Dienstag, 19. März 2024

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Welfenschatz
Kritik an Empfehlung der Limbach-Kommission

Die Anwältin Sabine Rudolph hält die Entscheidung der Limbach-Kommission im Fall des Welfenschatzes für falsch. Die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse seien bisher nicht richtig aufgeklärt worden. Die Kommission hatte sich dafür ausgesprochen, dass der Welfenschatz nicht an die Erben zurückgegeben werden muss.

Sabine Rudolph im Gespräch mit Karin Fischer | 21.03.2014
    Ein Kuppelreliquiar im Bode-Museum in Berlin, das Teil des Welfenschatzes ist.
    Die Limbach-Kommission ist dafür, dass der Welfenschatz nicht an die Erben jüdischer Kunsthändler zurückgegeben werden muss (picture alliance / dpa / Stephanie Pilick)
    Die Anwältin Sabine Rudolph hält die Entscheidung der Limbach-Kommission im Fall des Welfenschatzes für falsch. Die Runde hat sich dafür ausgesprochen, dass die Kunstschätze nicht an die Erben jüdischer Kunsthändler zurückgegeben werden müssen. Aus Sicht Rudolphs konnten die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse bisher nicht richtig aufgeklärt werden.
    Karin Fischer: Die Nachwehen der Empfehlung der Limbach-Kommission zum Welfenschatz. Was sagen die Vertreter der Erben? Für die ist der Fall mitnichten abgeschlossen, auch wenn Hermann Parzinger im Deutschlandradio Kultur für seine Seite sagte:
    "Für uns ist der Fall zunächst einmal erledigt. Ich meine, die Limbach-Kommission – und das ist in dem gesamten Prozedere, das Deutschland für die Behandlung von NS-Raubkunst vorgesehen hat, für die Prüfung vorgesehen hat, ist die beratende Kommission durch das höchste moralische Gremium -, die haben das ausführlich umfassend geprüft, und ich denke, selbst wenn die Gegenseite jetzt das gerichtlich anfechten wollte, würden wir dem sehr gelassen entgegensehen. Denn die Argumente, die Belege und die Fakten bleiben auch vor Gericht die gleichen."
    Fischer: Dabei ist der Fall extrem kompliziert und auch heute noch längst nicht vollständig aufgeklärt. Zum Beispiel die Eigentumsfrage, denn beim Verkauf der 42 wertvollen Stücke 1935 an den Staat Preußen war ein Konsortium von jüdischen Kunsthändlern beteiligt, die jeweils nur kleinere Anteile an dem Schatz hielten. Die Sache der Erben des jüdischen Juweliers Hermann Netters wurde noch gar nicht verhandelt; deren Anwältin Sabine Rudolph hatte bei dem Verfahren deshalb nur einen „Gästestatus“. Vor der Sendung habe ich sie gefragt, warum sie die Empfehlung der Limbach-Kommission eine „klare Fehlentscheidung“ nennt.
    Sabine Rudolph: Ja, das ist insofern eine Fehlentscheidung, als die Empfehlung damit schließt, dass wirklich keine Rückgabe an die Erben der vier Kunsthändler - und jetzt kommt es - „etwaige weitere frühere Miteigentümer“ ergehen kann. Hier muss man bedenken, dass in dem Verfahren beteiligt wirklich nur die Erben der vier Kunsthändler waren und eben nicht die Erben der weiteren früheren Eigentümer, insbesondere die Erben von Hermann Netter, der gar nicht in so geringem Maße, sondern mit immerhin 25 Prozent am Welfenschatz beteiligt gewesen ist, und neben Hermann Netter gibt es ja weitere Eigentümer des Welfenschatzes.
    Es gibt noch mal einen großen Anteil von Alice Koch, die auch mit 25 Prozent beteiligt war, und daneben gibt es weitere Miteigentümer, die teilweise noch gar nicht namentlich bekannt sind. Diese ganzen Miteigentümer hatten ja gar nicht die Möglichkeit, ihre Position in diesem Verfahren darzutun, und insbesondere ist im Hinblick auf diese Miteigentümer gar nicht geklärt worden, liegt ein verfolgungsbedingter Verlust vor.
    Fischer: Sind die denn bekannt, die Miteigentümer? Könnte man diese Fragen denn klären, oder ist das gerade das, woran es scheitert? Die Limbach-Kommission argumentiert ja, nur die Gesamtheit der Miteigentümer sei überhaupt berechtigt, die Rückgabe der Sammlung geltend zu machen.
    Ein Sirenen-Aquamanile (um 1230) und ein Löwen-Aquamanile im Bode-Museum in Berlin
    Ein Sirenen-Aquamanile (um 1230) und ein Löwen-Aquamanile sind Teil des Welfenschatzes und sind im Bode-Museum in Berlin zu sehen. (picture alliance / dpa / Stephanie Pilick)
    Rudolph: Richtig. Hier muss man, glaube ich, noch mal trennen, zum einen die Frage, geht es wirklich um eine Restitution des Welfenschatzes. Ich möchte noch mal betonen, seitens der Erben von Hermann Netter ist kein Restitutionsanspruch erhoben worden. Wir haben gegenüber der SPK dargelegt, dass wir die Erben nach Netter vertreten, dass Netter zweifelsfrei – das ist durch Dokumente nachgewiesen – am Welfenschatz beteiligt war, und haben hier auch gesagt, wir müssen noch prüfen, was den verfolgungsbedingten Verlust insofern angeht, als offen ist, ob der Kaufpreis zu Netters freier Verfügung gelangt ist, wobei auch hier zu beachten ist, dass diesen Nachweis im Grunde genommen die SPK zu erbringen hat.
    Die SPK müsste nachweisen, dass der Kaufpreis bei Netter gelandet ist und dass er zu seiner freien Verfügung dort angekommen ist und nicht etwa benutzt werden musste, um Zwangsabgaben zu leisten oder so etwas in der Art.
    Fischer: Das heißt, für Sie geht der Fall noch weiter? Diese wichtigen Fragen, die Sie gerade auch schon angesprochen haben, die konnten aus Sicht der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Bezug auf die bekannten Miteigentümer positiv und zweifelsfrei geklärt werden?
    Rudolph: Nein, ich denke, sie konnten eben nicht geklärt werden. Das zeigt ja auch die Empfehlung der beratenden Kommission. Da heißt es ja, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Kunsthändler und ihre Geschäftspartner über den Erlös nicht frei verfügen konnten. Es ist vielmehr so, dass die SPK nachweisen musste, dass darüber frei verfügt werden konnte, und diesen Nachweis hat die SPK weder im Falle Hermann Netter erbracht, geschweige denn im Falle der anderen Miteigentümer.
    Das ist gar nicht geprüft worden, das ist gar nicht thematisiert worden. Das ist der eine Punkt, was wirklich zu kritisieren ist an dieser Empfehlung der beratenden Kommission, und der andere Punkt ist: Die beratende Kommission entscheidet hier über Ansprüche, die ihr gar nicht zur Entscheidung vorlagen. Denn die Erben nach Hermann Netter, wir haben uns erst im Dezember 2012 erstmals an die SPK gewandt und haben informiert über diesen Miteigentumsanteil Hermann Netter. Wir haben nicht die beratende Kommission angerufen und wir waren auch nicht Beteiligte des Verfahrens bei der beratenden Kommission.
    Also kann sich im Grunde genommen eine Empfehlung auch nicht auf die Erben nach Hermann Netter erstrecken und deswegen ist für uns im Grunde genommen diese Entscheidung in keinster Weise verbindlich, weil hier einfach keine, ich sage jetzt mal, Rechtskrafterstreckung stattfinden kann.
    Fischer: Was fordern Sie, Frau Rudolph? Werden Sie ein neues Verfahren anstrengen?
    Rudolph: Ich gehe im Moment davon aus. Wir müssen halt weiter mit der Stiftung verhandeln. Ich meine, es ist natürlich jetzt zu erwarten, dass die mit dieser Empfehlung kommen werden, aber dann haben wir wirklich im Zweifel ein streitiges Verfahren und dann würden wir natürlich auch die Kommission anrufen und dann bleibt es abzuwarten, wie sie sich dann in diesem Fall positionieren wird. Aber wie gesagt: Die bisherige Entscheidung kann für die Erben nach Hermann Netter und kann auch für weitere Miteigentümer nicht bindend sein.
    Fischer: Sabine Rudolph war das, Vertreterin der Erben Hermann Netter, der auch am Kauf des Welfenschatzes beteiligt war.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.