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Polen
Präsident unterschreibt umstrittenes Mediengesetz

Nachdem Polens Präsident Andrzej Duda das umstrittene Mediengesetz unterzeichnet hat, kann es in Kraft treten. Es stellt die öffentlich-rechtlichen Sender de facto unter Regierungskontrolle. In der EU hat das Gesetz für Kritik gesorgt, die Kommission will sich nächste Woche mit der Lage des Rechtsstaats in Polen befassen.

Von Florian Kellermann | 07.01.2016
    Andrzej Duda spricht bei einer Pressekonferenz in ein Mikrofon, im Hintergrund die Flaggen Polens und der EU.
    Polens Präsident Andrzej Duda hat das umstrittene Gesetz zur Medienreform unterzeichnet. (picture alliance / dpa / Leszek Szymanski)
    Andrzej Duda hat bisher kritiklos alle Gesetze unterschrieben, die vom neuen Parlament beschlossen wurden. So auch diesmal: Er akzeptierte gleich drei Gesetze im Paket, die aus der rechtskonservativen Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit", kurz PiS, stammen. Neben dem Mediengesetz wird demnach ein neues Beamtengesetz in Kraft treten, und polnische Kinder müssen künftig mit sieben Jahren, nicht wie bisher mit sechs Jahren in die Schule gehen.
    Vor allem das Mediengesetz sorgt seit Wochen für Diskussionen. Vize-Parlamentspräsidentin Malgorzata Kidawa-Blonska von der rechtsliberalen Oppositionspartei "Bürgerplattform":
    "Dieses Gesetz macht den öffentlichen Medien den Garaus. Das ist wohl das am wenigsten demokratische, das am wenigsten europäische Mediengesetz nicht nur in Europa, sondern auf der Welt. Wir werden keine öffentlichen Medien mehr haben, sondern Medien im Eigentum einer einzigen Partei. Ich verstehe, dass der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski sein eigenes Fernsehen will. Dieses Geschenk hat er nun vom Präsidenten bekommen."
    Regierung arbeitet an größerer Reform
    Die Verantwortlichen bei Radio, Fernsehen und bei der Nachrichtenagentur PAP werden nicht mehr aus Auswahlverfahren hervorgehen. Allein der Schatzminister wird künftig über die Posten entscheiden. Er muss seine Entscheidung nicht begründen. Die Verantwortlichen werden auch nicht mehr für eine bestimmte Amtszeit ernannt, der Schatzminister kann sie jederzeit abberufen.
    In der PiS heißt das Gesetz "das kleine Mediengesetz". Denn parallel arbeitet die Partei an einer weitergehenden Reform. Die Medien sollen in nationale Institutionen umfunktioniert werden, voraussichtlich mit einem Direktor an der Spitze. Das zweite Gesetz soll auch ihre Aufgaben neu definieren. So sollen die Medien - den Aussagen von PiS-Politikern zufolge - bei den Zuhörern und Zuschauern eine patriotische Haltung fördern.
    Präsident Duda trete für qualitativ bessere öffentliche Medien als bisher ein, erklärte die Leiterin seiner Kanzlei, Malgorzata Zadurska:
    "Der Präsident hat sich mit den Appellen und Stellungnahmen, die ihn erreicht haben, aufmerksam beschäftigt. Dem Präsidenten liegt auch daran, dass die Medien ihren Auftrag erfüllen, dass sie objektiv und wahrheitsgetreu berichten. Im Moment kann man jedoch kaum behaupten, dass die Medien diese Kriterien erfüllen."
    Außenminister ärgert sich über EU-Kritik
    Einem ähnlichen Prinzip wie das Mediengesetz folgt auch das neue Beamtengesetz, das Präsident Duda heute unterschrieb. Für die Stellen von rund 1.600 führenden Beamten wird es künftig keine öffentlichen Ausschreibungen mehr geben. Sie werden vom jeweiligen Minister ernannt.
    Das neue Mediengesetz stößt auch im Ausland auf massive Kritik. EU-Kommissar Günther Oettinger sprach sich dafür aus, die Regierung in Warschau unter EU-Aufsicht zu stellen. Es müsse überprüft werden, ob sie die Prinzipien des Rechtsstaats verletze.
    Die polnische Regierung reagierte empört, so Außenminister Witold Waszczykowski:
    "So macht man nicht Politik. Kommissar Oettinger hätte das Recht gehabt sich zu äußern, wenn er das ganze Dossier in Händen hätte und den Kontext des verabschiedeten Gesetzes kennen würde. Dann hätte er die diplomatischen Kanäle zur polnischen Regierung nutzen und die Sache aufklären können."
    EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker versuchte inzwischen, die Tonlage zu dämpfen. Die Situation dürfe nicht überdramatisiert werden, sagte er. Er setze auf freundschaftliche und gute Beziehungen zur polnischen Regierung. Ein offizielles EU-Verfahren gegen Polen stellte Juncker als unwahrscheinlich dar.*
    * Am Mittag hatte Juncker gesagt, er glaube nicht, dass es zu Strafmaßnahmen kommen werde. Nach Redaktionsschluss dieses Beitrags kündigte er allerdings an, ein Verfahren gegen Polen einzuleiten. "Wir beginnen eine Prozedur, die wir 2014 erfunden haben", sagte er in Amsterdam.