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25 Jahre Steven Spielbergs „Schindlers Liste“
Wider das Vergessen

Steven Spielbergs Holocaust-Film „Schindlers Liste“ kommt am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus in technisch überarbeiteter Form wieder in die Kinos. Das mit sieben Oscars prämierte cineastische Manifest gegen das Vergessen ist besonders in heutigen Zeiten aktueller denn je.

Von Hartwig Tegeler |
    Das Foto aus "Schindlers Liste" zeigt Ben Kingsley und Liam Neeson.
    Eine Szene aus dem Film "Schindlers Liste" mit den Schauspielern Ben Kingsley und Liam Neeson (imago / Universal / David James)
    "Da gab es Szenen, die ich einfach nicht ertragen konnte."
    1994 beschrieb Karl-Heinz Kaluzza, damals 61 Jahre alt, seine Empfindungen, als er "Schindlers Liste" sah:
    "Die Szene auf dem Innenhof des KZs, als die Offiziere in Arztkitteln daherkamen, die kamen mir vor wie Veterinäre, die einfach Vieh aussortierten, und die Menschen liefern verstört herum wie … wie verstörtes Vieh. Und die … das war so entwürdigend … furchtbar war das."
    Und Elham Sumek, 1994 18 Jahre alt, fasste ihre Erwartung an "Schindlers Liste" und ihre Reaktion nach dem Kinobesuch so zusammen:
    "Ich hatte nicht erwartet, dass mich das so sehr erschüttert. Ich dachte, vielleicht bin ich selber mehr davon betroffen, weil ich halt ... ja, weil ich halt Jude bin, aber das war es nicht. Als ich dann aufgestanden bin und die Leute da wirklich immer noch saßen … einfach sehr geschockt."
    Der Vernichtung in Auschwitz entkommen
    Sechs Millionen Kinogänger sahen in Deutschland so wie Karl-Heinz Kaluzza oder Elham Sumek Spielbergs Erzählung über Oskar Schindler - Nazi und Frauenheld, der 1939 als Kriegsspekulant in seiner von jüdischen Arbeitern betriebenen Fabrik immensen Profit macht und 1945 1200 Juden – seine Arbeiter - vor der Vernichtung in Auschwitz rettet. Ein Film, der vor 25 Jahren eine Debatte darüber entfachte, ob der Regisseur von "Indiana Jones" und "E.T." einem Holocaust-Epos überhaupt gerecht werden konnte. Was in der fürchterlichen Schlagzeile der "Welt" gipfelte: "Indiana Jones im Ghetto von Krakau".
    Claude Lanzmann, der Regisseur des "Shoah"-Dokumentarfilms, verurteilte Spielbergs Film als "scheinauthentisch". Dem widersprach Andreas Kilb in der "Zeit": Spielberg sei es gelungen, die Geschichte der Ghettos und Konzentrationslager in eine "Kino-Fiktion" zu verwandeln, ohne sie durch "kitschige oder billig-brutale Effekte zu entstellen". Aber: "Bot 'Schindlers Liste' mit seinem deutschen Judenretter für die Deutschen nicht auch den wohlfeilen Ablass?", wie Dietrich Kuhlbrodt argwöhnte. Der damals 24-jährige Hamburger Jude Micha Robeni widersprach 1994 nach seinem Kinobesuch:
    "Ich finde, es ist trotzdem noch sehr wenig. Auch wenn es einen oder zehn oder hundert Menschen gab, die sich dagegen aufgebäumt haben. Ich glaube, wir sind uns alle darüber einig, dass Oskar Schindler eine Ausnahmefigur war."
    Das Vergessen überwinden
    1994 schien es übrigens unvorstellbar, dass Rassismus, Antisemitismus und die Leugnung des Holocausts in Deutschland überhaupt jemals wieder gesellschaftliche Brisanz bekommen könnten. "Schindlers Liste" hat also nach diesen 25 Jahren seine Bedeutung gegen jegliche Geschichtsverfälschung nicht verloren. Damals schrieb Andreas Kilb in der "Zeit": Die Zuschauer von "Schindlers Liste" wollten das "Vergessen überwinden". Das Ziel hätte Spielberg erreicht. Das "Überwinden von Vergessen" ist – heute offensichtlich! - kein einmaliger Akt, sondern ein mühsamer Prozess.