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Vor 20 Jahren
Der Kampf gegen Ozon beginnt

Es war eine rot-grüne Regierung, die 1994 in Hessen erstmals einen Ozonalarm ausrief. Es war allerdings auch die rot-grüne Bundesregierung, die lediglich schwammige Gesetze schaffte. Auch wenn die Wahrnehmung des Ozon-Problems nachgelassen hat - immer noch werden in Teilen Deutschlands bedenklich hohe Werte gemessen.

Von Regina Kusch | 26.07.2014
    Ein Chinese übt Tai Chi in Shanghai, wo Smog herrscht
    Dieser Chinese macht am Ufer des Bund in Schanghai Morgengymnastik - mittags ist dies wegen hoher Ozon- und Smogwerte weniger gesund. (picture-alliance / dpa / Lai Xinlin)
    "Es kann doch nicht sein, dass die Kinder im Haus bleiben müssen und die Autos draußen spielen dürfen. Es muss genau umgekehrt sein!"
    So argumentierten verunsicherte Eltern, erinnert sich der Bundesgeschäftsführer der deutschen Umwelthilfe Jürgen Resch, als vermehrt bedenklich hohe Ozonwerte in der Luft gemessen wurden, die vor allem bei Kindern, aber auch bei alten Menschen zu Kopfschmerzen, Atembeschwerden sowie Augen- und Schleimhautreizungen führten. Sommer-Smog nannten Wissenschaftler dieses Phänomen, das durch starke Sonneneinstrahlung und die Autoabgase der Blechkolonnen entstand.
    Als am 26. Juli 1994 in Hessen an mehreren Messstellen Ozon Konzentrationen von über 300 Mikrogramm festgestellt wurden, rief die rot-grüne Landesregierung den ersten Ozonalarm in Deutschland aus. Sie ordnete Fahrverbote für Autos ohne Katalysator an und Geschwindigkeitsbegrenzungen von 90 Stundenkilometern auf Autobahnen und 80 auf Landstraßen. Der hessische Umweltstaatssekretär Rainer Baake zog eine positive Bilanz.
    "Die Ozonwerte sind nicht mehr weiter angestiegen, im Gegenteil, sie sind sogar zurückgegangen. Das heißt, die Emissionen, insbesondre aus dem Verkehrssektor müssen gesenkt werden. Aber ... das geht nur dadurch, dass wir für die Mitbürgerinnen und Mitbürger öffentliche Verkehrsangebote, die attraktiv sind, unterbreiten. ... und was wir nachhaltig fordern, ist ein das ganze Jahr geltendes Tempolimit."
    CDU wittert PR-Gag
    Die hessische CDU nannte die Maßnahme einen "missglückten PR-Gag zur Füllung des Sommerlochs". Bundesumweltminister Klaus Töpfer lehnte Geschwindigkeitsbegrenzungen als unwirksam ab. Offenbar hatte er nicht damit gerechnet, dass sich 80 Prozent der Autofahrer tatsächlich freiwillig an die Geschwindigkeitsbegrenzungen hielten - und das, obwohl Überschreitungen nicht bestraft wurden. Angesichts der gesunkenen Ozonwerte diskutierten Umweltverbände und Grüne schon bald über ein dauerhaftes Tempolimit auf deutschen Straßen, zumal ohnehin eine Gesetzesnovellierung anstand. Doch bis heute gibt es in Deutschland kein bundeseinheitliches Sommersmoggesetz wie etwa in Frankreich, Luxemburg oder der Schweiz, kritisiert Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe.
    "Es gibt eine Ozonverordnung, aber das ist ein Muster ohne Wert. Es ist letztendlich 'ne Verordnung, die bei bestimmten Werten eine Information der Bevölkerung bringt, aber die nicht mehr zu konkreten Maßnahmen führt, wie zum Beispiel Fahrverbot. Die Automobilindustrie hat es ausgerechnet unter Rot-Grün geschafft, den Autokanzler Gerhard Schröder in Stellung zu bringen. Der grüne Umweltminister Jürgen Trittin wollte eine verschärfte Nachfolgeregelung beschließen, auf Druck der Automobilindustrie wurde dieses 1999 gestoppt und dabei ist es geblieben."
    Weil erhöhte Ozonwerte immer lokal auftreten, liegt die Verantwortung für den Ozonschutz auf Länderebene. Doch die Verordnungen sind so kompliziert und die Hürden für einen Ozonalarm so hochgelegt, dass er praktisch ausgeschlossen ist. Die Bundesregierung hat sich darauf verlassen, dass sich das Problem durch Änderung von Kraftstoffnormen von selber erledigen würde. So wurde z.B. der Benzolanteil in Benzin von 2,5 auf ein Prozent reduziert. Nach Angaben des Heidelberger Umwelt- und Prognose-Instituts wurden aber im Jahr 2003 in Südwestdeutschland fast zwei Wochen lang ähnlich hohe Ozonwerte gemessen, wie 1994 in Hessen, ohne dass Ozonalarm ausgelöst worden wäre.
    Immer noch hohe Werte
    "Es ist bis heute unstrittig, dass die Ozonwerte im Sommer, in den Monaten Juni bis August viel zu hoch sind, und dass sie sehr stark auch durch den Straßenverkehr zustande kommen, heute durch den hohen Anteil von Dieselfahrzeugen, die immer noch verantwortlich sind. Und es gibt einfach ganz einfache Maßnahmen, an solchen Tagen die Werte zu reduzieren, indem einfach weniger gefahren wird oder langsamer gefahren wird, und dafür waren wir Mitte der 90er weiter."
    Während Nachbarländer mit Fahrverboten und Geschwindigkeitsbeschränkungen reagieren, wird in Deutschland lediglich empfohlen, sich nicht allzu lange im Freien aufzuhalten.
    "Die Bevölkerung hat sicherlich den Eindruck gehabt, die Situation ist viel besser geworden, aber was verändert wurde, war halte einfach: Durch die Nichtverordnung ist dann kein Fahrverbot mehr ausgelöst worden. Das ist doch einfach ein sehr schönes Beispiel, wie man durch eine Veränderung von Gesetzen vermeintliche Erfolge der Umweltpolitik erreichen kann."