Es war ein Spektakel, wie das belustigungsbegeisterte Wien es liebt: In den letzten Junitagen des Jahres 2001 wurde das Museumsquartier im Herzen der Stadt mit Lasershows, waghalsigen Tanzperformances und jeder Menge Pyrotechnik seiner Bestimmung übergeben. Österreichs Bundespräsident Thomas Klestil erinnerte in seiner Eröffnungsansprache an die jahrelangen Kulturkämpfe, die der Realisierung des Projekts vorangegangen waren:
"Hier, auf dem von Fischer von Erlach 1713 gestalteten Areal, ist ein Kunst- und Kulturzentrum für das 21. Jahrhundert entstanden. Es spielt nun keine Rolle mehr, ob das ursprüngliche Konzept verwirklicht wurde oder nicht. Das Museumsquartier ist Realität und damit Anlass zur Freude."
"Hier, auf dem von Fischer von Erlach 1713 gestalteten Areal, ist ein Kunst- und Kulturzentrum für das 21. Jahrhundert entstanden. Es spielt nun keine Rolle mehr, ob das ursprüngliche Konzept verwirklicht wurde oder nicht. Das Museumsquartier ist Realität und damit Anlass zur Freude."
Der Boulevard lief Sturm gegen das Projekt
Das österreichische Architektenduo Laurids und Manfred Ortner hatte in die ehemaligen Hofstallungen der habsburgischen Kaiser ein modernes Museumsareal gewuchtet, das die gediegenen Barockhöfe um eine Reihe markanter zeitgenössischer Bauten bereicherte. Das war schon im Vorfeld hochumstritten. Vor allem die "Kronenzeitung", Österreichs auflagenstärkstes Boulevardblatt, hatte jahrelang gegen das Museumsquartier mobilgemacht. Erfolgreich.
Ortner und Ortner mussten das Projekt gegen ihren Widerstand architektonisch "entschärfen". Vor allem konnten sie das geplante Wahrzeichen des Quartiers, den sogenannten Leseturm, ein schmales 67 Meter hohes Hochhaus, nicht realisieren.
Das alles ist heute fast schon vergessen. Auf 90.000 Quadratmetern beherbergt das Areal fünf Dutzend erfolgreiche Kulturinstitutionen – vom "Leopold-Museum" bis zum "Museum Moderner Kunst", vom "Tanzquartier Wien" bis zum Kindertheater "Dschungel". Direktor Christian Strasser setzt auf "innerbetrieblichen Pluralismus" im Museumsquartier:
"Warum ist es so beliebt? Weil man hierher auch kommt, wenn man ein Musical anschauen will, weil man auch hierherkommt, wenn man eine hervorragende Kinderausstellung anschauen will oder Performances für Kinder im ‚Dschungel‘. Das heißt, es ist die Vielfalt, die es ausmacht."
Auf Augenhöhe mit dem Centre Pompidou
Neben dem Centre Pompidou in Paris und der Berliner Museumsinsel, mit denen man sich in Zukunft mehr vernetzen möchte, ist das "Museumsquartier Wien" eines der größten und bekanntesten Kulturareale der Welt.
Drei Großmuseen bestimmen das Gelände auch architektonisch. Das Leopold-Museum prunkt mit Klimts, Kokoschkas und Schieles; im "Museum Moderner Kunst" werden Werke der Klassischen Moderne und des "Wiener Aktionismus", aber auch bedeutende Werke internationaler Gegenwartskunst gesammelt. Und die "Kunsthalle Wien" widmet sich der Präsentation und Reflexion zeitgenössischen Kulturschaffens.
Ein Museumsareal des 21. Jahrhunderts, davon zeigt sich Christian Strasser überzeugt, muss auch die großen gesellschaftspolitischen Debatten des 21. Jahrhunderts aufgreifen. Direktor Strasser nennt eine Reihe von Fragen, die er in den kommenden Jahren in den einstigen Hofstallungen der österreichischen Kaiser erörtert sehen möchte:
"Das ist einerseits: Wie wollen wir zusammenleben, gemeinsam leben mit dieser ganzen Problematik des Egozentrischen, des Egomanischen. Das zweite Thema ist: Alles hat nur mehr einen finanziellen und materiellen Wert. Was sind denn die anderen Werte, die uns wirklich wichtig sind? Und das Dritte wird sicherlich sein: Ökologisierung, Nachhaltigkeit, aber auch das Tierwohl, da wir, glaube ich, den Bezug zu Tieren völlig verloren haben."
Fusion von Innovation und Tradition?
Das Museumsquartier Wien: ein lebendiges Beispiel dafür, dass Innovation und kulturelles Erbe zusammengehen – wenn man es richtig macht. Wer durch das schlossartige Hauptgebäude, ein Meisterwerk des Spätbarocks, in den weitläufigen Hof mit seinen teils spektakulären Museumsneubauten tritt, betritt eine andere Welt: die Welt des frühen 21. Jahrhunderts.
Man darf annehmen, dass der Barockarchitekt Johann Bernhard Fischer von Erlach, der Neuem gegenüber aufgeschlossen war, seine Freude daran gehabt hätte.