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Von wegen Traumberuf

Jeder dritte deutsche Journalist arbeitet inzwischen freiberuflich. Denn viele Verlage streichen Stellen und stellen keine neuen Redakteure mehr ein. Der Konkurrenzdruck ist deshalb groß und die Einkünfte oft gering.

Von Klaus Deuse | 03.08.2013
    "Es hat mir einfach immer Spaß gemacht, mich mit gesellschaftlichen Themen zu beschäftigen und zu kommunizieren. Es gibt wenige Berufe, die so abwechslungsreich sind wie der Journalismus,"

    sagt Carsten Grün, der lange Jahre für Printmedien gearbeitet hat. Angesichts der Veränderungen in der Medienlandschaft könne von einem Traumberuf jedoch keine Rede mehr sein. Zur Jahresmitte waren bei der Bundesagentur für Arbeit 5.000 Journalistinnen und Journalisten arbeitslos gemeldet. Fast zwölf Prozent mehr als im Vorjahr. Unter dem Strich weist die Statistik rund 9.100 Arbeit suchende Journalisten aus. Zahlen, die Hendrik Zörner vom Deutschen Journalisten-Verband (DJV) als erschreckend bezeichnet.

    "Die zeigen schon, dass im Journalismus die Arbeitslosenquote deutlich höher liegt als in anderen Berufszweigen."

    Die Gründe für den alarmierenden Anstieg der Arbeitslosenquote liegen für Hendrik Zörner auf der Hand.

    "Ich erinnere etwa an die Einstellung der ‚Financial Times Deutschland‘. Und ich erinnere an die Insolvenz der ‚Frankfurter Rundschau‘ und der Nachrichtenagentur dapd."

    Außerdem verloren über 300 Journalisten bei der "Westfälischen Rundschau" ihren Arbeitsplatz. Große Hoffnungen auf eine neue Beschäftigung kann den Betroffenen auch die Bundesagentur für Arbeit nicht machen. So schrumpfte die Zahl der bundesweit offenen Stellen auf lediglich 430. Andererseits bildet diese Statistik nach den Worten von Paul Ebsen von der Bundesarbeitsagentur die Situation auf dem Arbeitsmarkt nicht eins zu eins ab.

    "Nicht jeder Arbeitgeber, jeder Arbeitnehmer sucht den Weg über die Arbeitsagentur. Es werden oft auch andere Wege genutzt, auch Netzwerke werden genutzt, um an Mitarbeiter zu kommen."

    Aber selbst ein noch so dicht geknüpftes Netzwerk garantiert nicht umgehend einen neuen Arbeitsplatz. Ganz abgesehen davon, dass potenzielle Arbeitgeber bei der Qualifikation von Bewerbern die Messlatte sehr hoch legen, weiß auch Paul Ebsen.

    "Sie wissen ja, dass sich die Medienlandschaft verändert jeden Tag. Der Mitarbeiter, der also da wirklich gefragt ist, der soll da so gleichzeitig Wort, Bild, Ton, App bedienen können, seine Informationen aus dem Internet beschaffen. Soziale Netzwerke um Beispiel auch bedienen können, gleichzeitig twittern. Also das, sag ich mal, wäre so die Idealvorstellung."

    Ein multimediales Anforderungsprofil, das nicht jeder erfüllen kann. Außerdem verbindet sich für Carsten Grün damit nicht automatisch journalistische Qualität.

    "Es wird immer oberflächlicher in der Berichterstattung. So eine Art Hauruck-Journalismus."

    Nach Einschätzung von DJV-Sprecher Hendrik Zörner dürfte sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt noch weiter verschärfen. Auch weil weiterhin eine große Zahl junger Menschen unter dem Motto "Irgendwas mit Medien" in den Journalismus drängt.

    "Frei werdende Stellen in Redaktionen, ob im Rundfunk oder in den Printmedien, werden in letzter Zeit nicht mehr besetzt. Und wenn man dann eben sieht, dass mehr auf den Arbeitsmarkt streben, dann ist das natürlich klar, dass das für die extrem schwierig ist, einen Job im Journalismus zu bekommen."

    Angesichts der geringen Aussichten auf eine neue Anstellung tritt so mancher arbeitslose Journalist die Flucht nach vorn an. In die ungesicherte Selbstständigkeit. Paul Ebsen von der Bundesagentur stellt mit Blick auf das vergangene Jahr fest, dass …

    "… jeder vierte Journalist, der sich aus der Arbeitslosigkeit abgemeldet hat, in eine freiberufliche Tätigkeit übergewechselt ist."

    Der DJV beziffert die Zahl dieser Kollegen auf rund 25.000. Das heißt: Jeder dritte deutsche Journalist arbeitet inzwischen freiberuflich. Der Konkurrenzdruck ist entsprechend groß, die Einkünfte sind jedoch oft schmal. Hendrik Zörner:

    "Es gibt leider auch nun mal diejenigen, die im Moment mit 1.500, 2.000 Euro irgendwie über die Runden kommen müssen. Das ist noch nicht mal die Hälfte eines Redakteurgehalts."

    Für Carsten Grün hat es sich finanziell nicht mehr gelohnt. Er hat sich aus dem Journalismus verabschiedet.

    "Die Verlage bieten schlecht bezahlte Redaktionsverträge an, die zwischen 2.000 und 3.000 Euro brutto liegen. Und dafür hab ich auch nicht studiert und volontiert und jahrelang Berufserfahrung angesammelt. Zudem kommen einfach auch immer mehr jüngere Menschen in den Markt rein, die sich anbieten. Und zwar zum Selbstkostenpreis. Darüber freuen sich natürlich die Verlage."

    Journalist ist in Deutschland längst kein Traumberuf mehr.