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Warschau
Demonstrationen für "ein freies und offenes" Polen

"Wir verteidigen die Demokratie" - mit diesem Ruf sind erneut Tausende Menschen in Warschau auf die Straße gegangen. Der Protest richtete sich gegen die polnische Regierung und ihre umstrittenen Reformen des Justiz- und Medienwesens.

27.02.2016
    Demonstranten protestieren in Warschau gegen die Regierung. Viele Menschen schwenken die Fahnen Polens und der EU.
    Demonstranten protestieren in Warschau gegen die Regierung. (AFP/SKARZYNSKI)
    "Wir wollen ein freies und offenes Polen, ein Polen, in dem es Raum für alle gibt", sagte der Vorsitzende des Komitees zur Verteidigung der Demokratie, Mateusz Kijowski. Das Komitee war im November entstanden, nachdem die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit eine Verfassungsreform durchgesetzt und die Befugnisse des Obersten Gerichts des Landes eingeschränkt hatte. Die neuen Regelungen stießen innerhalb Polens, aber auch in anderen Mitgliedstaaten der EU auf Kritik.
    "Wir verteidigen Polen gegen Jaroslaw Kaczinski"
    Die Demonstranten seien außerdem gekommen, "um ein Symbol der polnischen Geschichte gegen den Hass zu verteidigen", erklärte der Vorsitzende der liberalen Opposition, Grzegorz Schetyna. Viele trugen Plakate mit dem Porträt des früheren Präsidenten Lech Walesa. Ihm wird vorgeworfen, in den 1970er Jahren mit dem kommunistischen Geheimdienst zusammengearbeitet zu haben. Manche glauben jedoch, die Vorwürfe seien von seinem langjährigen Widersacher Jaroslaw Kaczinski lanciert worden, dem Vorsitzenden der polnischen Regierungspartei. Sie wollten Polen gegen Jaroslaw Kaczinski verteidigen, sagte Schetyna.
    Walesa selbst weist den Vorwurf zurück, jemals mit der kommunistischen Sicherheitspolizei zusammengearbeitet zu haben. Kürzlich aufgetauchte Dokumente, die das Gegenteil beweisen wollten, seien gefälscht.
    Die Regierung hat viel zerstört
    Unterstützung erhielt die Protestbewegung von der linksliberalen Zeitung "Gazeta Wyborcza". "Wir, das Volk, das sind auch die von uns, die sich nicht mit der Zerstörung der polnischen Demokratie abfinden wollen", schrieb der stellvertretende Chefredakteur Jaroslaw Kurski in einem am Samstag veröffentlichten Kommentar. Die Regierung habe in den bisherigen hundert Tagen ihrer Amtszeit wenig aufgebaut und viel zerstört. "Wir erleben die schlimmste Zeit seit 1989", so Kurski.
    Demokratie weltweit auf dem Rückzug
    Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung ist die Demokratie weltweit auf dem Rückzug. "So drastisch wie noch nie, in so vielen Ländern wie noch nie" seien in den vergangenen Jahren Bürgerrechte eingeschränkt worden, sagte die Projektleiterin für den Bertelsmann-Index, Sabine Donner, dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Besonders bedenklich sei es, dass sogar in halbwegs gefestigten Demokratien autoritäre Tendenzen sichtbar seien. Dazu gehöre auch Polen, heißt es in der Studie.
    Die EU-Kommission hat ein Prüfverfahren zur Rechtsstaatlichkeit in Polen eröffnet. Auf internationale Kritik stießen neben der Verfassungsreform die Ausweitung von Überwachungsmöglichkeiten der Polizei und ein Mediengesetz, das die Regierung über Führungsposten in den öffentlich-rechtlichen Medien entscheiden lässt.
    (mik/am)