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Warten auf den Durchbruch

Digitalradios gibt es schon seit den 90er-Jahren. Der große Erfolg blieb aus. Gerade mal 2,7 Millionen Radios mit DAB-Technik stehen in deutschen Wohnungen. Verglichen mit den knapp 130 Millionen Radios mit Ultrakurzwelle, lächerlich wenig. Doch die Digitalradio-Fans wollen die Hoffnung nicht aufgeben.

Von Vera Linß | 24.10.2013
    "Es bleibt dabei: DAB ist tot. Toter geht es nicht."

    Jürgen Doetz, ehemals Präsident des Lobbyverbands des Privaten Rundfunks, VPRT, vor genau vier Jahren auf den Medientagen in München. Was damals wie ein Schlussstrich klang, ist heute obsolet. DAB – mit seinem weiter entwickelten Standard DAB Plus – lebt, versichert Chris Weck, Chef der Rundfunktechnik beim Deutschlandradio, mit einem Blick auf die Verbreitungskarte des Digitalradios.

    "Und da ist mittlerweile schon mehr als 80 Prozent der Bundesrepublik mit Digitalradio versorgt. Das heißt also, die Wahrscheinlichkeit, dass jemand Digitalradio empfangen kann, ist schon sehr hoch."

    Über einen sogenannten bundesweiten Multiplex sind seit August 2011 alle drei Programme des Deutschlandradios und private Anbieter – wie Energy, Kiss FM oder Klassik Radio – in vielen Teilen der Bundesrepublik empfangbar. Bis 2015 soll ganz Deutschland versorgt sein – so das ehrgeizige Ziel. Hinzu kommen die Multiplexe in den einzelnen Bundesländern, über die regionale Angebote ausgestrahlt werden.

    Eine hohe Programmvielfalt ist allerdings nur ein Markenzeichen, mit dem DAB Plus punkten will, erklärt Herbert Tillmann, ehemaliger technischer Direktor des Bayerischen Rundfunks.

    "DAB Plus hat den Vorteil, dass die Signale deutlich stärker komprimiert werden. Sie können mehr Radioprogramme im gleichen Frequenzband übertragen. Zum Zweiten können mit DAB Plus auch multimediale Anwendungen übertragen werden, bis hin zu Grafiken, zu Bildern. Also, DAB Plus ist eine sehr vernünftige Weiterentwicklung um mehr Programme zu übertragen, aber auch zusätzliche Anwendungen beim Kunden zu platzieren."

    Dank der multimedialen Zusatzangebote kann man sein Radio individualisieren, das heißt zum Beispiel: Verkehrsnachrichten auf dem Display abrufen, die genau auf die eigene Fahrsituation zugeschnitten sind. Oder man kann sich Nachrichten aufs Display schicken und sogar vorlesen lassen.

    "Die russische Polizei hat den mutmaßlichen Mörder eines 25-Jährigen gefasst, dessen Tod fremdenfeindliche Randale …"

    Doch weder diese Anreize, noch eine – im Vergleich zu UKW – deutlich bessere, weil rauschärmere Klangqualität, konnten DAB Plus bisher zum Durchbruch verhelfen. Gerade mal 2,7 Millionen Digitalradios stehen in deutschen Haushalten – neben knapp 130 Millionen UKW-Empfängern. Zwar soll sich die Zahl der DAB-Radios bis 2015 auf 10 Millionen erhöhen – so die Prognose. Doch UKW bleibt dominant. Das Problem: Noch fehlt es an wirklich interessanten, zusätzlichen Radioinhalten, die das Umschalten attraktiv machen. Florian Fritsche, Geschäftsführer von Regiocast Digital, das vor Kurzem noch das Fußballradio 90elf veranstaltete, hat einige Ideen.

    "Es gibt darüber hinaus Talkradio, Kinderradio, viele viele Möglichkeiten auch ganz multimedial bestimmte Sachen anzufassen. Da muss man sich in Ruhe Gedanken machen, wirtschaftliche Tragbarkeit herstellen."

    Und genau das ist – zumindest für die privaten Rundfunkveranstalter – das zweite Problem: die wirtschaftliche Tragfähigkeit. Nicht nur, dass mit DAB Plus plötzlich der Konkurrenzdruck steigt, weil mehr Programme auf dem Markt sind. Auch der sogenannte Simulcastbetrieb – das parallele Senden über DAB Plus und UKW – sehen viele als nicht refinanzierbar an. Schließlich müssen sie Investitionen und Übertragungskosten über Werbung wieder hereinholen.

    Deshalb wird immer wieder darauf verwiesen, dass man doch Radio auch über das Internet im individuellen Livestream hören könne. Für Chris Weck vom Deutschlandradio ist das aber keine Alternative – allein aus Gründen der technischen Kapazitäten.

    "Es ist wie bei einer Autobahn: Die Anzahl der Spuren ist begrenzt. So ist es auch im Funkfeld. Die Anzahl der Frequenzen ist begrenzt. Und wenn ich jetzt sehr viel Individualverkehr habe, brauche ich sehr viele Senderstandorte, ich brauch sehr viele Frequenzen und es ist so, dass ich mit einem Radiosystem wirklich in der Fläche alle erreichen kann."

    Und – auch das ist nicht ganz unwichtig – der Hörer muss dafür, hat er sich einmal ein Radiogerät angeschafft, nicht zusätzlich bezahlen.