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Wahl in Großbritannien
Britische Wirtschaft mit eindeutigen Sympathien

Heute wählen die Briten ein neues Parlament. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen wird vorausgesagt zwischen Konservativen und der Labour-Partei. Dabei ist ziemlich klar, wen die Wirtschaft am liebsten in der Downing Street sähe. Gibt es schon Nervosität in der Finanzmetropole London?

Von Jochen Spengler | 07.05.2015
    Großbritanniens konservativer Finanzminister Osborne hat noch einmal davor gewarnt, dass ein Erfolg der Labour-Partei den Aufschwung gefährden und die Finanzmärkte beunruhigen werde. Doch von Aufregung ist in der City of London selbst zumindest nach außen hin nicht viel zu spüren; geradezu typisch ist die Haltung von Martin Gilbert, Chef von Aberdeen Asset Management, des größten Geldanlage-Hauses in Europa.
    "Ich glaube die Märkte sind ziemlich entspannt, auch wenn ich sicher bin, dass die Politiker sie gar nicht so entspannt mögen. Die Wettbüros hatten schon beim schottischen Referendum recht und jetzt signalisieren sie seit Wochen ein Parlament ohne klare Mehrheit für eine Partei und die Märkte akzeptieren das."
    Was sie aber wohl weniger akzeptieren dürften, wäre eine lang anhaltende Hängepartie nach der Wahl, eine schwache Minderheitsregierung oder die Aussicht auf Neuwahlen. Und dass die City unter der Oberfläche durchaus nervös ist, zeigt das Klettern eines wichtigen Indexes für die Schwankungsanfälligkeit des britischen Pfundes auf den höchsten Stand seit fünf Jahren. Martin Gilbert:
    "Märkte mögen keine Unsicherheit, vor allem keine dauerhafte. Aber wir erwarten, dass sich schon Anfang oder Mitte nächster Woche die Lage klärt."
    Britische Wirtschaft wünscht sich die Konservativen
    Was sich noch als eine allzu optimistisch entpuppen könnte.
    Klar ist aber, wen die Wirtschaft am liebsten in der Downing Street sähe. In einer Umfrage unter nahezu 300 Führungskräften börsennotierter Unternehmen haben 89 Prozent angegeben, sie wünschten sich eine Regierung, die von den Konservativen allein oder aber in einer Koalition geführt werde. Ganze 4 Prozent plädierten für einen Labour-Sieg. Stuart Rose vom Lebensmittel-Lieferanten Ocado und als Lord für die Konservativen im Oberhaus:
    "Die Politik, die in den letzten Jahren fünf Jahren von der Regierung verfolgt wurde, schafft Infrastruktur, Umfeld und Vertrauen und die Investment-Plattform, die Unternehmen benötigen. Sie muss fortgeführt werden."
    Vor allem die Senkung des Spitzensteuersatzes und der Unternehmenssteuer, die flexiblen Arbeitsmärkte mit Null-Stunden-Verträgen, die Sparpolitik und der Abbau des Haushaltsdefizits und des Sozialstaats finden den Beifall der Bosse. Dagegen überzeugt sie das Labour-Programm weniger, das vorsieht, umzuverteilen, die Steuern für Reiche zu erhöhen und die Märkte stärker zu regulieren.
    Das Credo von Martin Boliard von City UK, der Interessenvertretung des Londoner Finanzzentrums:
    "Die Lösung der Ungleichheit liegt nicht darin, Menschen stärker zu besteuern, sondern jedem zu ermöglichen, mehr zu verdienen."
    Kompetente Wirtschaftspolitik gefragt
    Und doch, so sagt er, würde die City natürlich auch mit einem Labour-Premierminister Ed Miliband leben können.
    "Am Ende erwartet man eine Regierung, die die Wirtschaftspolitik kompetent managt und keinen Schaden anrichtet. Und auch Ed Miliband wird die City nicht abreißen wollen".
    Außerdem habe sich Labour eindeutig zum Verbleib Großbritanniens in der EU bekannt. Tatsächlich hält die britische Wirtschaft nichts von dem Liebäugeln der Konservativen mit einem Austritt aus der EU und wenig von dem EU-Referendum, dass Premierminister Cameron versprochen hat.
    "Auf lange Sicht ist das natürlich schädlich," gibt Cato Stonex von der Investmentfirma THS Partners zu.
    "Aber kurzfristig wären einzelne Investoren wohl eher verstimmt, wenn es eine von Labour geführte Minderheitsregierung gäbe."
    Zumal einigen Wirtschaftsführern das EU-Referendum im Moment nicht mehr als wirklich reale Gefahr erscheint. Denn alle Umfragen deuten derzeit darauf hin, dass sich eine Mehrheit der Briten für die EU-Mitgliedschaft entscheiden würde.