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2.000. Todestag des Kaisers Augustus
Machtpolitiker und Vorbild zahlloser Herrscher

Vor genau 2.000 Jahren starb Kaiser Augustus. Im Deutschlandfunk beschreibt sein Biograf Wilfried Stroh den Römer als mit allen Wassern gewaschenen Machtpolitiker, auf den sich bis heute Herrscher aller Couleur beziehen. Professor Stroh sagt auch, warum er keine Ähnlichkeiten zwischen Augustus und dem Weltfußballer Lionel Messi sieht.

Wilfried Stroh im Gespräch mit Christoph Heinemann | 01.08.2014
    Eine Museumsmitarbeiterin betrachtet am Donnerstag (14.05.2009) in Haltern am See das Porträt des römischen Kaisers Augustus.
    Vor 2000 Jahren starb Kaiser Augustus. (dpa / Frederico Gambarini)
    Christoph Heinemann: Der Kalender vermerkt heute den 1. August: Der dritte Sommermonat erinnert alle Jahre wieder an einen Mann, der vor 2000 Jahren starb: Augustus, der erste römische Kaiser, und der wird sogar in der Bibel erwähnt, denn, so schildert es der Evangelist Lukas, während seiner Herrschaft wurde in der Ortschaft Betlehem ein jüdischer Junge namens Jesus geboren. Auf dem Weg zum allmächtigen und erhabenen Augustus durchläuft Gaius Octavius, der im Jahr 63 vor Christus geboren wird, viele Stationen: Adoptivsohn des Julius Cäsar; skrupelloser Machtpolitiker, der seinen Widersacher Antonius aus dem Weg räumt, seinen Propagandisten Cicero opfert und die alte römische Führungsschicht ausrottet; Friedenskaiser, der nach dem Bürgerkrieg die Grundlage schafft für rund 200 Jahre mehr oder weniger gewaltfreier Konfliktlösung in Rom; Moralapostel, der Ehegesetze erlässt, an die sich nicht einmal die eigene Tochter hält; Stadtplaner, der Rom umbaut. Sein Wahlspruch: die Unterworfenen schonen und die Übermütigen niederzwingen. Letzteres hat aber gelegentlich nicht geklappt: In Augustus' Amtszeit fällt auch die Varusschlacht, in der in Germanien drei römische Legionen untergehen. Vor dieser Sendung habe ich mit Professor Wilfried Stroh gesprochen. Bis zu seiner Emeritierung lehrte er lateinische Philologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Er hat zusammen mit zwei Kollegen das Buch „Divus Augustus" geschrieben über den vergöttlichten Kaiser. Erste Frage: Wie kam der Monat August zu seinem Namen?
    Wilfried Stroh: Der ist erst gut 2.000 Jahre alt, im Jahr 8 vor Christus hat man den bisherigen sechsten Monat, nach alter Rechnung, Sextidi, umbenannt in Augustus. Den Plan hat es schon 20 Jahre früher gegeben, nachdem Augustus zum Herrscher geworden war, aber damals hat er diese Ehrung schlauerweise abgelehnt. Dieselbe Ehrung hatte ja schon Cäsar bekommen mit dem Juli, und das wollte er zunächst nicht riskieren, da die Leute zu verstören.
    Heinemann: Wie gelangte er genau, mit welchen Mitteln, an die Macht?

    Der Name Cäsar brachte ihn an die Macht - und das Geld
    Stroh: Erstens durch sein Geld, zweitens, das Wichtigste, durch seinen Namen, Cäsar. Er nennt sich ja nicht Octavius oder Octavian, wie er eigentlich heißen müsste, er nennt sich mit dem Namen seines Adoptivvaters Cäsar. Und damit gewinnt er das Heer. Schließlich drittens natürlich durch sein schlaues Bündnis mit Cicero, den er offenbar bezirzt hat, und so schafft er es ja auch, im Bündnis mit dem Senat zunächst einmal den Antonius zu bekriegen. Dann viertens durch die Skrupellosigkeit, mit der er seine Partei wechselt, und schließlich durch die Brutalität seiner Proskriptionen, durch die er dann eigentlich sein Leben lang alle Feinde eingeschüchtert hat.
    Heinemann: Proskriptionen heißt, dass er die Gegner für vogelfrei erklärt hat.
    Stroh: Er hat sie für vogelfrei erklärt, ihr Vermögen wurde eingezogen, man konnte sich daran bereichern, wer auch immer den umgebracht hat, das prominenteste Opfer war ja Cicero, der ihn publizistisch überhaupt aufgebaut hatte. Ein Skandal.
    Heinemann: Also wir lernen: Augustus war ein brutaler Machtpolitiker.
    Stroh: Am Anfang.
    Heinemann: Und hat er die Republik abgeschafft?
    Stroh: Nach seiner Selbstdarstellung hat er sie wieder hergestellt. Er wollte – so stellt er es dar in seinen res gestae, also seinem großen Tatenbericht, seiner Lebensdarstellung –, ... wollte er schon im Jahr 44, als er an die Macht kam, nichts anderes, als den Staat von der Herrschaft einer Clique befreien. Das war damals Antonius. Und im entscheidenden Jahr, 27, nachdem er also schon der Weltherrscher quasi war, hat er dann behauptet, er habe nunmehr die alleinige Macht, die er allein besessen habe – und das stimmt –, die habe er – und das stimmt natürlich nicht mehr ganz – wieder zurückgegeben dem römischen Volk und dem Senat. Die Senatoren hatten nicht mehr viel zu sagen.

    Statue von Kaiser Augustus vor der Porta Palatina in der italienischen Stadt Turin
    Statue von Kaiser Augustus vor der Porta Palatina in der italienischen Stadt Turin (picture alliance / dpa / LaPresse Silvio Fiore)
    Das Heer konsolidierte die Macht
    Heinemann: Wieso haben die das mit sich machen lassen?
    Stroh: Er verfügte ja über das Heer, das war der entscheidende Punkt. Die ganze römische Monarchie, das ganze römische Kaisertum ist, wenn man es so will, eine Art Militärdiktatur.
    Heinemann: Augustus steht am Beginn einer 200 Jahre währenden Friedensphase. Mit welchen Mitteln hat er diesen Frieden gesichert?
    Stroh: Indem er die Nerven der Römer geschont hat. Cäsar hat sich das Diadem aufsetzen lassen, Cäsar hat seine eigene Vergottung betrieben. Das hat Augustus alles nicht gemacht. Er war da ganz vorsichtig, hat sich nur mal ... seinen Genius hat er etwas verehren lassen und so weiter. Und ihm kam zugute die allgemeine Friedenssehnsucht. Ich glaube, man kann das gar nicht hoch genug einschätzen, die völlig ... die Verzweiflung der Römer, nachdem sie 20 Jahre lang erbitterten Bürgerkrieg verschiedener Parteien gegeneinander gehabt hatten, da war da einfach ... Der Mann, der Friede bringt, dem flogen einfach die Herzen zu. Das muss man ganz klar sagen. Deswegen hat er nicht mit Gewalt regieren müssen.
    Heinemann: War Augustus ein Charismatiker?
    Stroh: Ich glaube schon. Schauen Sie sein Bild an, der jugendliche, schöne, Herzen bezwingende Mann. Der ist schon ein ... war charismatisch. Und auch später ist ihm ja gelungen, alle führenden Literaten von Rom an sich irgendwie zu fesseln und wirklich auch zu seinen Freunden zu machen.
    "Lionel Messi sieht aus wie ein Büroangestellter, aber nicht wie Augustus"
    Heinemann: Apropos Bild: Es gibt eine späte Augustus-Büste, die Statue aus der Villa von Primaporta, die eine verblüffende Ähnlichkeit aufweist mit dem argentinischen Fußballnationalspieler Lionel Messi.
    Stroh: Das ist mir noch nie aufgefallen. Ich würde das strikt ablehnen. Ich habe schon Bilder von Messi gesehen. Messi sieht aus wie ein Büroangestellter, aber nicht Augustus.
    Heinemann: Also Sie glauben nicht an Wiedergeburt?
    Stroh: Nein.

    Heinemann: Gut, okay.
    Stroh: Das hat ja auch keine tiefere Verwandtschaft.
    Der argentinische Spieler Lionel Messi nach seinem ersten Treffer bei der FIFA WM 2014
    Den Vergleich zwischen Augustus und Lionel Messi weist Wilfried Stroh vehement zurück. (dpa / picture alliance / Abedin Taherkenareh)
    Augustus als moralischer Erneuerer - und vielfacher Ehebrecher
    Heinemann: Sprechen wir über die Ehegesetze, die Augustus ja setzt, sehr umstritten. Sah er sich auch als moralischen Erneuerer?
    Stroh: Ganz zweifellos. Also das waren ja zwei Gesetze. Das eine war die strafrechtliche Verfolgung des Ehebruchs – das entspricht der altrömischen Grundmoralvorstellung, die vor allem ... nicht die Treue des Manns, da gilt natürlich eine doppelte Moral, aber die Treue der Ehefrau ist natürlich ganz heilig. Und der zweite Punkt war die Förderung der Ehe und damit die Bekämpfung der Kinderlosigkeit, was ein ganz großes Problem damals war. Das Neue bei Augustus war, dass er im ersten Fall, beim Ehebruch, mit dem Strafrecht vorgegangen ist. Das hat es überhaupt in Europa noch nie gegeben, strafrechtliche Verfolgung von Ehebruch. Das kannten nur die Juden im Deuteronomium. Und das andere ist, dass er mit privatrechtlichen Sanktionen auf dem Gebiet der Bevölkerungspolitik gearbeitet hat. Das waren die eigentlichen Neuerungen.
    Heinemann: Wobei er selbst und einzelne Familienmitglieder diesen hohen Ansprüchen nicht gerecht wurden.
    Stroh: Sueton sagt uns, er war ein versierter Ehebrecher. Das haben sogar seine Freunde zugegeben. Sie haben aber gesagt, das sei notwendig gewesen, weil er damit die Frauen seiner Bekannten aushorchen konnte, ob sie irgendwelche Putschpläne haben.
    Heinemann: Wobei seine eigene Tochter wohl auch?
    Stroh: Die ging völlig daneben, und die Enkeltochter war noch schlimmer. Aber das waren ja seine Pestbeulen, hat er sie genannt.
    Heinemann: Der arme Mann. Wie ...
    Stroh: Er war nicht besser.
    Der Fall Cicero
    Heinemann: Wie ist Augustus mit Kritik und mit Kritikern umgegangen?
    Stroh: Kritiker gab es wenige. Also in den 30er-Jahren, also bevor er eigentlich zum Weltherrscher wird, in dieser Zeit ... Sonderbarerweise haben wir nichts erhalten von Augustus' kritischer Literatur, allerdings auch nichts für ihn. Also die Literaten halten sich da völlig raus. Ich nehme an, dass die Ermordung von Cicero irgendwie schockierend gewirkt hat. Man hat sich aus der Politik rausgehalten. Später dann haben wir ein schönes Beispiel, ein Properz, der sich als junger Mann noch vor Actium beschwert hat.
    Der römische Staatsmann, Philosoph und Rhetoriker Marcus Tullius Cicero (106-43v.Chr.) in einer Porträtbüste.
    Marcus Tullius Cicero (106-43v.Chr.) ein Opfer des Augustus. (picture alliance / dpa / Röhnert)
    Heinemann: Actium ist die Schlacht gegen Antonius.
    Stroh: Antonius, durch die dann Augustus zum großen Herrscher wird, das ist die wichtigste Schlacht der römischen Geschichte, kann man fast sagen, ist wie die Milvische Brücke später bei Konstantin, so was, also Actium, 31 vor Christus. Das ist das eine Datum, was man wissen muss, beschwert sich also der junge Properz noch, beklagt sich über den Perusinischen Krieg, wo Augustus oder Octavian damals mit großer Grausamkeit vorgegangen war.
    Heinemann: Gegen Perugia.
    Stroh: Perugia, ja. Und später noch in den 20er-Jahren spottet er, na, kann man nicht sagen, aber er kritisiert die Ehegesetzgebung und freut sich, dass sein erster Versuch gescheitert ist. An dem allen nimmt Augustus keinen Anstoß. Er soll überhaupt gegenüber Kritik relativ tolerant gewesen sein. Was ihn erbittert hat wie kein anderer, das war Ovid, Ovid mit seinem Spott über die Ehegesetze, das ging zu weit. Deswegen hat er ihn ja schließlich auch verbannt. Und überhaupt, in seinen letzten Jahren ist er dann gegen aufsässige Literaten, die es dann gab, ... Da war er dann empfindlicher und ist gegen die vorgegangen, hat Bücherverbrennung gemacht, Labienus, Cassius Severus und diese Fälle. Das ist der späte Augustus. In der frühen Zeit scheint er relativ tolerant gewesen zu sein.
    Augustus und die Medien
    Heinemann: Regierende, Herr Professor Stroh, benötigen Öffentlichkeitsarbeit oder Propaganda. Mit welchen Mitteln hat Augustus seine Macht sichtbar gemacht? Wir hatten eben schon über die Statue, die Büste geredet, die ...
    Stroh: Die Statue von Primaporta.
    Heinemann: Sie sagen, keine Ähnlichkeit mit Messi.
    Stroh: Nein. Das muss ich noch mal nachprüfen, ich kann mir das ja mal anschauen.
    Heinemann: Achten Sie auf die Ohren.
    Stroh: Die ist natürlich sehr wichtig. Ganz wichtig natürlich für die Selbstdarstellung des Princeps sind natürlich die Münzen. Er hat offenbar keinen starken Einfluss genommen auf die Literaten. Das erste Werk, das literarisch in seinem Auftrag gedichtet wurde und ihn verherrlicht zweifellos, das ist das „Carmen saeculare" von Horaz im Jahr erst 17 vor Christus, das ist relativ spät.
    Heinemann: Welche Bedeutung hat Augustus für das Christentum?
    Stroh: Also die Begründung des Christentums würde ich später ansetzen, frühestens unter Tiberius wurde Jesus Christus hingerichtet. Aber er hat ... Natürlich hat es eine große Bedeutung gehabt für die Ausbreitung. Es war Friede. Der Friede war die Voraussetzung, und das hatten auch die christlichen Missionare so empfunden, dass das Evangelium ausgebreitet werden konnte. Paulus sagt, man soll Untertan sein der Obrigkeit, man entlastet den Pilatus, der ja Jesus hat umbringen lassen, man entlastet ihn, schiebt die ganze Schuld auf die Juden. Das kommt aber auch durch die Segnungen des Römischen Reichs, die die Christen genossen haben. Und später dann, der große Kirchenvater Origenes sagt zum ersten Mal, es sei der Heilsplan Gottes gewesen, unter Augustus dieses Friedensreich zu schaffen, damit sich überhaupt das Evangelium ausbreiten konnte.
    Rollenvorbild für spätere Kaiser über Karl den Großen bis Napoleon
    Heinemann: Wie sind spätere Herrscher mit Augustus umgegangen?
    Stroh: Also schon Augustus – im Allgemeinen bleibt er ein großes Vorbild, und der Name Augustus bleibt ja dann am römischen Kaiser hängen, bis zum Jahr 1806 heißt jeder deutsche Kaiser, der Idee nach ist er ja römischer Kaiser deutscher Nation, heißt Augustus. Sogar Napoleon hat sich noch Augustus ausrufen lassen, um noch eins draufzusetzen, aber hat sich als einziger dann auch selber gekrönt, ein Fehler, den Augustus nie gemacht hätte.
    Heinemann: Welchen Fehler hat Napoleon begangen?
    Stroh: Indem er sich selber gekrönt hat. Bis dahin wurde immer der Kaiser vom Papst natürlich gekrönt. Die Idee des Gottes Gnadentums wurde da mit Füßen getreten. Die große Kunst von Augustus war es, die Macht eisern zu haben und möglichst wenig davon zu zeigen.
    Ralf von den Hoff, Wilfried Stroh, Martin Zimmermann, "Divus Augustus - Der erste römische Kaiser und seine Welt"
    C H Beck, 2014, 341 Seiten, 26,95 Euro.