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100 Tage Corona-Pandemie
Die WHO in der Kritik - zu Recht?

100 Tage nach der offiziellen Erklärung der Corona-Pandemie stehen die WHO und ihr Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus in der Kritik. Ihnen wird ein zu enges Verhältnis zu China vorgeworfen. Von all seinen Mitgliedsstaaten unterstützt nur einer die finanziell latent unterversorgte WHO großzügig - eben China.

Von Marc Engelhardt |
WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus und Chinas Staatschef Xi Jinping am 28. Januar 2020 zu Beratungen in Peking über die Corona-Erkrankungen
WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus und Chinas Staatschef Xi Jinping am 28. Januar 2020 zu Beratungen in Peking über die Corona-Erkrankungen (imago / Kyodo News)
An diesem Donnerstag ist es einhundert Tage her, dass die Weltgesundheitsorganisation WHO COVID-19 zu einer Pandemie erklärt hat: Einem weltweiten Ausbruch, dessen Bekämpfung die UN-Sonderorganisation mit Sitz im Genf seither koordiniert. Zwar gehört die Bekämpfung von Epidemien für die WHO seit mehr als siebzig Jahren zum Kerngeschäft, dennoch könnte COVID-19 zur entscheidenden Bewährungsprobe werden. Denn die Kritik an der Unabhängigkeit der WHO im Anti-Corona-Kampf nimmt zu. Am lautesten wettern die USA. Bei der Vollversammlung der WHO vor einem Monat erklärte US-Gesundheitsminister Alex Azar:
"Wir müssen ehrlich sein: Einer der Hauptgründe dafür, dass der Ausbruch außer Kontrolle geraten ist, ist das Versagen dieser Organisation, die nötigen Informationen zu beschaffen, die die Welt gebraucht hätte. Und dieses Versagen hat viele Leben gekostet."
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Elf Tage nach Azars Auftritt, am 29. Mai, erklärte US-Präsident Donald Trump, aus der WHO austreten zu wollen. Der Weltgesundheitsorganisation käme damit mitten in der Corona-Pandemie der mit Abstand größte Geber abhanden. Der Präsident des Weltärztebunds, Frank Ulrich Montgomery, hält Trumps Drohung zwar für falsch, seine Kritik aber teilt er.
WHO-Generaldirektor Tedros unter Beschuss
"Die WHO hat sich in den letzten zwanzig Jahren von einer medizin- und ärztegetriebenen Veranstaltung hin zu einem politischen Club mit soziologischer Prägung entwickelt. Und im gleichen Maße hat sich das politische Gewicht verschoben von den großen Ländern des Westens hin zu einer Chinahörigkeit, die uns große Sorgen macht. So ist es auch kein Wunder, dass zum ersten Mal der Generalsekretär der WHO kein Arzt mehr ist, sondern ein ehemaliger Minister. Das ist schon erschreckend."
WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus am 11. März 2020
Die WHO in der Coronakrise
US-Präsident Donald Trump hat angekündigt, der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kein Geld mehr zu überweisen. Denn diese habe zu spät und zu schlecht auf den COVID-19-Ausbruch reagiert. Wir erklären, was dies für die WHO bedeutet.
Der Mann, auf den der Streit sich zuspitzt, ist Tedros Adhanom Ghebreyesus. Seit bald drei Jahren ist er WHO-Generaldirektor. Davor war der 55-jährige Immunologe erst Gesundheits-, dann Außenminister seines Heimatlandes Äthiopien. Schon bei seiner Wahl wurde kolportiert, er sei der Kandidat Chinas. Ein Eindruck, der sich Anfang des Jahres verschärfte, als Tedros von einer Reise nach Wuhan zurückkehrte, um Chinas Kampf gegen Corona zu begutachten. Seine regelrechte Lobeshymne vom 30. Januar hängt ihm bis heute nach.
"China hat den Erreger in Rekordzeit bestimmt und öffentlich gemacht, was zu einer schnellen Entwicklung von Tests führte. China ist vollkommener Transparenz verpflichtet, nach innen wie nach außen, und hilft anderen Ländern, die Unterstützung brauchen. Dass wir bis heute erst 68 Corona-Fälle außerhalb von China haben, liegt vor allem an den außergewöhnlichen Maßnahmen, die Chinas Regierung gegen die Ausbreitung ergriffen hat. Dafür verdient China unseren Dank und Respekt."
Wenn Corona-Maßnahmen politisch mißbraucht werden
Dass China keineswegs der Transparenz verpflichtet war, schon gar nicht nach innen, hätte Tedros damals wissen können. Am 3. Januar wurde der Augenarzt Li Wenliang aus Wuhan auf einer Polizeiwache verhört, weil er frühzeitig vor dem Ausbruch des neuen Coronavirus gewarnt hatte. Vieles spricht dafür, dass in Wuhan schon Mitte Dezember erste Coronafälle auftraten. Doch Li sollte schweigen. Die Partei versuchte offenkundig zunächst, den Ausbruch zu vertuschen. Als die Staatsführung schließlich reagierte, nahm sie auf Menschenrechte keine Rücksicht, bemängelt Dainius Puras. Der Litauer ist UN-Sonderberichterstatter für das Menschenrecht auf Gesundheit. Er kritisiert, dass WHO-Chef Tedros den chinesischen Weg dennoch als den richtigen empfohlen habe.
"Wenn ein Land gelobt wird, einfach weil es Ausgangssperren verhängt, dann heißt das beileibe nicht, dass dort alles gut lief. Wir wissen von Menschenrechtsverletzungen. Und ich habe Gespräche geführt mit Leuten, die zu dem Schluss kamen, dass Demokratie in der Bekämpfung einer Pandemie keine gute Sache ist. Und das ist ein absolutes Missverständnis."
Li Zehua in orangener Jacke, schwarzer Kappe und mit heruntergezogener Atemmaske, in der Hand ein Handy. Er sitzt in einem Raum und spricht in die Kamera.
Erneut kritischer Journalist in China verschwunden
Der Journalist Li Zehua war früher beim chinesischen Staatsfernsehen, kündigte dann aber, um unabhängig aus der am stärksten betroffenen Stadt Wuhan zu berichten.
Puras kritisiert nicht die Corona-Ausgangssperren an sich, aber deren Missbrauch. Deutschland lobt er als positives Beispiel. Viele andere Staaten aber seien in der Coronakrise dem autoritären Vorbild der chinesischen Staatsführung gefolgt – auch deshalb, weil die WHO es nicht kritisiert habe.
"Von Anfang an lautete die zentrale Botschaft auch der WHO, öffentliche Gesundheitsmaßnahmen hätten Vorrang. Und das ist an sich natürlich richtig in einer Pandemie. Aber wenn man weiter nichts sagt und die Menschenrechte außer Acht lässt, wenn man sagt: Wir müssen dieses Virus um jeden Preis aufhalten, dann kann das indirekt Menschenrechtsverletzungen zur Folge haben. Einige denken dann, sie können sich alles erlauben, und so werden Gesundheitsmaßnahmen übermäßig oder missbräuchlich verhängt."
Tedros singt Loblied auf China
Tedros' Loblied auf die chinesische Staatsführung Ende Januar war kein Einzelfall. Immer wieder dankte Tedros China, etwa bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Außerdem erstickte er jeden Versuch, das von China nicht anerkannte Taiwan in den Kampf gegen die Corona-Pandemie einzubeziehen. Und das, obwohl Taiwans Strategie, die weitgehend ohne Zwangsmaßnahmen auskam, als vorbildlich gilt.
Trotz Corona-Krise können Kinder in Taiwans Hauptstadt Taipeh auf die Spielplätze. Auch Schulen und Universitäten sind geöffnet, weil alle Bürger die Schutzmaßnahmen befolgen.
Im Schatten des großen Nachbarn
Weltweit hat Taiwan die Ausbreitung des Coronavirus trotz großer Nähe zu China mit am besten gemanagt. Denn die Demokratie mit ihren knapp 24 Millionen Taiwanesen war vorbereitet und reagierte sehr schnell.
Formal allerdings ist der Fall eindeutig: Die Volksrepublik China hat seit 1971 den Sitz bei den Vereinten Nationen inne, den zuvor Taiwan hatte. Die Inselnation wird von den UN seither nicht mehr anerkannt. Und Peking tue im Rahmen seiner Ein-China-Politik alles, damit das so bleibe, sagt auch Gian-Luca, der Direktor des Programms für globales Gesundheitsrecht am Genfer Graduate Institute und ehemaliger WHO-Manager.
"China ist sehr aggressiv. Das ist jedenfalls damals meine Erfahrung bei der WHO gewesen. Das gilt vor allem, wenn es um rote Linien geht wie um Taiwan. Da gibt es kein Nachgeben. Da ist kein Detail zu unwichtig. Sie setzen die Rechtslage und ihre Politik durch. Für die Ein-China-Politik gibt es keine Ausnahme."
Ob die WHO und ihr Chef Tedros wirklich "chinahörig" sind, wie es die USA behaupten, hält Burci hingegen für fraglich. Schließlich gebe es viele gute Gründe, warum der WHO-Chef mitten in der Coronakrise ein gutes Verhältnis zu Peking suche.
WHO-Präsident Tedros Adhanom Ghebreyesus am 19. Mai 2020
Die WHO muss globaler aufgestellt werden
Alle möglichen Behauptungen sind in Zeiten der Coronakrise über die WHO im Umlauf, meint Andreas Zumach. Dabei gäbe es Anlass genug, die wirklichen Schwächen der Weltgesundheitsorganisation anzugehen.
"China ist, zusammen mit Indien, einer der größten Produzenten von pharmazeutischen Wirkstoffen, die für Impfungen gebraucht werden. Die Bedeutung für den Weltmarkt ist immens. Dann gibt es eine aktive Forschungslandschaft. China hat viel Einfluss auf afrikanische Staaten. Es ist nun einfach mal ein großes Land."
Lob für Tedros von Vorgänger Burci
Burci stellt WHO-Chef Tedros in der Coronakrise ein überwiegend gutes Zeugnis aus.
"Ich finde, dass Tedros in den vergangenen Wochen Führungsstärke bewiesen hat. Er hat Streit vermieden und ist bei seiner Kernbotschaft geblieben: Politisiert die Pandemie nicht, wir brauchen Einheit und Solidarität. So hat er die moralische Führung behalten. Er hat gesagt: Ich spiele keine Spielchen, ich mache meinen Job, und der ist, Menschenleben zu retten. Ich finde, er hat das sehr gut hinbekommen."
Für seine Kommunikation wird Tedros selbst von Kritikern gelobt. Seit er am 11. März die Corona-Pandemie ausgerufen hat, gibt Tedros mehrfach wöchentlich Pressekonferenzen. Stets fordert er die Regierungen auf, entschieden gegen das Virus vorzugehen. So sagte er bereits Ende März:
"Wir rufen alle Staaten, die Ausgangssperren verhängt haben auf, die Zeit für den Kampf gegen das Virus zu nutzen. Sie haben sich damit eine zweite Chance erarbeitet. Die Frage ist: Wie nutzen Sie sie?"
Wie Tedros die Chance nutzen würde, sagte er auch: "Konzentrieren Sie alles Regierungshandeln darauf, das Virus zu unterdrücken und zu kontrollieren."
Ob solche Hinweise hilfreich oder eher kontraproduktiv waren, könnte eine unabhängige Untersuchung zeigen. Das hat die Weltgesundheitsversammlung, das höchste Gremium der WHO, entschieden. Die Evaluation soll auch das Handeln von Staaten unter die Lupe nehmen, China inklusive. Der Genfer Professor Burci hofft indes, dass dabei nicht nur nachgekartet wird.
"Es darf hier nicht nur um gegenseitige Beschuldigungen gehen oder das, was im Januar oder Februar geschehen ist. Das wäre dumm und kurzsichtig. Die Evaluation, die wir brauchen, muss auf die internationale Reaktion fokussieren. Die war enttäuschend, vor allem in den Industriestaaten. Da muss sich etwas ändern. Und das wird in der Konsequenz dazu führen, dass sich die Positionen von Dr. Tedros und der WHO bewegen – auch China und den USA gegenüber."
WHO ist finanziell von Mitgliedsstaaten abhängig
Der Politologe Jeremy Youde, der an der University of Minnesota Duluth zur globalen Gesundheitsarchitektur forscht, hält es für richtig, dass die Arbeit der WHO auf den Prüfstand kommt. Was Tedros aus seiner Sicht versäumt hat, ist ein klares, einheitliches Vorgehen gegen das Virus zu benennen."
"Die WHO kann nicht für die Regierungen Politik machen, deshalb ist es an sich nicht verwunderlich, dass wir unterschiedliche Strategien sehen. Aber weil es an einer klaren Vorgabe der WHO fehlt, haben die nationalen Regierungen zu wenig, woran sie sich orientieren können."
 Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), nimmt an einer Pressekonferenz im EU-Hauptquartier teil.
Die Weltgesundheitsorganisation will sich beweisen
Die WHO präsentiert sich in der Corona-Pandemie als agiler, globaler und anerkannter Akteur. Das war in der Vergangenheit meist anders. Am Krisenmanagement der UN-Sonderorganisation hängt auch ihre eigene Zukunft.
Ein Grund dafür, dass die WHO sich mit klaren Vorgaben zurückhält, dürfte eine weitere Abhängigkeit sein: Geld ist Macht – und das Geld hat nicht die WHO, sondern haben die Mitgliedsstaaten. Jeremy Youde:
"Wir müssen uns die Weltgesundheitsorganisation als Geschöpf ihrer Mitgliedsstaaten vorstellen. Das stärkt die Regierungen und schwächt die Organisation, vor allem im Hinblick auf ihren Haushalt. Gut 80 Prozent des Budgets sind zweckgebundene Mittel, das bedeutet, dass die Beträge nur für bestimmte Projekte ausgegeben werden dürfen. Die Organisation wird damit faktisch handlungsunfähig gemacht."
Mega-Crowdfunding der WHO brachte unabhängige Einnahmen
Das Problem ist nicht neu. Doch mit dem angekündigten Austritt der USA, die bisher 15 Prozent des Haushalts finanziert haben, hat es an Brisanz gewonnen. Die Abhängigkeit der WHO ist nicht nur eine politische, sondern eine finanzielle, die an der Existenz der Organisation rührt. WHO-Chef Tedros weiß das. In der Coronakrise lancierte er einen Sonderfonds, in den Unternehmen, Stiftungen und selbst Einzelpersonen spenden konnten. Mehr als 220 Millionen Dollar sind durch diese Art von Mega-Crowdfunding bisher zusammen gekommen. Langfristig soll eine neu gegründete WHO-Stiftung, die Tedros am 27. Mai vorstellte, frisches Geld in die Kassen spülen.
"Das ist ein historischer Schritt für die WHO und ein integraler Bestandteil unserer Bemühungen, Ressourcen zu mobilisieren und unsere Spenderbasis zu verbreitern."
Das Ziel der Stiftung ist es, die WHO unabhängiger von den Vorgaben der Mitgliedsstaaten zu machen. Denn die durch die Stiftung erwirtschafteten Mittel wären ungebunden, das heißt, die WHO könnte selbst entscheiden, wofür sie das Geld ausgibt. Ein Geniestreich, aber auch ein großes Risiko, glaubt der Genfer Professor Gian-Luca Burci.
"Ich ziehe meinen Hut vor Dr.Tedros, weil er sich getraut hat, so etwas durchzubringen. Ich habe mich gefragt, wie Staaten es zulassen können, dass die WHO ihre eigene Finanzierung bastelt und damit die Kontrolle durch die Mitgliedsstaaten umgeht. Aber Tedros hat es geschafft. Das Ziel ist jetzt, Geld von sehr reichen Menschen zu mobilisieren, wie Jack Ma von Alibaba, oder von Unternehmen."
Mögliche Abhängigkeit durch die Zuwendung von Stiftungen
Damit allerdings droht die WHO sich gleich in die nächste Abhängigkeit zu begeben. Schon vor und auch während der Coronakrise wurde ihr vorgeworfen, dass Philanthropen wie Bill Gates zu viel Einfluss hätten. Mehr als zwölf Prozent der freiwilligen Zuwendungen an die WHO stammen von der Bill- und Melinda-Gates Stiftung, gefolgt von der globalen Impfallianz GAVI mit acht Prozent. Auch ihre Mittel sind zweckgebunden. Caroline Schmutte leitet das Deutschland-Büro des Wellcome-Trust, der die WHO ebenfalls finanziell unterstützt. Sie warnt: Eine WHO, die nur von Stiftungen finanziert würde, wäre kein Zukunftsmodell.
"Meiner Meinung nach liegt die Zukunft in der Weltgesundheitsorganisation wie auch in allen anderen großen UN-Organisationen ganz stark darin, dass die Staaten ihren Teil zahlen. Und auch die größten Stiftungen der Welt sind, mit Verlaub, nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, wenn man das mit den Etats der Länder in der Welt vergleicht."
Initiative zur weltweit gerechten Verteilung des Impfstoffs
Auch aus Eigennutz sollten Regierungen ein Interesse daran haben, mit Zahlungen ihren Einfluss zu sichern. Deutschland etwa ist eines der wenigen Länder, das seine freiwilligen Zahlungen seit Jahren erhöht hat. So könne Berlin sein politisches Gewicht geltend machen, etwa wenn jetzt darüber gestritten werde, wer als erstes einen neuen Corona-Impfstoff bekäme, glaubt der amerikanische Politologe Jeremy Youde.
"Wir haben zuletzt gesehen, dass es Spannungen gibt zwischen einer Art medizinischem Nationalismus und einem globalen Anspruch. Einige Regierungen, auch die USA, sagen offen, dass sie alles versuchen werden, damit ihre Bevölkerung den Impfstoff als erstes bekommt. Der Rest der Welt ist ihnen egal. Aber es gibt auch die Forderung, dass die Verteilung eines Impfstoffs auf einer gerechteren Basis erfolgen müsste."
Eine Initiative namens C-TAP, die WHO-Chef Tedros Ende Mai vorgestellt hat, soll dieses Ziel sichern. 37 Länder vor allem aus dem globalen Süden fordern darin, dass Patente und Daten für die Behandlung von COVID-19 als öffentliche Güter frei verfügbar sein sollen, ebenso ein Impfstoff. Doch vielen Ländern, auch Deutschland, geht das zu weit. Immerhin fordert Berlin, dass ein Corona-Impfstoff ein globales öffentliches Gut sein sollte. Das fordert auch der Wellcome-Trust, den Caroline Schmutte in Deutschland vertritt. Aus ihrer Sicht spricht alles für eine Absprache auf globaler Ebene.
Forschung zum Impfstoff auf drei Kontinenten
"Der Anreiz ist natürlich folgender: Wir wissen heutzutage nicht, welcher Impfstoff es schafft. Wir hoffen, dass es einer schafft, wir hoffen, dass es mehr als einer schafft, und das sieht auch vielversprechend aus. Aber aktuell wird auf drei verschiedenen Kontinenten geforscht, und insofern müssen auch die Amerikaner damit rechnen, dass der Impfstoff, der erfolgreich und als erster entwickelt ist, vielleicht aus China kommt oder vielleicht auch aus Deutschland."
Man sieht im Vordergrund die Hand des Mannes in einem grünen Plastikhandschuh, der den durchsichtzigen Träger mit den Bakterienkulturen hält. Ansonsten ist von ihm im Hintergrund nur unscharf sein Kinn zu sehen. 
Curevac-Chef: Investment in mehr als einen Impfstoff
Die Biotech-Firma Curevac darf seinen Corona-Impfstoff nun auch an Menschen testen. Der Bund beteiligt sich an der Firma, denn es gehe um eine zukunftsweisende Technologie aus Deutschland, sagte Curevac-Chef Haas im Dlf.
Der Streit zeigt, wie wichtig eine starke, eigenständige WHO wäre, die eine global gerechte Impfstoffverteilung durchsetzen könnte. Doch die verbindlichen Pflichtbeiträge der Staaten, die das zumindest teilweise ermöglichen könnten, sind seit 1993 eingefroren – auf Drängen der USA. Dabei ist der Aufgabenkatalog der WHO seither ständig gewachsen. Die Organisation soll den weltweiten Kampf gegen übertragbare Krankheiten steuern, globale Impf- und Vorbeugeprogramme initiieren, weltweit Gesundheitsdaten erheben und auswerten und Entwicklungsländer beim Aufbau von Gesundheitssystemen unterstützen. Außerdem unterhält die WHO 140 Länderbüros, die zuletzt tonnenweise Masken, Coronatests und Beatmungsgeräte an mittellose Staaten lieferten. Sparen lasse sich da nichts mehr, urteilt Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery.
"Die WHO hat gemessen an den Aufgaben, die sie an der Gewährleistung einer weltweiten Gesundheitsversorgung hat, einen absoluten Mini-Etat. Das kann man nicht negieren, da muss man auch darauf eingehen. Das sind ja minimale Summen gemessen an den Aufgaben, die die WHO hat."
Mit einem Etat von nur zwei Milliarden Euro finanziell unterversorgt
Eine Finanzreform wäre wohl durchaus im Bereich des Möglichen, wie es scheint. Gut zwei Milliarden Euro beträgt der Jahresetat der WHO. Das entspricht ungefähr dem Budget der Berliner Charité. Die Staatengemeinschaft als Ganzes sollte problemlos imstande sein, dieses Budget mit verlässlichen Mittelzusagen zu decken. Doch trotz Corona scheint sie dazu nicht bereit. Das Geld- und Machtvakuum nutzte so der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping, der bei der Weltgesundheitsversammlung erklärte:
"Um den weltweiten Kampf gegen COVID-19 zu beschleunigen, kündige ich an, dass China in den kommenden zwei Jahren dafür und für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung in betroffenen Ländern zwei Milliarden US-Dollar zur Verfügung stellen wird."
Für die WHO, die jeden Dollar braucht, war Xis Ankündigung zweifellos eine gute Nachricht. Die so scharf kritisierte Abhängigkeit der WHO von China aber wird durch das Geld aus Peking weiter wachsen. Das weiß auch Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus, der 100 Tage nach Ausrufung der Corona-Pandemie weiterhin jede Kritik in Richtung Peking vermeidet.