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Meinung
Bitte mehr Berichte übers 9-Euro-Ticket!

Gefühlt jedes Medium hat in den letzten Tagen über das 9-Euro-Ticket berichtet, mit unfreiwillig komischen Live-Schalten und Reportagen inklusive. Dafür gibt es viel Häme im Netz, aber unser Kollege Christoph Sterz findet: gerne mehr Berichterstattung über das neue Mobilitätsangebot!

Von Christoph Sterz | 08.06.2022
Bahnfahren im Pfingstreiseverkehr - Berlin Hauptbahnhof
Das 9-Euro-Ticket ist nicht einfach nur ein Ticket - es liefert gute Geschichten. Stories, die sich gut erzählen lassen von Journalistinnen und Journalisten. Zum Beispiel die Geschichte von der piekfeinen Nordseeinsel, die Angst vor dem Pöbel hat - und dafür zur Belohnung von Punks gestürmt wird.

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Dann noch Geschichten vom möglichen Beginn einer Verkehrswende, von Millionen verkaufter Tickets, und von Bahnen, die vor lauter Menschen nicht losfahren können.

Kritik an Berichterstattung über 9-Euro-Ticket

Dass diese Stories in den letzten Tagen massenhaft erzählt wurden, stößt insbesondere im Netz im Moment auf viel Kritik. Nach dem Motto: zu viel, zu oberflächlich, zu eindimensional, zu emotional.
Es ist nur so: Die Geschichten vom 9-Euro-Ticket interessieren sehr viele Menschen. Wieso sollten Medien also nicht breit über so ein gesellschaftlich relevantes Thema berichten? Über die Frage, wie die Idee angenommen wird – und ob das eher eine gute oder eher eine schlechte Idee ist.

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Das funktioniert am besten direkt vor Ort. Um mitzubekommen, wie das ist, wenn das 9-Euro-Ticket Wirklichkeit wird – und ja, auch um Emotionen einzufangen, um das mit diesem Nahverkehr greifbar zu machen.
Na klar, auch ich brauche nicht gefühlte 835 Live-Berichte von den Sylt-Punks oder Umfragen, in denen Menschen sagen, dass sie das günstige Ticket nutzen, weil es günstig ist. Aber erstens sind die vielen Berichte ein Ausdruck der großen Medienvielfalt in Deutschland – und zweitens gibt es ja auch deutlich tiefergehende Berichte.

Hype um Ticket legt Schwächen der Bahn offen

Vielleicht helfen die Punks oder auch die begrenzt appetitanregenden Beschreibungen der Regionalbahn-Toiletten sogar dabei, vor allem Nicht-Bahn-Fahrer erstmal an das Thema heranzuführen – um zu zeigen, worum es eigentlich geht: dass es überfüllte Züge nicht nur an Pfingsten gibt. Dass bei der Bahn Verspätungen leider normal sind, Reisekomfort aber nicht. Dass die Bahn über die Jahre in die Jahre gekommen und ziemlich kaputtgespart worden ist. Dass das 9-Euro-Ticket keine Lösung ist, sondern stattdessen sehr, sehr viel Geld in die Züge und die Infrastruktur gesteckt werden muss.

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Auch davon lese, höre und sehe ich im Moment einiges – und das gefällt mir. Denn so kommt das Thema in der Breite der Bevölkerung an. Weil Deutschland eben nicht nur besteht aus nachrichtenverschlingenden Großstädtern mit kilometerlanger Bahn-Erfahrung. Und so bekommt auch die Politik mit, dass die Deutschen doch ganz gerne Bahn fahren, wenn es bezahlbar ist und man keinen Studienabschuss braucht, um das richtige Ticket am Fahrkartenautomaten zu kaufen.

Hoffnung: Berichterstattung lenkt Fokus aus drängende Fragen

Deshalb hoffe ich, dass wir in den nächsten Wochen medial noch viel vom 9-Euro-Ticket hören werden. Zum Beispiel, was passiert, wenn die vielen Schnäppchen-Fahrerinnen auf die traditionell zahlreichen Baustellen im Sommer treffen. Und ob die Bundesregierung neben Billig-Tickets auch innovative Verkehrs-Ideen in petto hat, die langfristig wirklich etwas bringen.
Wenn es dank der breiten Berichterstattung um diese und alle anderen drängenden Fragen geht, ist das schon okay, dass es bis dahin noch ein paar belanglose 9-Euro-Reportagen geben wird - zur Not auch direkt aus der Zugtoilette.