Samstag, 27. April 2024

Archiv

Vor 50 Jahren zum Präsidenten gewählt
Salvador Allende - gescheiterter Hoffnungsträger

Er wollte einen demokratischen Weg zum Sozialismus, weckte Hoffnungen auf eine sozial gerechtere Gesellschaft - doch im letzten Regierungsjahr des Präsidenten Salvador Allende versank Chile im wirtschaftlichen und sozialen Chaos. Und ein rechter Militärputsch läutete die lange Pinochet-Diktatur ein.

Von Victoria Eglau | 04.09.2020
    Der chilenische Präsident Salvador Allende 1971 in Santiago, Chile
    Charismatisch und volksnah: Salvador Allende war ein Hoffnungsträger der einfachen Leute (picture alliance / AP Photo)
    1970, Präsidentschaftswahlkampf in Chile: Der Sozialist Salvador Allende tritt für das breite Linksbündnis Unidad Popular an. Allende, von Beruf Arzt, hat zu jenem Zeitpunkt bereits eine lange politische Karriere hinter sich und bewirbt sich zum vierten Mal für das Präsidentenamt.
    "Allende war Minister, Abgeordneter und Senator gewesen. Er war ein großartiger Redner, charismatisch und volksnah, ein Hoffnungsträger der einfachen Leute. Und: Allende war ein überzeugter Demokrat", sagt der Historiker Manuel Vicuña von der chilenischen Universidad Diego Portales.
    Kampf gegen wirtschaftlichen Imperialismus
    Gut ein Jahrzehnt nach dem Triumph der kubanischen Revolution strebte Salvador Allende für Chile einen eigenen Weg zum Sozialismus an. Einen Weg über die Wahlurnen.

    "Innerhalb der Gesetze der bürgerlichen Demokratie, der liberalen Republik können wir die Institutionen verändern", zeigte sich Allende in einem Interview mit dem Filmemacher Roberto Rossellini überzeugt.
    Bei der Präsidentschaftswahl am 04. September 1970 trug er mit 36,6 Prozent der Stimmen einen knappen Sieg über den Konservativen Jorge Alessandri davon. Am 24. Oktober kürte der chilenische Kongress Salvador Allende zum ersten demokratisch gewählten sozialistischen Präsidenten der Welt.

    "Allendes Programm basierte auf dem Kampf gegen den wirtschaftlichen Imperialismus und die nationale Bourgeoisie, die er für die Armut und Ungleichheit in Chile verantwortlich machte. Mit seinen Reformen wollte er die demokratische Beteiligung und die Rechte der Unterschicht, an erster Stelle die der Arbeiterklasse, stärken."
    Verstaatlichung der Kupfervorkommen großer Erfolg
    In seiner dreijährigen Amtszeit stieß Salvador Allende auf viele Hindernisse. Die USA torpedierten seine Regierung, und die Sowjetunion und Kuba sahen den "chilenischen Weg zum Sozialismus" mit Skepsis. Außerdem gab es in Allendes Koalition, der Unidad Popular, Konflikte zwischen gemäßigten und radikalen Kräften. Der größte Erfolg der Regierung war die Verstaatlichung der riesigen Kupfervorkommen, zu Lasten vor allem US-amerikanischer Firmen. Alle Parteien im chilenischen Parlament stimmten dafür.
    "Der Präsident sprach vom Kupfer als dem 'Lohn Chiles'. Denn aus dem Kupferbergbau bezieht der Staat einen großen Teil seiner Einnahmen, die etwa in die Sozialpolitik fließen."
    Wirtschaftliche Krise und Militärputsch
    Allendes Regierung verstaatlichte weitere Industrien, trieb eine Agrarreform voran, fror die Preise für Grundnahrungsmittel ein und verbesserte die Gesundheitsversorgung der Armen. Die Löhne der Arbeiter stiegen. Doch nach der zunächst positiven Wirtschaftsentwicklung begannen sich Ende 1971 die Staatsfinanzen drastisch zu verschlechtern, die Inflation stieg in schwindelerregende Höhen und Lebensmittel wurden knapp.
    Proteste gegen Allende, seine Reformen und die sich verschärfende Krise nahmen zu. Im Oktober 1972 legte ein fast einmonatiger Streik der Lastwagenbesitzer Chile lahm, der von der CIA finanziell unterstützt wurde und dem sich auch andere Berufsgruppen und die Opposition anschlossen. In den folgenden Monaten eskalierte die politische und soziale Konfrontation immer weiter, bis sich 1973 ein Teil des Militärs von Allende abwandte und putschte.
    "Die Unterstützung der USA war fundamental, aber das heißt nicht, dass Washington die chilenischen Militärs wie Figuren auf dem Schachbrett des Kalten Krieges bewegte. Die USA kollaborierten, aber die Chilenen hatten das letzte Wort."
    Glaube an den Sozialismus über den Tod hinaus
    Als am 11. September 1973 die Luftwaffe den Präsidentenpalast bombardierte, wandte sich Allende ein letztes Mal an die Chilenen, bevor er sich das Leben nahm.
    "Die sozialen Prozesse lassen sich nicht durch Verbrechen und Gewalt aufhalten. Die Geschichte gehört uns, und es sind die Völker, die sie machen."