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Wahl in Mecklenburg-Vorpommern
So viel Heimat war nie

Am kommenden Sonntag wird in Mecklenburg-Vorpommern ein neuer Landtag gewählt. Insgesamt 19 Parteien hoffen auf Sitze im Schweriner Parlament. So unterschiedlich ihre Wahlprogramme auch sind - eines fällt auf: Nie zuvor spielte der Begriff "Heimat" eine so große Rolle wie diesmal.

Von Silke Hasselmann | 29.08.2016
    Ein Wahlplakat der Linke hängt an einem Zaun in Mecklenburg-Vorpommern, darauf der Slogan "Gleiche Chancen im ganzen Land"
    "Gleiche Chancen im ganzen Land" - mit diesem Slogan wirbt die Linke. (Deutschlandfunk / Silke Hasselmann)
    19 Parteien bewerben sich um den Einzug in den Schweriner Landtag, und nie zuvor spielte der Begriff "Heimat" eine so starke Rolle wie diesmal. Das hat auch das Tischlerehepaar Krotz bemerkt. Beide leben seit 66 Jahren in dem langgezogenen Straßendorf zwischen Eggesin, Oderhaff und deutsch-polnischer Grenze und sind sich einig: "Heimat ist da, wo wir uns wohlfühlen, wo wir zu Hause sind. Wir haben saubere Luft, wir haben Wasser, Wald. Hier in Ahlbeck ist meine Heimat. Alles, was man sich wünschen kann, ist hier."
    Klingt gut, vor allem in den Ohren von CDU-Innenminister Lorenz Caffier, der den bisherigen SPD-Ministerpräsidenten ablösen will. "…darum bitte ich Sie am 4. September um Ihre beiden Stimmen für die CDU. Denn Heimat gehört in gute Hände." [O-Ton aus der CDU-Wahlwerbung] Auch auf den Wahlplakaten heißt es "Erfolgreich in der Heimat" oder: "Heimat in guten Händen". Der Grund: "Ich glaube, gerade in Zeiten von Twitter, Facebook ist auch ein Stück wichtig, dass wir noch Bezug zu unserer Region halten. Dass wir nicht vergessen, wo wir hergekommen sind." Außerdem wolle die CDU den Begriff "Heimat" nicht den Rechtsextremisten überlassen, sagt Lorenz Caffier.
    Ein Wahlplakat der CDU in Mecklenburg-Vorpommern wirbt mit dem Slogan "Voller Einsatz für unsere Sicherheit".
    "Voller Einsatz für unsere Sicherheit" - mit diesem Slogan geht die CDU auf Stimmenfang. (Deutschlandfunk / Silke Hasselmann)
    NPD liegt in Umfragen bei 3%
    Tatsächlich ist deren Markenzeichen seit Jahr und Tag der Slogan "Aus Liebe zur Heimat - NPD". Die Landtagswahlplakate zeigen zudem ein angedeutetes Herz. Darin der Spruch "Für Volk und Heimat". Auch im TV-Wahlspot wird erklärt, wer was braucht und was nicht. Stichwort "Asylantenflut", "Asylbetrüger", "Überfremdung": "…Familien brauchen Sicherheit. Rentner brauchen Anerkennung, und unsere Heimat braucht die NPD…" So der bisherige Fraktionschef Udo Pastörs [O-Ton aus der NPD-Wahlwerbung]. In den Umfragen liegt die NPD bei drei Prozent - ähnlich wie 2006 und 2011, als sie letztlich doch über die Fünf-Prozent-Hürde gekommen war. Doch diesmal ist mit der AfD ein neuer Konkurrent im Rennen.
    Auch die hat Heimatliebe und die Erhaltung "unserer norddeutschen Identität" ins Wahlprogramm genommen. Ihre Wahlplakate hingegen senden nur wenige Botschaften aus: "Wählen gehen!" zum Beispiel oder "Gegen die Macht der Parteien. Für unser Land". Die AfD will am Sonntag erstmalig stärkste Kraft in einem Landesparlament werden. Laut Umfrage liegt sie bei 21 Prozent. Die CDU kommt auf 22 Prozent, die SPD auf 27 Prozent.
    Ein Wahlplakat der NPD hängt in Mecklenburg-Vorpommern an einem Zaun, darauf der Slogan "Heimat braucht Kinder - keine Homo-Ehe!"
    Die NPD macht in ihrem Wahlkampf Stimmung gegen die Ehe für alle. (Deutschlandfunk / Silke Hasselmann)
    Die Linke will zurück an die Macht
    Letztere setzt in ihrem Kampf um den Machterhalt ganz auf den seit zehn Jahren amtierenden Ministerpräsidenten Erwin Sellering. "Kurs halten", heißt es auf den Plakaten. Mit dem Begriff "Heimat" hingegen wirbt die SPD nicht. Warum auch, sagt Kultusminister Mathias Brodkorb, der erst Ende Juli ein 7,5 Millionen Euro schweres "Heimatförderprogramm" durchs Kabinett brachte. "Wenn man sich nur daran erinnert, wie die SPD Mecklenburg-Vorpommern eigentlich kulturell aufgestellt ist, wird man sich an den ehemaligen Ministerpräsidenten Harald Ringstorff erinnern, der das ganz stark betrieben hat: Niederdeutschpflege, Brauchtum und alles Mögliche. Wir haben ja auch auf unseren Parteitagen Shanty-Chöre und schunkeln da kräftig mit. Das ist gar nichts Neues."
    Anders die Linke, die von 1998 bis 2006 in einer Koalition mit der SPD regiert hatte und das nun endlich wieder erreichen möchte. Derzeit liegt sie laut Umfragen bei einem Tiefstwert von 14 Prozent. "Drei, zwei, eins und ab!" (Beifall) "Ja, da isses: 'Erster - aus Liebe zu M-V'…" In Warnemünde hat Spitzenkandidat Helmut Holter gerade ein neues Motiv für die überlebensgroßen Werbeaufsteller enthüllt: schwarzer Untergrund, die Botschaften in Weiß und Rot. Eine Farbkombination, die bislang von der NPD verwendet wurde. "Aus Liebe zu M-V" erinnert zudem an deren "Aus Liebe zur Heimat".
    Wahlplakate verschiedener Parteien hängen in Mecklenburg-Vorpommern nebeneinander an einem Zaun.
    In Mecklenburg-Vorpommern bewerben sich 19 Parteien um den Einzug in den Schweriner Landtag. (Deutschlandfunk / Silke Hasselmann)
    Grüne bangen um Verbleib im Schweriner Landtag
    Doch für Helmut Holter könnte nichts ferner liegen als eine Nähe zur NPD. Und was die neuentdeckte Heimatliebe angeht: Ja, dazu habe die Linke kein so gespaltenes Verhältnis mehr wie noch in der ersten Zeit nach der Wiedervereinigung. Leider sei es um den vorpommerschen Teil der Heimat besonders schlecht bestellt: "Vorpommern und das östliche Mecklenburg bleiben hinter West-Mecklenburg zurück. Die Menschen sind länger krank, sind länger arbeitslos, haben weniger Einkommen, weniger Sparrücklagen. Und leider sterben sie auch früher."
    Ähnliches hört man von den Bündnisgrünen, die mit 5 Prozent um ihren Verbleib im Schweriner Landtag bangen müssen, und von der FDP, die bei 3 Prozent liegt. Es ist ein Thema, das auch Tischlermeister Krotz und seine Frau im vorpommerschen Ahlbeck umtreibt. Doch die bekennenden CDU-Wähler werden ihre Stimme diesmal keiner der etablierten Parteien geben. "Die hatten jetzt 25 Jahre Zeit. Aber hier ist ja nichts angekommen. Fast nichts in Vorpommern. Und dementsprechend ist ja auch die Stimmung hier. Also wir sind Protestwähler. Wir wählen die AfD. Man muss ihnen eine Chance geben und denen geben wir jetzt die Stimme."