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Zum 50. Todestag von Filmkomponist Franz Waxman
Vom Ku'damm auf den Sunset Boulevard

Er war einer der produktivsten Komponisten in der Geschichte Hollywoods. Franz Waxman schrieb die Musik zu über 140 Filmen. Viele Klassiker der Filmgeschichte hat der aus Schlesien emigrierte Sohn einer jüdischen Familie vertont - und damit das US-Kino nachhaltig geprägt.

Von Hartmut Goege | 24.02.2017
    Eine riesige Oscar-Statuette, aufgenommen beim 88. Academy Awards Nominees Luncheon.
    Der Oscar - gleich zwölfmal war Filmkomponist Franz Waxman für den Filmpreis nominiert (dpa-Bildfunk / Invision / Danny Moloshok)
    Als Franz Waxman im Alter von gerade 60 Jahren in Los Angeles an Krebs starb, hinterließ er mit der Symphonie The Song of Terezin ein sehr persönliches letztes musikalisches Vermächtnis. Die freie Komposition über Kinder-Schicksale im KZ Theresienstadt belegt Waxmans künstlerischen Anspruch als ernster Komponist. Als Film-Komponist hatte er Zeit seines Lebens zwar hohe musikalische Standards gesetzt, aber doch oft kritische Anerkennung vermisst.
    Als Franz Wachsmann wird er 1906 als siebtes Kind einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Oberschlesien geboren, bekommt früh Klavierunterricht, muss aber eine Banklehre absolvieren, die er bald abbricht, um sich gegen den Willen der Eltern an der Dresdner Musikakademie einzuschreiben. 1923 wechselt er ans Berliner Konservatorium und finanziert sich mit Auftritten in einer Tanz-Kapelle.
    Teil der Begleitband im "Blauen Engel"
    1928 sucht die populärste Jazzband Berlins, die Weintraub Syncopators einen neuen Pianisten. Wachsmann übernimmt den Part von Friedrich Holländer, der zur UFA geht, da die beginnende Tonfilm-Ära vor allem nach Musikfilmen verlangt. Davon profitiert auch Wachsmann. Er kommt mit UFA-Chef Erich Pommer in Kontakt, der ihn mit den Weintraubs als Begleitband für Marlene Dietrich" im Blauen Engel"l verpflichtet.
    Ganz nebenbei lernt er über Billy Wilder seine zukünftige Frau Alice kennen, komponiert eigene Stücke für die Weintraubs und arrangiert immer häufiger die Musik für leichte Unterhaltungsfilme.
    1933 vertont er für den Fritz Lang-Film "Liliom" seine erste eigene vielbeachtete Filmmusik. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten aber unterbricht jäh seine aufstrebende Karriere, wie sein Sohn John Waxman zu berichten weiß:
    Laurence Olivier und Joan Fontaine in dem Spielfilm von Hitchcock Rebecca.
    Laurence Olivier und Joan Fontaine in dem Spielfilm von Hitchcock "Rebecca". (imago / AD )
    "Die Flucht meiner Eltern aus Berlin war schnell und dramatisch. Eines Nachts kam Vater aus der UFA und wollte zu seiner Wohnung in der Nähe des Kurfürstendamms. Da wurde er von einigen Nazis angesprochen, geschlagen und in die Gosse gestoßen. Er stand auf, klopfte sich den Staub ab, ging in seine Wohnung und sagte zu seiner Freundin, seiner späteren Frau und meiner Mutter: ´Wir gehen heute Nacht weg, pack die Taschen, wir nehmen den nächsten Zug nach Paris "
    Ruhmreiche Musik für Hitchcocks "Rebecca"
    Über Pommers Hollywood-Kontakte landet Wachsmann 1934 in der Traumstadt. Sogleich amerikanisiert er seinen Namen in Waxman, mit x und einem n. Und noch im gleichen Jahr gewinnt ihn Universal-Regisseur James Whale für das Horrorfilm-Projekt "Frankensteins Braut".
    Die symphonische Tonfilmmusik steckt zwar noch in den Anfängen. Waxman aber kreiert ein Meisterstück voller gegensätzlicher Stimmungen. Sein Monsterthema erregt Schrecken und Mitleid und wird auf Jahrzehnte Vorbild für das Horrorfilm-Genre.
    Innerhalb von zehn Jahren steigt er in die Elite der Hollywood-Komponisten auf, wird Musical-Director bei Universal, wechselt zu MGM, später zu Warner Brothers und vertont Hitchcocks düsteres Hollywood-Debüt Rebecca. Die Musik, die eindrucksvoll zwischen unterschwelligem Grauen und heiterer Lebensfreude balanciert, macht ihn weltberühmt.
    Zwei Oscars in Folge
    In seinen Filmmusiken setzt er auf eine Gesamt-Symphonie mit Seitenthemen und komplexen Spielfiguren, was an Wagners Leitmotivtechnik erinnert.
    Später schreibt er einmal:
    "Der Filmkomponist hat andauernd das Drama, die Aktionen und die Charakterisierungen mit zu bedenken. Gefühlstiefe und Schockwirkung gilt es genauso zu erfassen wie Stimmung und Rhythmus, Timing und Tempo. Thema-Melodien müssen Dialog und Handlung ergänzen, ohne zu dominieren, was Umsicht beim Komponieren voraussetzt."
    Dieser Umsicht verdankt Waxman zwölf Oscar-Nominierungen. Er besitzt das künstlerische Gespür, um mit seiner Musik die Handlungen noch dynamischer anzutreiben. Anfang der 50er Jahre gewinnt er den Filmpreis zweimal hintereinander, für Billy Wilders "Sunset Boulevard" und George Stevens "A Place in the Sun".
    Franz Waxman schrieb Soundtracks zu über 140 Filmen. Aus der europäisch-symphonisch-romantischen Musiktradition heraus prägte er bis zu seinem Tod am 24. Februar 1967 maßgeblich und stilbildend mit wenigen anderen Emigranten zusammen das Hollywood-Kino der 30er bis 50er Jahre.