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"Wir sind demokratische Sozialisten und dabei bleibt es"

Sachsen-Anhalts Linken-Spitzenkandidat Wulf Gallert hält die Äußerungen der Parteivorsitzenden Lötzsch zum Kommunismus für eine "unglückliche Formulierung".

Wulf Gallert im Gespräch mit Martin Zagatta |
    Martin Zagatta: Die FDP hat einen höchst umstrittenen Vorsitzenden, die Partei Die Linke jetzt gleich zwei, denn nach Klaus Ernst steht nun auch Gesine Lötzsch in der Kritik. Mit der Äußerung "Die Wege zum Kommunismus können wir nur finden, wenn wir uns auf den Weg machen und sie ausprobieren" steht sie nun selbst in den eigenen Reihen in der Kritik. Ob und wie sehr diese Debatte der Linken schadet bei den anstehenden Wahlen, das wollen wir jetzt Wulff Gallert Fragen, den Spitzenkandidaten in Sachsen-Anhalt. Guten Morgen, Herr Gallert!

    Wulf Gallert: Guten Morgen!

    Zagatta: Herr Gallert, für unsere Hörer schicke ich noch voraus, dass Ihre Partei in den Umfragen gleichauf liegt mit der CDU, die derzeit mit der SPD regiert, dass im übernächsten Monat gewählt wird in Sachsen-Anhalt, und dass Sie sich deshalb Hoffnungen machen, der erste Ministerpräsident der Linken zu werden. Das könnte jetzt allerdings schwieriger werden. Haben Sie sich bei Ihrer Parteivorsitzenden schon beschwert?

    Gallert: Also ich habe mich bei meiner Parteivorsitzenden nicht beschwert, weil man hier noch mal ganz klar sagen muss und einschätzen muss, dass es sich hier zweifellos um eine unglückliche Formulierung gehandelt hat, die hat sie aber inzwischen längst klargestellt. Der Kommunismus ist weder ihr persönliches Ziel noch Ziel meiner Partei, wir sind demokratische Sozialisten und dabei bleibt es auch. Das hat sie übrigens sogar in dem gleichen Papier auch noch einmal geschrieben, allerdings gibt es diese andere missverständliche Formulierung. Ich bin froh, dass sie das klargestellt hat, da musste ich sie nicht anrufen für.

    Zagatta: Dann brauchen wir jetzt da auf die Einzelheiten auch gar nicht mehr eingehen, weil ihr wird ja vorgehalten, dass sie da sich dann eben nicht in einem Atemzug auch auf die Opfer des Kommunismus und auch des Sozialismus bezogen hat, aber diese Äußerung: Schadet Ihnen das jetzt im Wahlkampf?

    Gallert: Also da muss man noch mal ganz genau unterscheiden: Die Wähler, auch in Sachsen-Anhalt, wissen sehr genau, welche politischen Alternativen sie am 20. März haben, und das, was wir hier haben, das ist natürlich Wahlkampfgetöse und Sturm im Wasserglas. Eine solche Bemerkung würde uns nur schaden, wenn die Menschen wirklich den Eindruck hätten, wir würden auch undemokratische Methoden in der Politik befürworten. Das tun wir natürlich nicht, wir sind Demokraten, wir sind Verteidiger des Grundgesetzes, übrigens an vielen Stellen, an denen zum Beispiel die CDU das Grundgesetz gebrochen hat und sich vom Bundesverfassungsgericht ihre Watschen hatte abholen lassen müssen. Und das wissen die Leute in Sachsen-Anhalt, deswegen glaube ich ehrlich gesagt nicht, dass solche Dinge, die zweifellos nicht sonderlich glücklich gewesen sind, uns wirklich schaden können.

    Zagatta: Aber selbst ihr Parteifreund Stefan Liebig befürchtet jetzt, dass diese Äußerungen die Linken bei den Wahlen im Osten viele Stimmen kosten wird. Ist das so falsch?

    Gallert: Also natürlich besteht immer eine Gefahr dabei, allerdings sage ich auch ausdrücklich, es ist jetzt an uns, den Leuten klar, unmissverständlich zu sagen, erstens: Wir wissen, dass natürlich das, was unter Kommunismus argumentiert und verstanden wird, natürlich auch der Traum von einer gerechten Gesellschaft, von Ausbeutung frei, ist, allerdings genauso eine Idee, die hunderttausenden Menschen oder mit deren Begründung man hunderttausenden Menschen das Leben genommen hat und Millionen Menschen ihrer Freiheitsrechte beraubt hat. Und das müssen wir berücksichtigen, und da sage ich ganz deutlich: Das müssen die Menschen spüren, dass wir uns in dieser Art und Weise auch davon distanzieren, was wir in den letzten Jahrzehnten hatten, und wir können uns nicht so hinstellen und sagen, das interessiert uns nicht.

    Das tut übrigens auch keiner. Und wenn wir das glaubhaft vermitteln, dass wir diese kritische Sicht haben und dass wir uns deswegen auch von falschen strukturellen Überlegungen distanzieren, und dass es genau darum geht, die Interessen der Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und nicht irgendwelche Ideologien, dann glaube ich kann es uns gelingen, dass diese Dinge keine Auswirkungen auf die Landtagswahlen haben. Allerdings sage ich auch ausdrücklich: Das muss jetzt gemeinsames Anliegen aller in der Partei sein.

    Zagatta: Dürfte aber schwer werden, denn das Echo ist ja verheerend, und das macht es Ihren Gegnern ja jetzt auch leichter, Sie wieder als unbelehrbare Altkommunisten hinzustellen.

    Gallert: Also wissen Sie, völlig egal, was wir zu diesem Thema sagen würden – unsere politischen Gegner versuchen diese Dinge natürlich immer im Wahlkampf gegen uns zu verwenden. Die Frage ist doch nicht, ob dort solche Argumentation auftaucht, die Frage ist, ob sie unsere eigenen Wähler verunsichert. Und das ist unser Problem, dass die Kollegen, CDU oder erst recht die Kollegen der CSU aus Bayern damit ihre alten Töne wieder hervorbringen, das ist doch klar, das erschüttert nur die Wähler eigentlich nicht. Wir müssen auf unsere Wählerinnen und Wähler achten, auf deren Erwartungshaltung, und die sind natürlich die, dass wir uns für ihre objektiven Interessen einsetzen, dass wir uns dafür einsetzen, was sie für wichtig erachten, und darauf kommt es an, und dann glaube ich auch kann es uns gelingen, diese Dinge so hinzubiegen, dass sie uns eben nicht schaden.

    Zagatta: Aber die Riesenaufregung im Westen bis hin zu Forderungen, Die Linke zu verbieten – ist das ein Westthema? Kommt das im Osten immer noch an, solche Schwärmereien vom Kommunismus? Haben die Menschen da eher Verständnis?

    Gallert: Also ich sage noch mal ausdrücklich: Das kommt auch meines Wissens im Osten nicht an, das ist ja kein politisches Ziel, was wir verkünden, und das ist ja auch nicht das, was wir wollen. Ich sage auch ausdrücklich: Ich will das persönlich nicht, weil ich glaube, diese Ideen des kommunistischen Ideals haben einige grundsätzliche Strukturfehler, die wir selbst auch gar nicht vertreten sollten. Ich glaube, die Aufregung ist natürlich aufgrund des Kalten Krieges, der natürlich auch die Bundesrepublik West um ein Stück weit geprägt hat, möglicherweise im Westen noch etwas größer. Aber ich glaube, das ist nicht das, was die Menschen letztlich wirklich davon abhalten wird, uns zu wählen, wenn wir ihnen glaubhaft vermitteln, dass wir Demokraten sind, und dass wir uns natürlich aus dem Grundgesetz ableiten und es auch offensiv verteidigen.

    Zagatta: Ist Ihnen Frau Lötzsch da im Wahlkampf in Sachsen-Anhalt da jetzt noch willkommen?

    Gallert: Also wir haben Gesine Lötzsch eingeladen, und Gesine Lötzsch wird bei uns auftreten. Natürlich ist sie willkommen. Ich sage noch mal ausdrücklich: Sie selbst hat ja inzwischen ganz klargestellt, dass Kommunismus mitnichten irgendein politisches Ziel ist, das sie verfolgt, dass sie demokratische Sozialistin ist, dass es diese missverständliche Formulierung, die sie da auch zitiert hat, gibt, aber ich sage noch mal ausdrücklich: Wählerinnen und Wähler, die uns zuhören und nicht mit platten Parolen uns schaden wollen, die werden wir auch mit einer vernünftigen Klarstellung und mit einer vernünftigen inhaltlichen Arbeit in Sachsen-Anhalt erreichen.

    Und ich sage noch mal ausdrücklich, wissen Sie: Einen Vorteil haben natürlich die Menschen im Osten Deutschlands, sie haben erlebt, wie die Vorgängerparteien zum Beispiel von CDU und FDP in der DDR agiert haben, sie haben zum großen Teil erlebt, wie die Leute, um die es hier jetzt geht, und die sich manchmal in ähnlicher Art und Weise empören, wie die zu DDR-Zeiten agiert haben, und manchmal dieselben Sprüche von sich gegeben haben im vollsten Brustton innerer Überzeugung. Und das mag möglicherweise dazu führen, dass man diese Debatten im Osten etwas vorsichtiger angeht und nicht in dieser Art und Weise in Hysterie verfällt.

    Zagatta: Ist Ihnen der zweite Vorsitzende Klaus Ernst da im Wahlkampf auch willkommen in Sachsen-Anhalt?

    Gallert: Also wir haben ja die Situation, dass eine Woche nach den Wahlen in Sachsen-Anhalt bereits in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz gewählt wird, und es ist so, …

    Zagatta: Dann soll er lieber dort bleiben?

    Gallert: Nein, er soll nicht lieber dort bleiben, sondern da gibt es tatsächlich ein Stück weit eine Arbeitsteilung, die darauf hinausläuft, dass er dort in diesen Wahlkämpfen so unmittelbar eingespannt ist, …

    Zagatta: Weil das bei Ihnen dann auch einen schlechten Eindruck machen würde, wenn er da in Sachsen-Anhalt mit seinem Porsche vorfährt?

    Gallert: Der würde ja ohnehin nicht mit seinem Porsche vorfahren, und ich sage noch mal auch ausdrücklich: Das sind Diskussionen, die hat es bei uns in Sachsen-Anhalt in der Wählerschaft so gut wie überhaupt nicht gegeben, das sind Debatten, die sich vor allen Dingen in den Medien abspielen. Mein Problem ist eher ein völlig anderes: Mein Problem ist, dass solche Debatten immer dann in der Öffentlichkeit eine Rolle spielen, wenn wir an anderen Stellen nicht offensiv genug in die wirklichen Themen einsteigen können, und das ist eben zurzeit die aktuelle Hartz-IV-Debatte, das ist die Debatte um den gesetzlichen Mindestlohn, das ist die Debatte um die weitere soziale Verschärfung im Bereich des Gesundheitswesens, das ist die Debatte um die Perspektive der Energiegewinnung in der Bundesrepublik Deutschland. Das sind die Themen, auf die es ankommt, und da müssen wir tatsächlich ein Stück stärker werden, da müssen wir offensiver werden, da brauchen wir sozusagen die Kraft, die uns dann auch in den Landtagswahlen aus der Bundesebene hilft.

    Zagatta: Und der scheint dann spannend zu werden. Danke schön, das war Wulff Gallert, der Vorsitzende der Fraktion der Partei Die Linke im Landtag von Sachsen-Anhalt und der Spitzenkandidat der Partei bei der Wahl im März. Herr Gallert, danke für das Gespräch!

    Gallert: Danke!