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"Zu Guttenberg wird genauso behandelt wie jeder andere Doktorand"

Bernhard Kempen warnt davor, den Verteidigungsminister vorzuverurteilen. Sollten sich die Plagiatsvorwürfe in Karl-Theodor zu Guttenbergs Dissertation bewahrheiten, sei es nicht so schwer, "entsprechende Konsequenzen" zu ziehen.

    Peter Kapern: Ein kleines Rätsel zum Frühstück. Ich lese jetzt zwei kurze Texte vor und sie, meine Damen und Herren, versuchen herauszufinden, worin sich diese beiden Texte unterscheiden. Achtung, hier kommt Text Nummer eins: "Wer dies, willentlich oder nicht übersieht, vernachlässigt nicht nur menschliche Grundbedürfnisse, sondern schafft ein Vakuum, in dem Fundamentalismen aller Art gegenüber dem Humanismus und der Aufklärung ein leichtes Spiel haben." – So weit Text Nummer eins und jetzt folgt Text Nummer zwei: "Wer dies, willentlich oder nicht übersieht, vernachlässigt nicht nur menschliche Grundbedürfnisse, sondern schafft ein Vakuum, in dem Fundamentalismen aller Art gegenüber dem Humanismus und der Aufklärung ein leichtes Spiel haben." – Also: wo liegt der Unterschied zwischen Text eins und Text zwei? – Klare Antwort: Es gibt keinen. Und das bereitet unserem Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg gerade gehörige Probleme. Text Nummer eins stammt nämlich aus einem Vortrag von Wilfried Marxer, den er 2004 am Liechtenstein-Institut gehalten hat, und Text Nummer zwei stammt aus zu Guttenbergs Dissertation, die er 2006 an der Uni Bayreuth vorgelegt hat. Ein summa cum laude gab es dafür. An dieser Sache wäre nichts verwerflich, wenn zu Guttenberg auf seine Quelle hingewiesen hätte. Hat er aber nicht und es soll reihenweise solcher Stellen in seiner Doktorarbeit geben. Nun prüft die Universität Bayreuth, ob dem Herrn Dr. zu Guttenberg ein Plagiat vorzuwerfen ist. – Bei uns am Telefon der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, Bernhard Kempen. Herr Kempen, wie sehen Sie den Fall Guttenberg?

    Bernhard Kempen: Der Fall Guttenberg ist zunächst mal ein Fall für die Bayreuther Universität und für die dortige rechts- und wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, die jetzt prüft, ob an den Vorwürfen, die allenthalben in der Presse erhoben werden, etwas dran ist und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Ich warne ein bisschen davor, jetzt bereits zu schnellen Verurteilungen zu kommen und öffentlich Konsequenzen zu ziehen. Man muss sehen, dass es bei wissenschaftlichem Fehlverhalten schon auch eine ganze Skala der sozusagen Verstoßschwere gibt, und da ist jetzt zu beurteilen, wie wirkt sich das auf die Verstöße, die jetzt in der Presse dann aufgedeckt wurden, wie wirken die sich auf das Gesamtwerk dieser Dissertation aus.

    Kapern: Die Uni Bayreuth prüft nun also, ob es tatsächlich sich um Plagiate handelt. Wie läuft so eine Prüfung eigentlich ab?

    Kempen: Na ja, ich denke, man wird sich die Doktorarbeit noch mal ganz genau vornehmen und man wird dann – und zwar mit Hilfe des Internets – versuchen festzustellen, in welchem Umfang Textpassagen der Doktorarbeit in anderen veröffentlichten Texten bereits vorgekommen sind.

    Kapern: Wer tut das denn?

    Kempen: Das macht der Promotionsausschuss der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät.

    Kapern: Sitzen da dieselben Leute drin, die auch schon die Dissertation von Karl Theodor zu Guttenberg begutachtet haben?

    Kempen: Nein, das sind nicht dieselben. Das ist nicht der Erstberichterstatter und der Zweitberichterstatter, die bislang diese Doktorarbeit alleine vor Augen hatten, sondern es ist der Promotionsausschuss und das heißt, das ist die gesamte Fakultät, die hier tätig wird. Möglicherweise – aber da fragen Sie mich jetzt fast zu viel – ist die Sache aber auch an eine eigens dazu eingerichtete Kommission der Universität übergeleitet worden - das richtet sich nach der Promotionsordnung oder nach der Verfahrensordnung der Bayreuther Universität -, dass diese Kommission das dann prüft. Aber Sie dürfen davon ausgehen, dass nicht dieselben, die schon mal die Arbeit bewertet haben, jetzt wieder sozusagen zur Kontrolle gebeten werden, sondern dass da schon andere Personen jetzt tätig sind.

    Kapern: Sie haben eben angedeutet, dass es da durchaus für die Prüfer jetzt einen Ermessensspielraum gibt. Die können dann sozusagen freihändig festlegen, wo die verzeihliche Schlamperei aufhört und wo das dreiste Abkupfern begonnen hat?

    Kempen: Das geht ehrlich gesagt nicht anders, sondern das ist schon ein bewertender Vorgang. Sie müssen sich vorstellen, dass in einer Doktorarbeit, die üblicherweise einen Umfang von etwa 200 Seiten hat bei den Juristen – bei Herrn zu Guttenberg ist sie sehr umfangreich ausgefallen, er hat über 450 Seiten veröffentlicht -, dass man da schon genau schauen muss: Ist da jetzt nur eine eher untergeordnete Textpassage abgekupfert worden, sind es ganz viele Textpassagen, stellt sich die ganze Sache so dar, dass die Arbeit nicht mehr als eigene geistige Leistung zu beurteilen ist. Das sind die Fragen, die hier zu stellen sind.
    Ich will Ihnen mal ein anderes Beispiel machen. Mir ist bekannt geworden, dass vor Kurzem ein koreanischer Doktorand eine komplette Doktorarbeit aus dem Kanadischen, die in Kanada erschienen war, aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt hat und hier eingereicht hat. Das ist hier zunächst auch nicht aufgefallen, aber es war wirklich die komplette Arbeit, und das ist noch mal eine etwas andere Schwere des Verstoßes als das, was jetzt bekannt geworden ist. Hier geht es um Textpassagen, die jetzt allerdings auch, das muss man gleich sagen, offenbar nicht nur untergeordnet sind, also nur ein, zwei Sätze in dieser Riesenarbeit, sondern ...

    Kapern: Bis zu 97 Zeilen am Stück sollen das sein!

    Kempen: Ja, ja, so ist es. Wenn das sich bestätigt, dann wird man da schon darüber nachdenken müssen, ist das nicht doch so schwer, dass man daraus entsprechende Konsequenzen ziehen muss. Aber ich möchte da wie gesagt wirklich nicht den Bayreuther Kollegen vorgreifen.

    Kapern: Bekommt Karl Theodor zu Guttenberg einen Ministerrabatt auf wissenschaftliche Ansprüche?

    Kempen: Überhaupt nicht! Also da gehe ich doch sehr überzeugt davon aus, dass die Bayreuther Kollegen so etwas Unsinniges nicht machen werden. Herr zu Guttenberg wird genauso behandelt wie jeder andere Doktorand auch.

    Kapern: Bernhard Kempen, der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, heute Morgen im Deutschlandfunk. Danke für Ihre Zeit, auf Wiederhören.

    Kempen: Gerne!

    "Die Flucht vor der Qual des Selberdenkens" - Münchener Jurist zum Plagiatsvorwurf gegen zu Guttenberg

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