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"Wir haben die Lehrpläne verschlankt"

Die nordrhein-westfälische Schulministerin Barbara Sommer hat die verkürzte Schulzeit bis zum Abitur gegen Kritik verteidigt. Die Lehrpläne seien zumindest in Nordrhein-Westfalen im Zuge der Reform verschlankt worden. Das könne ein Mehr an Qualität sein. Auch sei der Nachmittagsunterricht für jüngere Schüler beschränkt worden, betonte Sommer.

Moderation: Dirk-Oliver Heckmann | 06.03.2008
    Dirk-Oliver Heckmann: Am Telefon begrüße ich zum Thema Barbara Sommer von der CDU, die Ministerin für Schule und Weiterbildung in Nordrhein-Westfalen. Guten Morgen, Frau Sommer!

    Barbara Sommer: Ich grüße Sie nach Köln! Guten Morgen!

    Heckmann: Ich grüße Sie nach Berlin, wo ja die Kultusministerkonferenz ab heute tagt. Frau Sommer, man hat den Eindruck, die Umstellung auf G8 ist dilettantisch vorbereitet und umgesetzt worden. Haben die Kultusminister der Länder nicht überlegt, was sie tun?

    Sommer: Diesen Vorwurf möchte ich doch an dieser Stelle entkräften, zumindest möchte ich jetzt einmal auch für Nordrhein-Westfalen deutlich machen, dass wir ja einen ganz, ganz springenden Punkt, der immer wieder auch jetzt genannt worden ist in dem Beitrag vorweg, doch im Griff haben. Wir haben nämlich die Lehrpläne verschlankt, und das ist ja ganz wichtig, dass man auch als Lehrerin, als Lehrer weiß, ich mache jetzt nicht oder habe nicht den Auftrag, den Stoff zu erarbeiten, den ich früher schon die ganzen Jahre gemacht habe, ohne Schulzeitverkürzung, sondern ich kann mich wirklich konzentrieren auf andere Dinge. Und das muss ich wissen als Lehrerin, als Lehrer.

    Heckmann: Sie haben den Lehrplan verschlankt, aber auch ausreichend verschlankt? Das ist die Frage. Der Unmut in Nordrhein-Westfalen ist ja auch sehr groß?

    Sommer: Ach, wissen Sie, ich kriege sehr viele Vorwürfe, die Bandbreite ist interessant. Vor wenigen Tagen hat man gesagt, ach, die Stofffülle in Nordrhein-Westfalen, die ist so groß. Dann konnten wir nicht deutlich machen, hey, wir haben das hier an der und der Stelle, haben wir es doch ausgedünnt, wir haben es doch verschlankt. Dann kam jetzt der Vorwurf, ist das nicht jetzt zu wenig. Macht Ihr Abi light? Man muss wirklich jetzt auch mal die Kirche im Dorf lassen. Man muss sagen, ich vertraue genau den Lehrerinnen, und da war ja eine sehr souveräne Lehrerin in ihrem Beitrag am Ende, die sagte, eigentlich müssen wir das schaffen. Und ich habe auch Zutrauen zu unseren Lehrerinnen und Lehrern in Nordrhein-Westfalen, dass sie das schaffen. Es muss nur jetzt gut kommuniziert werden, dass es eben weniger ist. Aber weniger muss nicht wirklich weniger letztlich an Qualität sein, sondern das kann auch oft ein Mehr sein an Qualität.

    Heckmann: Viele Lehrer sagen allerdings, dass ihnen das Problem aufgehalst wird, was die Politik ihnen eingebrockt hat.

    Sommer: Na gut, wir wussten ja alle, seit 2004 war das für Nordrhein-Westfalen auch klar, wir gehen auf die Schulzeitverkürzung los. Das ist ja nicht vom Himmel gefallen. Und gerade in Nordrhein-Westfalen kann ich wirklich sagen, um mal in einem Schulbild zu bleiben, wir haben unsere Hausaufgaben gemacht.

    Heckmann: Das heißt, es kann alles so bleiben, wie es ist in Nordhrein-Westfalen?

    Sommer: Die betroffenen Lehrerverbände, die betroffenen Elternverbände wollen die verkürzte Schulzeit. Das ist wichtig, das ist eine wichtige Aussage. Und wir haben uns auch zusammengesetzt, und wir haben ein Acht-Punkte-Programm entwickelt, wonach wirklich doch deutlich wird, wir tun etwas für die Schülerinnen und Schüler, und wir wollen auch, dass der Nachmittag nicht nur ausgefüllt wird mit Hausaufgaben oder sogar mit Nachtmittagsunterricht, sondern dass eben auch noch Freizeit bleibt zur Entwicklung.

    Heckmann: Das heißt, Sie sehen in Nordrhein-Westfalen keinen Nachsteuerungsbedarf?

    Sommer: Zumindest beginnen wir jetzt ja, wir haben die Lehrpläne verschlankt, das ist sehr wichtig. Und wir haben auch gesagt, Schülerinnen und Schüler dürfen nicht zweimal in der Woche zum Beispiel in Klasse fünf am Nachmittag in die Schule gehen, sondern höchstens einmal. Wir haben auch gesagt, die meisten Stunden in der Schulzeitverkürzung, wir gehen ja mit der KMK gleich, dass wir bei 265 Stunden im Gesamtvolumen bleiben. Das können wir aber auch in die Oberstufe legen. Da sind die Schüler doch sicherlich auch in der Lage, am Nachmittag zu kommen. Da organisieren sie sich vielfach auch schon selbst. Und im Mittelbau und in der Unterstufe wird es dementsprechend weniger Stundenvolumen geben. Ich denke, das ist ein ganz wichtiger Schritt. Das muss sich durchsetzen, das müssen die Eltern wissen, das müssen die Schüler wissen. Natürlich müssen es auch die Schulen wissen.

    Heckmann: In Rheinland-Pfalz, Frau Sommer, da soll G8 erst im kommenden Schuljahr eingeführt werden und dann auch nur dort, wo Ganztagsbetrieb, Ganztagsschulen möglich sind. Wäre das nicht eine sinnvolle Lösung gewesen von vornherein auch in anderen Bundesländern?

    Sommer: Wir haben ja auch Programme aufgelegt, die eine Übermittagsbetreuung möglich machen. Bei uns heißt das Programm noch "dreizehn plus". Das bedeutet, dass auch Schulen, die das wünschten, eine Nachmittagsbetreuung haben können, sodass wir auch sagen können, wir sind einen wichtigen Schritt auf den Ganztag schon zugegangen. Und wir müssen auch erst mal abfragen, wollen alle Eltern, wollen alle Kinder in Nordrhein-Westfalen wirklich an jedem Gymnasium den Ganztag. Das werden wir jetzt überprüfen. Ich bin dafür, dass wir da schrittweise vorgehen und mit dem Programm, das wir aufgelegt haben, können wir schon sehr zufrieden sein.

    Heckmann: Schrittweise vorgehen, ist das Stichwort. Die Frage ist, ob da nicht der zweite Schritt vor dem ersten gegangen worden ist?

    Sommer: Ganz sicher nicht. Wichtig war, deutlich zu machen, es muss im Rahmen des Inhalts, des Stoffes nicht das gemacht werden, was in neun Jahren vorher gemacht worden ist. Es wird nicht zusammengedrängt und gequetscht. Wir müssen einen Organisationsmodus finden, damit die Schülerinnen und Schüler gerade der unteren Klassen nicht zu sehr belastet werden. Wir haben auch zum Beispiel gesagt, eine ganz pragmatische Sache, wenn nachmittags Unterricht angesetzt wird, dann macht der Schüler eben von einem auf den nächsten Tag eben keine Hausaufgaben. Das kann ja nicht angehen, dass man nachmittags Unterricht hat und dann anschließend noch Hausaufgaben macht. Da sind sicherlich ganz zu Recht die Eltern besorgt. Das ist aber in Nordrhein-Westfalen nicht der Fall.

    Heckmann: Frau Sommer, Sie haben gerade eben gesagt, Sie bieten an, dass der Ganztagsschulbetrieb ausgebaut werden soll und kann, auch in Nordrhein-Westfalen, dort, wo es gewünscht ist. Haben Sie dafür auch die nötigen Finanzmittel bereitgestellt?

    Sommer: Wir sind mitten in den ersten Haushaltsdebatten. Wir diskutieren jetzt gerade die ersten Eckpunkte für den Haushalt 09. Das wird sich zeigen. Das muss sich noch zurechtrücken. Aber ich stehe ganz klar dazu zu sagen, wir brauchen auch den Ganztag. Wir haben begonnen damit, die Hauptschule in den Ganztag hineinzuführen. Das war eine wichtige und richtige Entscheidung. Wir müssen jetzt Entscheidungen treffen, wie es weitergeht, organisiert weitergeht in den weiteren Schulformen.

    Heckmann: Aus vielen Bundesländern hört man auch, aus Nordrhein-Westfalen, dass immer mehr Schüler eben auch durch die Umstellung auf Nachhilfeunterricht angewiesen sind. Aber nicht alle Familien, nicht alle Eltern können sich das leisten, das zu finanzieren oder haben selber vielleicht nicht den Bildungshintergrund, sich mit ihren Kinder hinzusetzen. Hat die Chancengleichheit dadurch an den Schulen in Deutschland weiter gelitten?
    Sommer: Aber muss man denn gleich an ein Nachhilfeinstitut denken? Wir haben doch wundervoll organisierte Formen auch in Schulen selbst. Ich weiß, ich habe fünf Kinder in der Schule gehabt und weiß, dass die alle Tutoren waren. Das heißt, sie haben auch die Möglichkeit gehabt, als ältere Schülerinnen und Schüler, jüngeren zu helfen. Auch das ist zum Teil doch gut organisiert in den einzelnen Schulen. Da muss man mal nachfragen, wie ist das. Ich würde mich als Mutter, als Vater auch erst mal einem Lehrer anvertrauen und sagen, an welcher Stelle muss ich überhaupt etwas machen. Manchmal habe ich den Eindruck, dass Eltern da sehr, sehr vorschnell auch sagen, oh, da ist eine Fünf ins Haus gekommen, jetzt müssen wir schnell reagieren. Ich denke, man muss sich erst beraten und muss gucken, wo sind eventuell Defizite, und dann gibt es ja auch die wundervollen Förderstunden, die wir haben. Denn das ist auch eine wichtige Sache, dass Förderstunden ja selbst auch im Stundenplan aufgeworfen werden, und die sind ja auch zu nutzen.

    Heckmann: Über die Schwierigkeiten bei der Umstellung auf das verkürzte Abitur habe ich gesprochen mit Barbara Sommer von der CDU, Schulministerin in Nordrhein-Westfalen. Besten Dank, Frau Sommer!

    Sommer: Ich danke Ihnen auch! Auf Wiederhören!