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50+1-Regel in der Premier League?
Englands Fans und Politik streben nach mehr Mitbestimmung im Fußball

Seit dem Super-League-Desaster hat in Englands Premier League die Diskussion um die Einführung einer 50+1-Regel nach deutschem Vorbild begonnen. Die Fans fordern vehement mehr Mitbestimmung ein, und auch die Politik diskutiert über neue Regel für Investoren und Clubs im englischen Profi-Fußball.

Von Thorsten Poppe | 09.05.2021
In Manchester protestierten Fans gegen die Super-League-Pläne.
In Manchester protestierten Fans gegen die Super-League-Pläne. (www.imago-images.de)
Vor einer Woche, kurz vor dem Premier League Spiel von Manchester United gegen den Erzrivalen FC Liverpool: Hunderte Fans stürmen das Stadion Old Trafford. Mindestens so viele protestieren dazu vor dem Stadion. Der Grund: Die umstrittenen Super League-Pläne, die auch Clubinhaber Joel Glazer mitgetragen hat.
Diese schließlich schnell geplatzte Liga mit den größten Clubs der Welt, die ohne sportliche Qualifikation und abseits der Organisatoren des Weltfußballs um FIFA und UEFA ausgetragen werden sollte, hat die englischen Fans aufgeschreckt. Seitdem mobilisiert sich in England eine Bewegung, die sich gegen den Ausverkauf des Fußballs stellt. Selbst Premierminister Boris Johnson mischt in der Debatte mit:
"Ich denke, die meisten Vorschläge der europäischen Super League sind beunruhigend. Investoren übernehmen Clubs, die den Namen großartiger britischer Städte tragen, und verwandeln sie in globale Marken. Ohne Beziehung zu den Fans, die den Vereinen die meiste Liebe und Unterstützung geben. Das ist meiner Ansicht nach total falsch!"

Viele wünschen sich eine Beschränkung des Einflusses von Investoren

Deshalb hat die britische Regierung angekündigt, dass sie die Strukturen im englischen Profi-Fußball untersuchen wird. Eine zentrale Rolle, um die langfristige Zukunft des Fußballs sicherzustellen, sollen dabei die Fans spielen. Daneben ist eine Petition erfolgreich, mit der sich bald die britische Regierung befassen muss. Darin wird ein Gesetz gefordert, die 50+1-Regel nach deutschem Vorbild umzusetzen. Diese Regel beschränkt den Einfluss von Investoren und besagt, dass die Mehrheit des Vereins in Händen der Mitglieder liegen muss.
Für ihren Erhalt hat sich in Deutschland zuletzt "50+1 bleibt" erfolgreich eingesetzt. Dafür hat die Initiative fast alle Fanszenen des Landes hinter sich bringen können, und auch dadurch bei der Deutschen Fußball-Liga DFL eine Entscheidung pro 50+1 erreicht.
"Die Ereignisse rund um die Super League zeigen, wie gefährlich es sein kann, wenn Fußballclubs nicht einer breiten Mitgliederschaft, sondern Einzelpersonen oder Investoren gehören", sagt "50+1-bleibt"-Initiator Manuel Gabler, den die Diskussionen in England um mehr Mitbestimmung nicht überrascht. "Denn demokratische Strukturen und Fanbeteiligung sind ein wichtiger Schritt zum nachhaltigen und basisnahen Fußball."

Super-League-Pläne gaben entscheidenden Anstoß

Das Scheitern der Super-League-Pläne mag ein Weckruf für die englischen Fans gewesen sein. Für mehr Mitbestimmung, gegen den letzten Schritt der völligen Kommerzialisierung.
Allerdings beherrschen im englischen Fußball Investoren seit langem die Clubs. Die 20 Vereine gehören Milliardären, Oligarchen, oder ganzen Staaten, die über sie bestimmen. Proteste dagegen hat es, wenn überhaupt, immer nur vereinzelt gegeben. Jetzt das Rad plötzlich zurückdrehen zu wollen, ist ein mehr als schwieriges Unterfangen.
"Idealtypisch gäbe es hier zwei Möglichkeiten", meint Prof. Christoph Breuer von der Sporthochschule Köln. "Erstens: Der Club kauft die Investorenanteile vom Investor zurück. Dazu wäre im Einzelfall sehr viel Kapital nötig, die Folge wäre eine hohe Neuverschuldung. Und es wäre bei einigen Clubs fraglich, ob die Banken hierfür überhaupt das erforderliche Geld bereitstellen. Die zweite Möglichkeit wäre über ein Fanbündnis, welches zum Beispiel in Form einer Genossenschaft die Anteile vom Investor abkauft. Aber auch in diesem Fall wäre sehr viel Geld erforderlich."

In Newcastle wollen Fans Teile des Clubs zurückkaufen

Wie mühsam der Weg dafür ist, zeigt das Beispiel Newcastle United. Hier haben die Fans die Initiative "This club is our club" gestartet. Dafür zahlen sie monatlich oder als einmalige Zahlung auf ein geschütztes Treuhandkonto Geld ein, um mindestens ein Prozent des Vereins zurückkaufen zu können.
Ein schwieriges Unterfangen, denn momentan ist Newcastle United mit 350 Mio. britischen Pfund bewertet. Also benötigen die Fans dafür allein schon 3,5 Mio. Pfund. Aber dieses Vorhaben reicht natürlich nicht, um Mitbestimmung im Verein zu erlangen.
Lob für deutsches Modell aus Manchester
Deshalb setzt zum Beispiel der Bürgermeister von Manchester, der mit Champions-League-Finalist City und Europa-League-Finalist United zwei Big Player der Branche in seiner Stadt weiß, auf die Einführung einer Art 50+1-Regel nach deutschem Vorbild. Andy Burnham sagt dazu der Deutschen Welle:
"Es sind die Fans über Generationen hinweg, die diese Clubs aufgebaut haben. Das deutsche Modell erkennt das an, und hält die Clubs vertrauensvoll in ihren Händen. Aber unsere großartigen Vereine können uns einfach so genommen werden, ohne dass wir die Macht dazu haben, es zu verhindern."
Anpassung der 50+1-Regel - Lautes Schweigen in der Fußball-Bundesliga In der Fußball-Bundesliga ist in der Coronakrise die Diskussion neu entfacht, die Klubs mehr für Investoren zu öffnen. Die DFL hat die Profivereine schon im vergangenen Jahr zu einer möglichen Umgestaltung der 50-plus-1-Regel befragt, die Ergebnisse werden bislang unter Verschluss gehalten.
Die kommerziellste Liga der Welt, die englische Premier League, sehnt sich nach mehr Basisnähe und Mitbestimmung. Als Vorbild dient dazu die deutsche 50+1-Regel, die aber immer wieder hierzulande selbst unter Druck steht.
50+1-Regel ist aber auch in Deutschland unter Druck
Im Zuge der Coronapandemie ist erneut die Debatte um eine Aufhebung aufgekommen, um mit einem Investoreneinstieg die Proficlubs vor einer drohenden Insolvenz zu retten. Das sei aber zu kurz gedacht, betont Prof. Christoph Breuer von der Sporthochschule Köln:
"Denn das Grundproblem sind dauerhaft zu hohe Ausgaben, insbesondere für Spieler, die auch dem hohen Wettbewerbsdruck im Fußball geschuldet sind. Investorenbeteiligungen sind Einmalzahlungen, und können häufig Insolvenzprobleme verschieben. Sie können lediglich Zeit zum Durchatmen geben. Wird aber diese Zeit nicht genutzt, das Geschäftsmodell nachhaltiger aufzustellen, dann steht der Club wieder vor dem gleichen Problem. Aber er hat gleichzeitig keine Anteile mehr, die er veräußern kann, um sich nochmals finanzielle Luft zu verschaffen."