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200. Todestag
Napoleons finale Niederlage

Einst Beherrscher Europas, nun Gefangener der britischen Regierung: Die letzten fünfeinhalb Jahre seines Lebens verbrachte Napoleon Bonaparte auf einem Felsen-Inselchen in der Einöde des Südatlantiks. Hier auf Sankt Helena starb er am 5. Mai 1821.

Von Winfried Dolderer | 05.05.2021
    Der Tod Napoleons - Illustration nach dem Gemälde von Charles de Steuben aus dem Jahr 1821
    Napoleon starb im Alter von 51 Jahren in seiner zweiten Verbannung auf der Insel St. Helena (imago/Jean Vigne/KHARBINE-TAPABOR)
    Der Patient wollte nicht mehr. Er aß kaum noch. Verordnete Arzneien wies er zurück. Bekümmert notierte der behandelnde Arzt, der Brite Archibald Arnott:
    "Er ist so eigensinnig, dass er die Medikamente nur sehr unregelmäßig nimmt oder in so kleiner Dosis, dass sie den gewünschten Effekt nicht hervorbringen. Er wendet ein, dass sein Magen sie nicht vertragen könne."
    Gemälde von Napoleon, der auf einem Schimmel sitzt und mit dem FInger aus seiner Perspektive nach rechts weist.
    Blutrausch und Aufklärung
    Napoleon war Machtmensch, Eroberer und Reformer zugleich, wurde bewundert und gehasst. In den deutschen Gebieten veranlasste der Franzose zahlreiche Reformen, die bis heute sichtbar sind.
    Napoleon Bonaparte, einst Beherrscher Europas, jetzt Gefangener der britischen Regierung, hatte sich allerdings längst damit abgefunden, dass seine Tage gezählt waren: "Mit mir ist es zu Ende, ich fühle es wohl und mache mir keine Illusionen."
    So hatte sich der 51-Jährige bereits im Oktober 1820 vernehmen lassen. Er lebte damals seit fünf Jahren auf Sankt Helena, einer zerklüfteten Felseninsel inmitten der Einöde des Südatlantik. Ihm und seinem Gefolge war ein baufälliges Landhaus als Residenz zugewiesen worden, von dessen 20 Zimmern nur sieben bewohnbar waren, und wo es vor Ratten wimmelte. Longwood House lag auf einer Wind und Wetter ausgesetzten kahlen Hochfläche. Auf die Empfehlung des irischen Marinearztes Barry O'Meara, er solle sich öfter im Freien aufhalten, entgegnete Napoleon:
    "Was für Bewegung sollte ich mir (…) machen hier, wo man nicht einen Schritt tun kann ohne vor Nässe zu triefen, auf dieser Insel (...), auf der man während des größten Teils des Jahres weder Sonne noch Mond sieht? Immer nur Regen und Nebel!"

    Feldzüge kosteten Millionen Menschenleben

    Fast zwei Jahrzehnte lang hatte der gebürtige Korse die internationale Politik in Atem gehalten. Als General der französischen Republik, der den Revolutionskrieg nach Oberitalien und bis nach Ägypten trug. Als Erster Konsul und seit 1804 selbstgekrönter Kaiser, dessen Expansionsdrang erst 1812 in Moskau gestoppt wurde. Nacheinander hatten seine Armeen Österreich, Preußen und Spanien überrannt. Auf dem Höhepunkt seiner Herrschaft erstreckte sich französisches Staatsgebiet entlang der Nordsee bis nach Hamburg. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge sollen seinen Kriegen zwischen zweieinhalb und sechs Millionen Menschen zum Opfer gefallen sein.
    Nach dem Fiasko des Russland-Feldzugs hatte ihn Österreichs Staatskanzler Klemens von Metternich in einer neunstündigen Unterredung zum Frieden gedrängt. Die Antwort: "Ich bin im Felde groß gezogen worden, und ein Mann wie ich, den kümmert es einen Dreck, ob eine Million Mann zugrunde geht."

    Nach Waterloo sollte es kein Comeback geben

    Als Napoleon im Frühjahr 1814 vor den verbündeten Briten, Russen, Österreichern und Preußen die Waffen hatte strecken müssen, hatten die Sieger ihm zunächst noch ein glimpfliches Schicksal zugedacht. Er sollte den Kaisertitel behalten und das Inselchen Elba vor der toskanischen Küste als souveränes Fürstentum regieren dürfen. Er hielt es dort kein Jahr lang aus.
    Der Versuch, in Frankreich erneut die Macht zu ergreifen, endete im Juni 1815 mit der Niederlage bei Waterloo, und diesmal sollte es für Napoleon nach dem Willen der Alliierten kein Comeback mehr geben. Ein Berater des russischen Zaren notierte: "Europa wird nicht sicher sein, als bis zwischen ihm und diesem Mann der Ozean liegt."

    Bis zuletzt strickte er an seiner Legende

    So kam es. In Longwood House hielt der abgesetzte Kaiser, den die Briten nur als "General Bonaparte" anredeten, mit wenigen Getreuen mehr schlecht als recht Hof. Er diktierte seine Memoiren und strickte an seiner Legende. Die bonapartistische Erzählung über den Kaiser als Wegbereiter eins vereinten Europas, der auf dem Kontinent das Licht der Aufklärung und liberalen Fortschritts verbreitet habe, hatte ihren Ursprung auf Sankt Helena.
    Der Steinbogen vor dem Museum zeigt Napoleon, der  mit dem Finger in Richtung Himmel zeigt
    Brienne-le-Château - Wo Napoleons Karriere begann
    In Frankreich wird dieses Jahr des 200. Todestages von Napoleon Bonaparte gedacht. Auch der kleine Ort Brienne-le-Château in der Champagne hält mit einem Museum die Erinnerung an ihn wach. Dort besuchte Napoleon als Jugendlicher die Militärschule.
    Seinem zehn Jahre alten Sohn hinterließ Napoleon die Zeilen: "Ich habe die zugrunde gehende Revolution gerettet, ich habe sie von ihren Verbrechen reingewaschen, und ruhmleuchtend zeigte ich sie der Welt. Ich habe in Frankreich und Europa neue Gedanken eingepflanzt."

    Todesursache Magenkrebs

    Im feuchten Inselklima ging es freilich mit Napoleons Befinden zusehends bergab. Im Oktober 1820 verließ er zum letzten Mal für einen Ausritt das Haus. Seit Mitte März kam er kaum noch aus dem Bett. Ein Vertrauter notierte:
    "Er isst nicht, er bricht alles aus. (…) Er kann vom Bett bis zum Nachtstuhl nicht zwei oder drei Schritte machen, ohne gestützt zu werden."
    Napoleon Bonaparte: "Liebesbriefe" - Einen Kuss aufs Herz
    Das Verhältnis Napoleon Bonapartes zu den Frauen ist ein vielfach und gern beschriebenes Detail der Geschichte, das seit zwei Jahrhunderten nicht nur Royalisten bewegt. Jetzt erscheinen Napoleons Liebesbriefe auf Deutsch.

    In der Nacht zum 5. Mai 1821 stieß der Patient wirre Parolen aus, "Frankreich", "Armee", "Heeresspitze". Gegen Abend kurz vor 18 Uhr starb er. Erst die Autopsie enthüllte die Todesursache Magenkrebs.