Kitaplätze für Soldatenkinder, wenig wohnliche Kasernen.
    Detlef Bald: "Frau von der Leyen hat gemerkt, sie muss den Mief und das Milieu des Militärischen praktisch berühren."
    Sich um das Wohl der Truppe zu kümmern, war auch ein Weg der Ministerin, Ansehen zu gewinnen. Zeitweise wurde sie sogar als mögliche Bundeskanzlerin gehandelt. Aber in der Truppe sei die Zivilistin, so meint Detlef Bald, "mit Sicherheit nicht von allen anerkannt, vor allem nicht von der höheren Führung."
    Aktuell 800 Plätze bei 180.0000 Soldat*innen
    Heute verzeichnet die Bundeswehr rund zweieinhalb mal so viel eigene Kinderbetreuungsplätze wie zu Amtsantritt der Verteidigungsministerin. Aber insgesamt sind es immer noch weniger als 400 Plätze – bei knapp 180.000 aktiven Soldatinnen und Soldaten. Dazu kommen gerade mal etwas mehr als 400 Platz Belegrechte in externen Kitas. Um soldatisches und ziviles Lebens generell leichter vereinbar zu machen, gelten neue Arbeitszeitregelungen.
    Ursula von der Leyen: "Wenn Menschen hohe Verantwortung tragen – und das ist so bei der Bundeswehr –, dann müssen sie auch eine Chance zur Erdung haben im Alltag. Und diese Balance hinzubekommen, das ist der Auftrag".
    Unteroffizier: "Es gab kaum eine Veränderung"
    Unteroffizier Thomas Getschmann kümmert sich beim Taktischen Luftwaffengeschwader in Neuburg an der Donau um die Wartung von Flugzeugen und um die Ausbildung von Personal dafür. Er sagt zur neuen Arbeitszeitregelung:
    "Es gab kaum eine Veränderung, es wird ein bisschen straffer jetzt natürlich durchgezogen, sprich, man kann nicht immer einfach sagen, 'Hey, ihr bleibt jetzt mal länger, weil wir haben noch zu tun', sondern das ist alles ein bisschen anders zu organisieren. Der Nachweis der Stunden, der Nachweis der Arbeitszeit, alles das, was man auch mal revisionssicher irgendwo niederschreiben muss, das hat sich geändert. Aber für jemanden, der jetzt hier arbeitet so wie ich, ich fang um sieben Uhr früh an und geh um 16.30 Uhr nach Hause, das war vorher auch schon so."
    Kasernen zum Wohlfühlen?
    Auch die Unterkünfte sollten unter Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen attraktiv werden. Kasernen zum Wohlfühlen. Thomas Getschmann betrifft das nicht, er wohnt mit seiner Familie außerhalb. Für Katharina Huber dagegen, die gerade erst seit Anfang des Jahres bei der Bundeswehr ist, steht in ihrer Kaserne ein Bett in einer Zweierstube zur Verfügung. Die ist penibel aufgeräumt, mit zwei Spinden und bisher ohne Fernseher. Da übernachtet sie aber nur, wenn ihre Stubenkameradin auch da ist.
    "Auf Stube ist man dann natürlich schon sehr, sehr einsam. Weil man kennt sich ja doch noch nicht so untereinander in dem Gebäude, bin ja erst seit ein paar Wochen da, und die, die in meinem Gebäude jetzt leben, mit denen hab ich so gut wie nichts zu tun. Man trifft sich mal auf dem Gang, "Guten Morgen", "Mahlzeit", "Guten Abend", aber so kommt man eigentlich nicht zusammen."
    Wenn die Kaserne auch nicht wohnlich sein mag - unbewohnt ist sie nicht, sagt Huber:
    "Die Jungs, die übernachten schon alle da. Bis jetzt hab ich nur Männer gesehen. Also gegenüber direkt ist Männerstube, das hört man auch, die sind lauter. Dann treffen sich alle immer in einer Stube, hauen auf den Tischen rum, so Party halt."
    Wenn sie kann, fährt sie heim
    Wenn sie kann, fährt Katharina Huber heim. Ihr Zuhause ist nah. Da hat sie Glück. Die Standortschließungen bei der Bundeswehr wurden unter Ursula von der Leyen fortgeführt. Weniger Kasernen bedeutet aber zugleich: Weniger Soldaten können heimatnah eingesetzt werden, müssen also öfter umziehen oder mehr pendeln. Katharina Huber ist nicht überzeugt von der Familienfreundlichkeit der Bundeswehr:
    "Man muss auch sehen, dass man bei der Bundeswehr ja versetzt werden kann. Das kann man natürlich nicht so beeinflussen, wohin man versetzt wird. Und dann - ja wenn man dann verheiratet ist, eine Frau hat, die muss sich dann jedesmal wieder eine andere Arbeitsstelle suchen, das ist schon sehr belastend, kann ich mir vorstellen. Oder einen Mann hat oder Kinder hat!"
    Familienfreundlichkeit ist derzeit für Huber allerdings kein Thema.
    "Im Moment steht die Karriere so im Vordergrund, und die Familie - ja, heutzutage kann man mit 38 Jahren auch noch Familie gründen. Das spielt jetzt noch keine Rolle."
    "Ich wollte einfach mal so was richtig Hartes machen"
    Die Endzwanzigerin ist aus einem anderen Grund freiwillig Wehrdienstleistende geworden:
    "Ich wollte einfach mal so was richtig Hartes machen im Leben."
    Dieser Wunsch traf sich mit den Bildern, mit denen die Bundeswehr ihre "Trendwende Personal" bewirbt.
    Ursula von der Leyen: "Heute ist das Signal sehr klar in die Truppe hinein, dass ein Vierteljahrhundert des Schrumpfens der Bundeswehr vorbei ist. Es ist Zeit für die Bundeswehr, wieder zu wachsen."
    Von der Leyens Personaloffensive
    In aktuellen Werbevideos der Bundeswehr robben Rekruten auf Ellenbogen durch den Schlamm. Das hat Katharina Huber nicht geschreckt, im Gegenteil.
    "Ich wollte in erster Linie mal etwas Extremes machen, und da gehört die Grundausbildung dazu, bei der Bundeswehr, ich wollte einen Dienst an meinem Land tun, und natürlich war der Grundgedanke halt da, über die Bundeswehr zu studieren, Offizier zu werden, Karriere machen."
    Sie hatte Mittlere Reife und eine Lehre zur Elektronikerin gemacht und ein paar Jahre in verschiedenen Firmen in ihrem Beruf gearbeitet. Dann hatte es ihr gereicht.
    "Das, was man bei der Grundausbildung erlebt, das erlebt man nirgends. Und so im Nachhinein betrachtet, das war schon eine tolle Zeit, die Grundausbildung. - Im Nachhinein ? - Ja, währenddessen schon auch."
    Da war zum Beispiel das Schießen. Zum ersten Mal in ihrem Leben scharf.
    "Die ganze Zeit vorher, oh, kann ich nicht, geh gleich wieder weg, lauf schreiend davon! Und dann ist der erste Schuss gebrochen, und dann hat sich eigentlich rausgestellt, dass ich ein ziemlich guter Schütze bin eigentlich. Und dass mir das Spaß macht."
    Man muss lernen, in der Truppe zu funktionieren
    Am besten gefielen Katharina Huber die tagelangen Übungen draußen im Gelände.
    "Es hat geregnet. Und wir waren im Alarmposten, die ganze Nacht, waren bis auf die Unterhose nass. Wir hatten ein Lagerfeuer, das war schon gemütlich. Richtig gemütlich da. Wenn man so eine Stunde in der Stellung liegt, dann ans Feuer - die Herrlichkeit!"
    Zu Beginn, erinnert sich Katharina Huber, sei sie bei den Laufübungen immer zurückgefallen. Aber sie ging noch nach Feierabend auf den Sportplatz und trainierte hart. Denn erstens wollte sie sich vor den anderen nicht mehr blamieren. Zweitens:
    "Man muss die sportlichen Einheiten als Gefechtssituation betrachten. Wenn ich jetzt im Gefecht bin, und ich fall ständig zurück wegen meiner sportlichen Leistung, wegen meiner schlechten körperlichen Verfassung, dann müssen mich meine Kameraden mitschleppen. Und das hält man auf Dauer auch nicht lange durch. Die Gruppe oder der Zug ist nur so stark wie das schwächste Glied."
    Wenn einer es nicht packt, müssen alle länger bleiben
    Sie erzählt: Wenn ein Soldat etwas nicht schaffte, musste er üben, bis er es konnte, und wenn es freitags nach Dienstschluss war. Und alle anderen mit ihm: "Natürlich immer alle, also wenn einer was falsch macht, dann sind alle dran, dann bleiben alle länger."
    So hat es auch Thomas Getschmann vor 17 Jahren in seiner Grundausbildung erlebt – und spricht heute sehr positiv darüber: "Dieses Band Zusammenhalt, Kameradschaft, verschweißen, die Gruppe zusammenhalten und das wird dort erledigt, ja."
    Eigentlich war er bloß zur Bundeswehr gegangen, um seine Wehrpflicht abzuleisten. Aber er blieb: "Das, was mich dort behalten hat, das ist was ganz Besonderes, was von Anfang an da war, war der Zusammenhalt. Es ist ein Band. Ein Band, was sich durch die Soldaten und Soldatinnen zieht. Kameradschaft nennt sich das. Man sitzt in einem Boot. Man hilft sich untereinander, und man geht durch alles gemeinsam durch. Das hab ich im Zivilen nicht so erlebt."
    "Aktiv, attraktiv, anders" - auch für Frauen?
    "Aktiv, attraktiv, anders" – unter dem Motto steht die Personalwerbung, oder die "Attraktivitätsoffensive", wie die Bundeswehr sie selbst nennt. Der Militärhistoriker Detlef Bald:
    "In all diesen Idealen, die auch heute da gefordert werden, von den alten Offizieren und Generälen, das sind ja Ideale eines vermeintlich eigenständigen militärischen Milieus, mit eigenen Werten, die sich unterscheiden von der Gesellschaft. Und das heißt umgekehrt für dieses männliche Profil, sie haben große Probleme mit den Frauen. Das sind nicht jetzt die paar sexistischen Skandale, die das bringen, sondern das ist die Frage nach altem Muster: Wofür kämpfe ich? Ich kämpfe für Familie und Vaterland. Das ist das uralte Ideal, über das immer wieder und spätestens beim dritten Bier gesprochen wird. Und das führt dazu, dass tatsächlich die Bundeswehr Soldatinnen kaum zu Offizierinnen ausbildet, ich habe Tagungen erlebt, wo ältere Offiziere ausgeflippt sind, sie sind nicht Offiziere geworden, dass Frauen an ihrer Seite stehen. In der Bundeswehr. Und dieses Problem, obwohl es nun zehn Jahre alt ist, hat die Bundeswehr nicht gelöst."
    Frauenanteil liegt derzeit bei zwölf Prozent
    Am Ende der Amtszeit von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen liegt der Frauenanteil in der Bundeswehr bei zwölf Prozent – je höher die Führungsebene, desto geringer der Anteil.
    Bei Katharina Huber hat es mit der Offizierskarriere erst einmal nicht geklappt. Sie war beim Assessment-Center und hat es – wie weit über die Hälfte der Bewerber – nicht bestanden. Enttäuscht blickt sie durch die bemerkenswert dicken Brillengläser: "Ich wurde medizinisch und psychologisch - wie sagt man da - aussortiert."
    Nun hat sie sich dafür entschieden, im Stabszimmer ihrer Staffel zu arbeiten. Sie, die zur Bundewehr gegangen war, um etwas Hartes, etwas Extremes zu machen, überträgt nun Daten von handgeschriebenen Krankmeldungen und Urlaubsanträgen in den Computer und macht Vermerke. Am Nachmittag kommt sie mal raus aus dem Büro. Da bringt sie den Müll weg. Darauf angesprochen, schaut sie trist: "Jetzt haben Sie mich."
    Wenn sie sich umsieht, nur Computermonitore, Aktenschränke und Formblätter. Eine Waffe hatte sie seit der Rekrutenzeit nicht mehr in der Hand. "Das vermiss ich schon", sagt sie. "Hm."
    Ein realistisches Bild der Truppe: Innendienst, Büroarbeit
    Der Militärhistoriker Detlef Bald beobachtet: "Das Leben in der Bundeswehr bedeutet ja für die meisten Büroarbeit, Büroarbeit und nochmal Büroarbeit." Deshalb fordert er: "Es bräuchte ein klares, realistisches Soldatenbild. Offensichtlich hat man sich in den letzten Jahren zu sehr an einem Kriegermodell orientiert."
    Hauptfeldwebel Thomas Getschmann ist seit 18 Jahren bei der Armee und Berufssoldat. Im Gefecht war er aber nie: "Ich musste nicht schießen. Nein. Zur Übung ja, aber nicht im Rahmen von einer Kampfsituation, nein."
    Dabei war der 39-Jährige viermal im Auslandseinsatz, in Afghanistan und im Baltikum. Aber wie die allermeisten bei der Bundeswehr war er selbst dort nicht außerhalb der Lager unterwegs, sondern im Innendienst. Was er in Ordnung findet.
    "Na ja, also über dieses 'Mensch, der Soldat, der muss unbedingt schießen'-Denken bin ich eigentlich drüber weg."
    Verheiratet mit der Bundeswehr - und mit einer Soldatin
    Mit der Bundeswehr ist er gewissermaßen verheiratet. Seine Frau ist auch Soldatin. Sie habe sich sehr dafür engagiert, dass in der Kaserne eine Kita eingerichtet wird, berichtet Thomas Getschmann:
    "Also mein Privatleben ist schon alleine durch die Beziehung zu meiner Frau sehr durch das Soldaten-Sein geprägt, somit geht uns der Gesprächsstoff nie aus, aber so, im Bekanntenkreis haben wir natürlich auch viele, die - gut, im Freundeskreis, die nicht der Bundeswehr angehören. Wobei das in Neuburg natürlich als Garnisonsstadt schon schwierig ist, weil viele in dem Alter einfach auch hier beschäftigt sind. Und man lernt sich auch hier kennen."
    Nun will der 18-jährige Sohn auch zur Bundeswehr. Das freut Thomas Getschmann: "Weil wir ihm vielleicht auch ein kleines bisschen helfen können mit Informationen. Und er kann sich das alles mal angucken. Kennt auch viele von unseren Freunden. Und dann noch zur Luftwaffe - gut!"
    Von der Leyen 2017: "Die Bundeswehr hat ein Haltungsproblem"
    Außerhalb ihres eigenen Milieus findet die Bundeswehr – trotz Ursula von der Leyens Attraktivitätsoffensive mit zivileren Arbeitszeiten, wohnlichen Unterkünften und Kitas – nach wie vor schwer Personal, um ihre Lücken aufzufüllen, geschweige denn zu wachsen. Und dann sind im Januar dieses Jahres auch noch Umtriebe in der Stauferkaserne in Pfullendorf aufgeflogen und im Mai Franco A., der rechtsextreme Oberleutnant, der sich als Asylbewerber ausgab und mit Gleichgesinnten Terrorakte plante. Da stellte die Bundesverteidigungsministerin fest:
    "Die Bundeswehr hat ein Haltungsproblem, wenn die Vorgesetztenebene die Führung nicht wahrnimmt und die Verantwortung nicht wahrnimmt, die sie müssen. Dann werden Dinge eben aus falsch verstandenem Korpsgeist schöngeredet, es wird weggeschaut."
    Militärs verbitten sich Kritik ihrer Ministerin
    Sie kündigte unter anderem an, die Ausbildung bei der Bundeswehr zu überprüfen und zu reformieren, und sie feuerte Beteiligte. Da war der Aufschrei bei den Soldaten und ihren Interessensvertretungen laut. Die Kritik an der Amtsführung von Ursula von der Leyen reißt seither kaum ab. Doch erst gestern hat etwa das zuständige Verwaltungsgericht Sigmaringen einige der Kündigungen für rechtmäßig erklärt.
    Und der Militärhistoriker Detlef Bald hält den besagten Aufschrei für einen Skandal: "Dass sich jetzt oberste Generale, Drei-Sterne-Generale a.D., hinstellen und sagen, dass sie diese Eingriffe der politischen Führung kritisieren. Dass sie nicht akzeptieren, dass sich die politische Führung in die militärische Hierarchie einmischt. Hier erinnern wir uns an Weimarer Verhältnisse. An Entwicklungen zum Staat im Staat. Dass das Militär nicht will, dass es politisch kontrolliert wird. Diese Eingriffe der Frau von der Leyen waren nicht nur ihr Recht, sondern waren ihre oberste politische Aufgabe. Denn nach Untersuchungen über die Innere Führung wissen wir, dass ein Drittel der Soldaten im Unterricht von Innerer Führung nie etwas gehört hat. Das heißt, es gibt riesige Defizite innerhalb des militärischen Ausbildungs- und Bildungssystems, und darüber muss man nachdenken."
    Bei einer Wiederwahl gäbe es für sie noch viel zu tun
    "Innere Führung" bedeutet: Die Bundeswehrsoldaten müssen sich als Staatsbürger in Uniform begreifen, selber denken und nicht blind Befehle befolgen. Sie haben hinter den Werten des Grundgesetzes zu stehen. Und sie müssen sogar Kameraden anzeigen – wenn die zum Beispiel rechtsextrem sind. Die erste Verteidigungsministerin Deutschlands, die Zivilistin Ursula von der Leyen, die von sich selbst sagt: "Ich würde gerne weiterhin Verteidigungsministerin bleiben" - sie hat also noch eine Menge zu tun, um die Bundeswehr so zivil und attraktiv zu machen, wie sie es angekündigt hat.
    Detlef Bald: "Da gehört eine große Ausbildungsreform hin, von der die Frau Ministerin im Mai noch gesprochen hat, die aber seitdem ganz still in der Ecke - na ja - vergilbt. Die Bewertung von Frau von der Leyen wird sich dann ergeben, wenn man sieht, was sie jetzt tatsächlich tut. Das Urteil über sie wird davon abhängen, wie sie mit diesen Grundproblemen, die aufgetaucht sind, und es sind Grundprobleme der Bundeswehr, jetzt intern umgeht und damit die Perspektive für die nächsten Jahre gibt."