Donnerstag, 28. März 2024

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100. Geburtstag von Patricia Highsmith
Die Mutter der sympathischen Verbrecher

Bereits ihr erster Roman, "Zwei Fremde im Zug", wurde von Alfred Hitchcock verfilmt und zum Bestseller. Krimiautorin Patricia Highsmith gelang es unnachahmlich, Mörder oder Erpresser sympathisch erscheinen zu lassen. Am 19. Januar 1921 wurde sie in Fort Worth, Texas, geboren.

Von Christian Blees | 19.01.2021
    Ein Farbfoto zeigt Patricia Highsmith freundlich die Kamera blickend
    Patricia Highsmith im Jahr 2000 (picture alliance / Effigie/Leemage)
    Bruno: "Haben Sie niemals das Gefühl gehabt, Sie möchten jemanden umbringen?"
    Guy: "Nein."
    Bruno: "Ich sehe es Ihnen an. Warum geben Sie es nicht zu?"
    Guy: "Ich bin da eben anders."
    Bruno: "Da irren Sie sich sehr. Jeder Mensch kann zum Mörder werden."
    Mit ihrem ersten veröffentlichten Roman, "Zwei Fremde im Zug", schaffte die US-amerikanische Kriminalschriftstellerin Patricia Highsmith 1950 auf Anhieb den literarischen Durchbruch. Im Laufe der nächsten vier Jahrzehnte sollte die damals 29-Jährige als Verfasserin psychologisch ausgefeilter Kriminalgeschichten zu Weltruhm gelangen.
    "Nahezu perfekt" findet Christian Koch, Inhaber der Berliner Krimi-Buchhandlung "Hammett" "Zwei Fremde im Zug": "Es treffen sich tatsächlich zwei fremde Menschen im Zug, die ein Gespräch beginnen und über das Böse reden und dann das perfekte Verbrechen planen. Und man begleitet sie auf diesem Weg. Und ich finde die Faszination von diesem gewöhnlichen Bösen, dem das nicht anzusehen ist, bis heute zeitlos und wirklich beeindruckend."
    Zwei Männer sitzen in einem Zugabteil an einem Tisch.
    Szene aus Alfred Hitchcocks "Zwei Fremde im Zug" (imago/Warner Bros/Ronald Grant Archive/Mary Evans)

    Holpriger Start ins Literaturgeschäft

    Geboren wurde Patricia Highsmith am 19. Januar 1921 im texanischen Fort Worth. Weil sich die Eltern noch vor ihrer Geburt hatten scheiden lassen, wuchs die kleine "Pat" zunächst bei einer Großmutter auf. Später studierte sie neben englischer Literaturwissenschaft unter anderem auch Deutsch in New York und hielt sich mit Gelegenheitsjobs als Spielzeug-Verkäuferin oder als Texterin für Comic-Hefte über Wasser. Ihren zunächst durchaus holprigen Einstieg ins Buchgeschäft beschrieb Highsmith folgendermaßen:
    "Als ich das Manuskript zu 'Zwei Fremde im Zug' halb fertig hatte, bewarb ich mich damit bei sechs verschiedenen New Yorker Verlagen. Sie alle lehnten es ab - mit der Begründung, die Handlung ließe sich niemals zu einem befriedigenden Abschluss bringen. Am Ende wollte es dann aber gleich der erste Verlag haben. Hitchcock kaufte schon kurz nach der Veröffentlichung die Filmrechte."

    Das Erfolgsrezept der Patricia Highsmith

    Alfred Hitchcock brachte "Zwei Fremde im Zug" nur ein Jahr nach Erscheinen des Romans ins Kino. Fortan sollte Patricia Highsmith ihr Rezept für erfolgreiche Kriminalgeschichten gewissermaßen bis zur Perfektion entwickeln. Ihre prominenteste Figur wurde der vom einstigen Nichtsnutz zum angesehenen Kunsthändler aufgestiegene Tom Ripley. Fünf Bände widmete sie diesem schillernden Kriminellen, der im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen ging. Über ihre Rezeptur sagte Highsmith:
    "Wie macht man den Helden sympathisch oder wenigstens einigermaßen sympathisch? Ich kann nur dazu raten, einen Mörder-Helden mit möglichst vielen angenehmen Eigenschaften zu versehen: Großmut, Freundlichkeit zu gewissen Mitmenschen, eine Vorliebe für Malerei oder Musik oder Kochen. Diese Eigenschaften können ganz amüsant wirken als Kontrast zu seinen verbrecherischen oder mörderischen Wesenszügen."
    Buchhändler Christian Koch pflichtet bei: "Ich glaube, eine Stärke von den Romanen ist ja die Sympathie, tatsächlich für den Täter, die Täterin. Vielleicht sogar für das Böse. Weniger, weil die so sympathisch dargestellt werden, sondern zutiefst menschlich. Und ich glaube, das berührt mich - wie auch viele andere Leser und Leserinnen - viel mehr, weil es auf dich zutrifft. Du selber als Leser, Leserin, überlegst: 'Das könnte ich eigentlich auch sein. Diese Gedanken habe ich auch schon mal gehabt.'"

    Die Aufklärung des Verbrechens war bei Highsmith stets Nebensache

    Um dem Lärm und der Hektik New Yorks zu entfliehen, siedelte Patricia Highsmith 1963 über nach Europa. Nach längeren Aufenthalten in Frankreich, Italien und England fand sie in einem kleinen Dorf im Tessin bis zu ihrem Tod 1995 ihr endgültiges Zuhause. Im Mittelpunkt ihrer Werke stand nie die Aufklärung eines Verbrechens, sondern das, was einen Durchschnittsmenschen zum Mörder oder Erpresser machte.
    Die britische Schriftstellerin Val McDermid
    Erfolgsautorin Val McDermid: "Ablehnung von Kriminalliteratur basierte auf Dummheit"
    Als Kriminalschriftstellerin wurde Val McDermid in die Jury des renommierten Booker Prize berufen. "Ein gutes Buch ist ein gutes Buch", sagt sie und schwärmt von den literarischen Möglichkeiten der Krimiwelt. Die sei nah dran an der Gesellschaft und ihren Abgründen.
    Ihr Kollege Graham Greene nannte Patricia Highsmith "eher eine Dichterin der unbestimmbaren Beklemmung als der nackten Angst". Sie selbst sah sich und ihr Werk, das am Ende insgesamt 22 Romane und mehrere Dutzend Kurzgeschichten umfassen sollte, eher bescheiden. Sie verstehe sich als Entertainerin: "Ab und zu mag ich vielleicht eine ganz nette Kurzgeschichte schreiben. Aber ansonsten ist es Unterhaltung."