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Wir müssen über die Folgen der Nutzung von Computerspielen "mehr aufklären"

Es sei schon länger zu beobachten, dass Nutzer von sozialen Medien oder Spielekonsolen den Sinn für den Schutz ihrer Intimsphäre verlieren würden, sagt Peter Vorderer. "Da setzt Microsoft jetzt mit der Xbox jetzt nur noch ein Stück obendrauf", so der Medienpsychologe von der Universität Mannheim. Hier müssten die Nutzer sensibilisiert werden.

Peter Vorderer im Gespräch mit Mario Dobovisek | 23.05.2013
    Mario Dobovisek: Und wir schalten um zu Peter Vorderer, er ist Medienpsychologe an der Universität in Mannheim, erforscht dort unter anderem die Wirkung von Computerspielen auf den Menschen. Guten Morgen, Herr Vorderer!

    Peter Vorderer: Schönen guten Morgen!

    Dobovisek: Der Marketing-Chef von Microsoft von der Xbox sagt, die Xbox One weiß, wer Sie sind, was Sie wollen und wie Sie es wollen – ein Gerät, das sozusagen meine Gedanken und Wünsche ablesen kann. Herr Vorderer, macht das Ihnen Angst?

    Vorderer: Es ist eine der vielen Entwicklungen, die durchaus janusköpfig sind. Es ist einerseits etwas, was Bedürfnisse der Nutzer, der Nutzerinnen fast optimal bedient, und es ist andererseits und gleichzeitig etwas, was eine Eigenentwicklung hat, und bei dem Daten und Informationen gesammelt werden, die wir als Nutzer nicht mehr kontrollieren können. Wir haben in der Vergangenheit nicht gerade gezeigt, dass es uns sehr besorgt, und deswegen werden diese Angebote weiter entwickelt.

    Dobovisek: Wir erlauben den Programmen, zum Beispiel auch den Apps auf unserem Smartphones, eigenständig ins Internet zu gehen, Standortdaten und sogar Nummern aus unseren Telefonbüchern zu senden an wen auch immer. In sozialen Netzwerken ziehen sich die Nutzer sprichwörtlich aus, geben intimste Informationen preis. Warum machen Nutzer das?

    Vorderer: In aller Regel, weil diese Entwicklungen vorangetrieben werden von jüngeren Nutzern, die sich darüber keine Gedanken machen, denen nicht klar ist, dass viele Jahre später Informationen, die sie zu einem früheren Zeitpunkt offengestellt haben, von zum Beispiel zukünftigen Arbeitgebern oder auch zukünftigen Konfliktparteien gegen sie verwendet werden können. Jemand in jugendlichem Alter – und in dem Alter werden diese Angebote in erster Linie nachgefragt, bisher zumindest -, die denken nicht daran, wie die Situation in 20 oder 30 Jahren für sie aussehen wird.

    Dobovisek: Verlieren die Nutzer sozialer Medien oder auch von Spielen wie der Xbox oder Entertainment-Angeboten den Sinn für den Schutz ihrer Intimsphäre, nur weil sie sich mehr Unterhaltung versprechen?

    Vorderer: Ganz offensichtlich ist das ja schon seit Langem so. Schauen Sie sich die Nutzung von Facebook an, oder auch die Verwendung von Smartphones. All diese Geräte, all diese Anwendungen erlauben ja längst ein Tracking, ein Nachverfolgen. Da setzt Microsoft jetzt mit der Xbox jetzt nur noch ein Stück obendrauf: Es werden jetzt sozusagen auch in der Situation bestimmte Gefühlslagen erkannt werden können. Das hat große Vorteile für die Gestaltung des Angebots. Der Nutzer wird erfahren, dass das, was ihm angeboten wird, was möglich ist, was er erfahren kann, wie er sich unterhalten kann, dass das noch mehr seinen individuellen und auch situativen Bedürfnissen und Interessen entspricht. All das wird spürbar und deswegen auch gerne gemacht. Und der Gedanke, was sozusagen auf der anderen Seite der Medaille dabei herauskommt, auch langfristig, der wird einfach nicht verarbeitet und der wird nicht berücksichtigt.

    Dobovisek: Muss am Ende die Nutzer jemand vor sich selbst schützen?

    Vorderer: Na ja, ich würde nicht sagen, vor sich selbst schützen, aber es bleibt das Diktum: Wir müssen darüber aufklären. Es muss in Schulen, Hochschulen, überall auch darüber gesprochen werden, dass Medienkompetenz nicht nur darin besteht, diese Geräte bedienen zu können, sondern auch darüber nachzudenken, welche mittel- und langfristigen Folgen diese Nutzung hat und diese auch in Beziehung zu setzen mit den unmittelbaren Vorteilen, etwa der Möglichkeit, jederzeit überall mit wem auch immer auf dieser Welt kommunizieren zu können und jedes mögliche Unterhaltungsangebot mir auch in einer bestimmten Situation zuführen zu können. Es hat keinen Sinn zu sagen, das ist alles des Teufels und wird deshalb nur Probleme mit sich bringen, weil die jüngeren Menschen insbesondere sehen unmittelbare Vorteile, die muss man ernst nehmen, das muss man auch akzeptieren. Man muss sie aber ins Verhältnis stellen und sagen, das Ganze ist eine zweischneidige Sache.

    Dobovisek: Microsoft will mit der Xbox One, der neuen Spielekonsole, punkten, doch es gibt auch Kritik, weil die Wohnzimmer und das Verhalten ihrer Nutzer ausgespäht werden könnten. Im Interview dazu der Medienpsychologe Peter Vorderer. Vielen Dank dafür!

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